European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0020DS00001.17W.0703.000
Spruch:
Der Berufung wird dahin Folge gegeben, dass ***** an einen anderen Dienstort außerhalb der Sprengel der Oberlandesgerichte ***** und ***** ohne Anspruch auf Übersiedlungsgebühren versetzt wird.
Der Beschuldigte hat die mit 300 Euro bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde ***** eines Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG schuldig erkannt, weil er am 31. Jänner 2012 in ***** in einem Ermittlungsverfahren nach der Strafprozessordnung, nämlich im Verfahren ***** der Staatsanwaltschaft *****, vor der Kriminalpolizei als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt hat, indem er gegenüber Beamten des Landespolizeikommandos für ***** wahrheitswidrig behauptete, er sei am 28. Jänner 2012 nach dem Einkauf eines B‑free Handys im A1 Shop im Citypark um ca 11:00 Uhr wieder in sein Büro (gemeint im Landesgericht *****) zurückgefahren, habe sich um Mittag beim Spar in der C***** eine Jause geholt und sei anschließend bis ca 14:30 Uhr im Büro gewesen. Er habe so gegen die Richtern allgemein auferlegten Pflichten verstoßen, die in der Republik Österreich geltende Rechtsordnung unverbrüchlich zu beachten (§ 57 Abs 1 erster Satz RStDG) und sich im und außer Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege und das Ansehen ihres Berufsstandes nicht gefährdet wird (§ 57 Abs 3 RStDG).
Gemäß § 104 Abs 1 lit c RStDG wurde über ihn die – nicht näher determinierte – Disziplinarstrafe der Versetzung an einen anderen Dienstort ohne Anspruch auf Übersiedlungsgebühren verhängt.
Bei der Strafbemessung wertete das Oberlandesgericht die Wissentlichkeit bei der Tatbegehung als erschwerend, als mildernd hingegen den zuvor ordentlichen Lebenswandel, die Einmaligkeit der Verfehlung, die psychische Belastung zur Tatzeit und den Umstand, dass ***** im Strafverfahren „bereits unmittelbar nach seiner Zeugenvernehmung formell als Beschuldigter geführt“ wurde.
Wegen des bezeichneten Sachverhalts war der Beschuldigte zuvor mit Urteil des Landesgerichts ***** vom 26. November 2013, AZ *****, des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 4 StGB schuldig erkannt und hiefür mit Urteil dieses Gerichts vom 29. Oktober 2015, AZ *****, zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden.
Rechtliche Beurteilung
Gegen den Ausspruch der Disziplinarstrafe richtet sich die zum Nachteil des Beschuldigten ausgeführte Berufung des Disziplinaranwalts, mit der die gesetzliche Höchststrafe der Dienstentlassung nach § 104 Abs 1 lit d RStDG angestrebt wird.
Für die Strafbemessung ist die Art und Schwere der Pflichtverletzung maßgebend, wobei jedoch auch auf Erwägungen der Spezial‑ und Generalprävention Rücksicht zu nehmen ist (Ds 27/13, Ds 9/09).
Der mit Wirkung vom 1. Jänner 2017 (BGBl I 2016/119) normierte Ausschluss der Aufnahme in den richterlichen Vorbereitungsdienst für Personen, die wegen einer mit Vorsatz begangenen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe verurteilt worden sind (§ 2 Abs 1a Z 1 RStDG), zwingt nicht zur Entlassung von zu einer solchen Strafe verurteilten Richtern, hat doch der Gesetzgeber für die Auflösung des Dienstverhältnisses aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung in § 100 Abs 1 Z 3a und Z 4 RStDG (§ 27 Abs 1 StGB) einen davon abweichenden strengeren Maßstab gesetzt.
Wenngleich eine durch einen Richter begangene Straftat gegen die Rechtspflege geeignet ist, das Vertrauen des Dienstgebers in den Richter und jenes der Bevölkerung in die österreichische Justiz zu erschüttern, ist bei der – für die Strafzumessung maßgeblichen – Beurteilung des Gewichts eines Disziplinarvergehens keine abstrakte Sicht, sondern eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen, die hier – auch aus Sicht des Obersten Gerichtshofs – die strengstmögliche Sanktion der Dienstentlassung nicht rechtfertigt.
Dies allerdings nur aufgrund der Determinierung des Versetzungsausspruchs, zu der der Oberste Gerichtshof, dessen Entscheidung über die Disziplinarstrafe ein iudicium novum darstellt (vgl Ds 26/13; Ratz , WK-StPO Vor § 280 Rz 13, § 295 Rz 2; RIS-Justiz RS0100285), durch § 139 Abs 2 RStDG nicht gehindert ist (vgl dazu RIS-Justiz RS0128657). Diese Vorschrift meint nämlich (nur) die „Umstände, durch die sie [die Berufung] begründet werden soll“, nicht auch das Anfechtungsziel einer (hier: zum Nachteil des Beschuldigten erhobenen) Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe.
Während in einer Ernennung nach § 25 Abs 4 RStDG keinerlei pönale Komponente zum Ausdruck kommen darf, liegt der Zweck der zweithöchsten Disziplinarstrafe einer Versetzung an einen anderen Dienstort just darin. Eine Versetzung nach § 104 Abs 1 lit c RStDG soll nach der Stufung der Disziplinarstrafen dem eines Dienstvergehens schuldig erkannten Richter oder Staatsanwalt ein größeres Übel zufügen als eine Geldstrafe in der Höhe von fünf Monatsbezügen auf der Grundlage von § 104 Abs 1 lit b RStDG. Das sicherzustellen ist Aufgabe des Disziplinargerichts. Aufgabe des Bundesministers für Justiz ist es sodann, aus den nach Maßgabe der Disziplinarstrafe nach § 104 Abs 1 lit c RStDG verbleibenden Planstellen die passende auszuwählen, ohne den durch das Disziplinargericht versetzten Richter oder Staatsanwalt dadurch erneut zu bestrafen (treffend bereits Fellner/Nogratnig RStDG‑GOG 4 § 25 Anm 14, 22).
Wie die Berufung zutreffend aufzeigt, ist im Rahmen disziplinarrechtlicher Strafbemessung auch den Erfordernissen der (positiven) Generalprävention nachzukommen und die Verletzung richterlicher Verhaltenspflichten derart zu sanktionieren, dass nicht nur das Vertrauen in die richterlichen Amtshandlungen, sondern auch die Achtung vor den Organen der Rechtsprechung, die verfassungsgemäß zur Entscheidung rechtlicher und sozialer Konflikte sowie zur Beurteilung strafgesetzlich verpönten Verhaltens der Mitglieder der Rechtsgemeinschaft berufen sind, erhalten und bestärkt wird (RIS-Justiz RS0108407; Ds 26/13).
Dementsprechend war die Determinierung der Disziplinarstrafe dahin vorzunehmen, dass die Versetzung an einen anderen Dienstort außerhalb der Sprengel der Oberlandesgerichte ***** und ***** erfolgt.
Weil damit ein Erfolg der Berufung des Disziplinaranwalts verbunden ist, trifft den Beschuldigten die Pflicht zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens (§ 137 Abs 2 iVm § 140 Abs 3 letzter Satz RStDG; vgl § 390a Abs 1 StPO), wobei deren Höhe dem Verfahrensaufwand und den Vermögensverhältnissen des Beschuldigten entspricht.
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