OGH 8Ob55/17x

OGH8Ob55/17x24.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, die Hofräte Dr. Brenn und Mag. Dr. Wurdinger sowie die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R*****, als Insolvenzverwalter im Insolvenzverfahren der T***** GmbH, vertreten durch Beurle/Oberndorfer/Mitterlehner, Rechtsanwälte in Linz, wegen 1.147.502 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. Februar 2017, GZ 1 R 186/16b‑17, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. August 2016, GZ 4 Cg 166/14w‑13, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00055.17X.0824.000

 

Spruch:

Der Rekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 526 Abs 2 ZPO).

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 4.139,28 EUR (darin enthalten 689,88 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin lieferte an die Schuldnerin diverse Waren. Diesen Lieferungen lag die Jahresvereinbarung 2013 zugrunde, die unter anderem nachstehenden Inhalt aufweist:

„Unsere Lieferungen erfolgen ausschließlich auf Basis unserer Allgemein gültigen Geschäftsbedingungen und unter Eigentumsvorbehalt. (…)

5. Eigentumsvorbehalt: Der Verkäufer bleibt bis zur vollständigen Bezahlung sämtlicher Forderungen aus der Geschäftsverbindung Eigentümer der gelieferten Waren. (…) Aus Weiterveräußerung der im Vorbehaltseigentum stehenden Ware entstehende Ansprüche des Käufers sind im Voraus an den Verkäufer abgetreten. Der Verkäufer nimmt die Abtretung an. …“

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 4. 7. 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Klägerin begehrt die Zahlung von 1.147.502 EUR und bringt vor, dass die Lieferungen an die Schuldnerin unter Eigentumsvorbehalt erfolgt seien. Dessen ungeachtet seien die Waren nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom beklagten Insolvenzverwalter veräußert worden. Der Erlös aus diesen Verkäufen stünde daher ihr zu. Der vereinbarte Vorbehalt sei zumindest für die konkret gelieferte Ware und die daraus resultierende Kaufpreisforderung wirksam.

Der Beklagte bestritt und wandte ein, dass der sich aus der Vereinbarung ergebende erweiterte Eigentumsvorbehalt unzulässig sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge, hob die erstinstanzliche Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht.

Es sei davon auszugehen, dass die festgestellte Abrede jedenfalls einen einfachen Eigentumsvorbehalt umfasse. Die Berechtigung der Ansprüche sei daher vom Erstgericht inhaltlich zu prüfen.

Das Berufungsgericht ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zur Klarstellung der Rechtslage zu.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Im Rekursverfahren letztlich nicht mehr strittig ist, dass ein „erweiterter“ Eigentumsvorbehalt, bei dem neben der ursprünglichen Kaufpreisforderung noch andere Forderungen des Verkäufers durch den Eigentumsvorbehalt gesichert werden sollen, wegen Verstoßes gegen die pfandrechtlichen Publizitätsvorschriften unwirksam ist (vgl auch RIS-Justiz RS0020553, Apathy/Perner in KBB 5 § 1063 Rz 8; Aicher in Rummel ³ § 1063 Rz 108; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 IV § 1063 Rz 26).

Die Revision geht aber davon aus, dass die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung nur einen erweiterten Eigentumsvorbehalt, nicht aber auch einen einfachen beinhaltet.

2. Die Beurteilung einer Urkunde nach ihrem Wortsinn, somit nach ihrem objektiven Erklärungswert, ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RIS‑Justiz RS0017911; RS0017849). Die Erforschung der wahren Absicht der Parteien ist dagegen eine Beweisfrage (RIS‑Justiz RS0017911).

Die Vorinstanzen sind bei Auslegung der Vereinbarung ausschließlich von der schriftlichen Vereinbarung ausgegangen. Dadurch kann sich der Beklagte, der einen davon abweichenden Parteiwillen nicht behauptet hat, nicht beschwert erachten. Auf die Beweislast für einen solchen Parteiwillen kommt es daher nicht an.

3. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass aus der an sich unwirksamen Vereinbarung eines erweiterten Eigentumsvorbehalts die wirksame Vereinbarung eines einfachen Eigentumsvorbehalts abgeleitet werden kann (1 Ob 40/73; 2 Ob 602/85). Diese Ansicht entspricht auch der in der Literatur vorherrschenden Meinung (vgl beispielsweise Aicher in Rummel ³ § 1063 Rz 109; Binder/Spitzer in Schwimann/Kodek , ABGB 4 IV § 1063 Rz 26; Riedler in Apathy/Iro/Koziol , Bankvertragsrecht IX Rz 3/33).

Die vom Beklagten zitierte „jüngste“ Entscheidung 4 Ob 221/06p steht dazu nicht in Widerspruch, da es sich dabei um einen Verbandsprozess handelt, in dem die Auslegung der zu beurteilenden Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen hat (RIS‑Justiz RS0016590) und anders als bei Vertragsauslegung im Einzelfall keine geltungserhaltende Reduktion möglich ist (RIS‑Justiz RS0038205). Warum eine solche bei dem hier zu beurteilenden Vertrag zwischen Unternehmern unzulässig sein soll, zeigt auch die Revision nicht auf.

Insoweit besteht daher weder der vom Berufungsgericht angenommene Bedarf einer Klarstellung der Rechtslage noch liegt eine – wie von der Revision behauptet – unvertretbare Vertragsauslegung durch das Berufungsgericht vor.

4. Da das Erstgericht das Verfahren auf die Frage der (Un-)Wirksamkeit der Vereinbarung über den Eigentumsvorbehalt eingeschränkt hat, ist eine allfällige– vom Erstgericht nicht erörterte – Unschlüssigkeit des Klagebegehrens derzeit vom Obersten Gerichtshof nicht zu beurteilen.

5. Der Rekurs ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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