European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00044.17B.0704.000
Spruch:
Das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 3. August 2016, GZ 042 Hv 71/15i‑33, verletzt in seinem Strafausspruch § 33 Abs 1 Z 2 StGB und § 1 Abs 4 TilgG.
Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in seinem Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Kemal M***** wird für die ihm zur Last liegenden Vergehen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem § 129 Abs 1 StGB zu einer für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von fünf Monatenverurteilt.
Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kemal M***** je eines Vergehens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127, 129 Abs 1 Z 1 StGB (A) und der Sachbeschädigung nach § 125 StGB (B) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in W*****
(A) am 28. September 2014 im einverständlichen Zusammenwirken mit einem abgesondert verurteilten Mittäter mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz versucht, Verfügungsberechtigten der MA 48 fremde bewegliche Sachen, nämlich etwa 15 Stück Kupferrohre und etwa 5 kg abisolierte Kupferkabel, durch Einbruch wegzunehmen, indem sie den Zaun des Mistplatzes der MA 48 aufbogen und durchschlüpften,
(B) am 25. November 2014 eine fremde Sache, nämlich eine Blumenkiste der Elfriede S***** und eine Hausmauer eines von W***** vermieteten Hauses zerstört und beschädigt, indem er „sich auf ein Fensterbrett hing und so die Blumenkiste herunterfiel und Teile der Mauer mitriss“.
Der Angeklagte hat gegen dieses Urteil Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe angemeldet (ON 36), diese Rechtsmittel jedoch in der Folge nicht ausgeführt und schließlich zurückgezogen (nicht journalisierter Schriftsatz vom 31. Oktober 2016).
Ausgehend von der Feststellung nach der die „Strafregisterauskunft (AS 17 in ON 2)“ des Kemal M***** „sieben Vorstrafen“ aufweise, „wovon eine aus dem Jahr 1995 wegen des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB einschlägig“ sei (US 4), wertete die Einzelrichterin bei der Strafbemessung neben dem Zusammentreffen von zwei Vergehen eine auf der gleichen schädlichen Neigung beruhende Vorverurteilung als erschwerend, als mildernd dagegen die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten und dessen psychische Beeinträchtigung sowie die Sicherstellung der Beute. Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erachtete sie „im Hinblick auf die Persönlichkeit des Angeklagten und sein Vorleben“ eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten als tat‑ und schuldangemessen (US 11). Die Gewährung bedingter Strafnachsicht lehnte das Gericht aufgrund des „durch zahlreiche, teils einschlägige, Vorstrafen getrübten Vorlebens“ des Angeklagten und der Tatsache ab, dass „er in der Vergangenheit weder durch die Rechtswohltat der bedingten Strafnachsicht noch durch das Übel der Strafhaft davon abgehalten wurde, erneut zu delinquieren“ (US 12).
In der vom Erstgericht herangezogenen (vgl neuerlich US 4) Strafregisterauskunft vom 28. September 2014 (ON 2 S 13 f) scheinen, neben der im angefochtenen Urteil explizit als aggravierend erachteten Vorstrafe sechs weitere Verurteilungen auf. Mit den aus den Jahren 1993, 1995, 1997, 1999, 2000, 2001 und 2002 datierenden Urteilen war Kemal M***** wegen Vergehen nach dem ersten (§§ 83 Abs 1, 15; §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 4; §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1; § 88 Abs 1 StGB), dem dritten (§ 107 Abs 1 und Abs 2 StGB) und dem neunzehnten (§§ 15, 269 Abs 1 StGB) Abschnitt des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches schuldig erkannt und hiefür zu teilweise bedingt nachgesehenen, teilweise unbedingten Geld‑ und Freiheitsstrafen (von höchstens einem Jahr) verurteilt worden, wobei die verhängten Freiheits‑ und Ersatzfreiheitsstrafen– mit einer Ausnahme (Punkt 1 der Strafregisterauskunft) – jeweils einen Monat überstiegen und in Summe zwei Jahre, acht Monate und fünf Tage betrugen. Sämtliche Sanktionen wurden in der Folge vollzogen. Der (letzte) Vollzug einer mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Mai 2000, AZ 2d Vr 2786/2000, Hv 2051/2000, ausgesprochenen achtmonatigen Freiheitsstrafe erfolgte (nach Widerruf der ursprünglich hinsichtlich eines sechsmonatigen Strafteils gewährten bedingten Strafnachsicht) am 3. Oktober 2003 (Punkt 5 der Strafregisterauskunft).
In der Strafregisterauskunft findet sich der Hinweis, dass nach dem derzeitigen Stand der Strafregistereintragungen die Tilgung voraussichtlich mit 3. Oktober 2014 eintreten wird (ON 2 S 14).
In einer schon zum Urteilszeitpunkt aktenkundigen Strafregisterauskunft des Kemal M***** vom 4. Dezember 2014 (ON 3 S 7) scheint dementsprechend keine Verurteilung (mehr) auf.
Wie die Generalprokuratur in ihrer dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend aufzeigt, steht das angeführte Urteil in seinem Strafausspruch mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 1 Abs 4 TilgG gilt der Verurteilte fortan als gerichtlich unbescholten, wenn eine (Vor‑)Verurteilung getilgt ist, soweit dem nicht eine andere noch ungetilgte Verurteilung entgegensteht.
Die Tilgungsfrist beginnt (soweit hier wesentlich), sobald alle Freiheits‑ und Geldstrafen vollzogen sind (§ 2 Abs 1 TilgG), vorliegend also mit dem Vollzug der letzten noch offenen Freiheitsstrafe am 3. Oktober 2003.
Die in der Strafregisterauskunft vom 28. September 2014 aufscheinenden Verurteilungen des Kemal M***** (zu Geldstrafen und ein Jahr nicht übersteigenden Freiheitsstrafen) erfolgten im Abstand von weniger als fünf Jahren und waren damit vor der jeweils nächsten Abstrafung nicht getilgt (vgl § 3 Abs 1 Z 2 TilgG). Deren Tilgung konnte damit nur gemeinsam eintreten (§ 4 Abs 1 TilgG).
Die Tilgungsfrist ist in solchen Fällen primär unter Zugrundlegung der Summe der in allen noch nicht getilgten Verurteilungen verhängten Strafen nach § 3 TilgG zu bestimmen. Sie muss aber mindestens die nach dieser Gesetzesstelle bestimmte Einzelfrist, die am spätesten enden würde, um so viele Jahre übersteigen, als rechtskräftige und noch nicht getilgte Verurteilungen (zu mindestens einem Monat Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe) vorliegen, wobei die zuletzt rechtskräftig gewordene Verurteilung mitzuzählen ist (§ 4 Abs 2 und Abs 3 TilgG).
Unter Zugrundelegung dieser Kriterien wäre die (nach dem Vorgesagten am 3. Oktober 2003 begonnene) gemeinsame Tilgungsfrist ausgehend von der – ein Jahr, aber nicht drei Jahre übersteigenden und damit eine zehnjährige Frist auslösenden (§ 3 Abs 1 Z 3 TilgG) – Summe der über den Verurteilten verhängten Sanktionen am 3. Oktober 2013 abgelaufen. Weil insgesamt sechs Verurteilungen zu einen Monat übersteigenden Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafen vorlagen, war jedoch die – um sechs Jahre verlängerte – am spätesten endende Einzelfrist (nämlich jene zum Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 12. Mai 2000, AZ 2d Vr 2786/2000, Hv 2051/2000, mit dem eine achtmonatige, am 3. Oktober 2003 vollzogene Freiheitsstrafe verhängt worden war) maßgeblich, die am 3. Oktober 2014 endete (§ 4 Abs 2 erster Halbsatz, Abs 3 erster Halbsatz iVm § 3 Abs 1 Z 2 TilgG).
Nach den aktenkundigen Verfahrensergebnissen waren demnach zum relevanten Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung (am 3. August 2016) sämtliche Vorverurteilungen des Angeklagten bereits getilgt und hätten daher bei der Strafbemessung keine Berücksichtigung finden dürfen (RIS‑Justiz RS0106650; vgl auch Kert, WK‑StPO TilgG § 1 Rz 33).
Da sich die Gesetzesverletzung angesichts der Strafzumessungserwägungen des Erstgerichts zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt hat, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, ihre Feststellung auf die im Spruch ersichtliche Weise mit konkreter Wirkung zu verknüpfen (§ 292 letzter Satz StPO).
Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung waren der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten, dessen reumütiges Geständnis zum Schuldspruch B und der Umstand, dass es zum Schuldspruch A beim Versuch geblieben ist, als mildernd, erschwerend dagegen das Zusammentreffen von zwei Vergehen zu werten.
Die vom Erstgericht berücksichtigte „psychische Beeinträchtigung“ stellt mit Blick auf die Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen, nach denen die beim Angeklagten nachgewiesene Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis tatzeitwirksam nicht in Erscheinung getreten sei (ON 29 S 15), keinen besonderen Milderungsgrund dar.
Davon ausgehend entspricht bei einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe (§ 129 Abs 1 StGB idF BGBl I 2015/154) eine fünfmonatige Freiheitsstrafe dem Unrechts‑ und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit.
Mit Blick auf das (nunmehr) ungetrübte Vorleben des Verurteilten war die Strafe für eine dreijährige Probezeit bedingt nachzusehen.
Die Anrechnung der Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.
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