OGH Ds26/13

OGHDs26/134.3.2014

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Richter und Staatsanwälte hat am 4. März 2014 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Schroll und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Jensik und Dr. Höllwerth als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Nagl als Schriftführerin im Disziplinarverfahren gegen den Richter des ***** Dr. F***** S***** über die Berufungen des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld, die Strafe und den Kostenersatz sowie des Disziplinaranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe gegen das Erkenntnis des Oberlandesgerichts Graz vom 27. Juni 2013, AZ Ds 10/12, nach mündlicher Berufungsverhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Seidl, des Beschuldigten und dessen Verteidigers Mag. Gruber zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Berufung des Beschuldigten wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung des Disziplinaranwalts dahin Folge gegeben, dass die Geldstrafe auf zwei Monatsbezüge erhöht wird.

Der Beschuldigte hat die mit 500 Euro bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Dr. F***** S***** eines Dienstvergehens nach § 101 Abs 1 RStDG schuldig erkannt, weil er als Richter die Pflicht, sich im Dienst so zu verhalten, dass das Vertrauen in die Rechtspflege sowie das Ansehen seines Berufsstandes nicht gefährdet wird (§ 57 Abs 3 RStDG), dadurch verletzt hat, dass er als Verhandlungsrichter in der Rechtssache AZ ***** des *****

1./ in den Tagsatzungen zur öffentlichen mündlichen Verhandlung am 4. Juni 2009 und 30. Juni 2011 unsachliche Kritik an den in dieser Rechtssache urteilenden Richter des Oberlandesgerichts Wien übte, indem er sie als „Schreibtischtäter“ oder „Schreibtischattentäter“ bezeichnete, die „nicht wüssten was sie tun“, und zum Ausdruck brachte, der in dieser Rechtssache als Berichterstatter tätige Richter des Oberlandesgerichts Wien Dr. T***** „solle sich seinen Dreck selbst machen“, sowie in der Tagsatzung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21. November 2011 gegenüber dem Kläger äußerte: „... ja, halten Sie sich an's OLG. Erschießen Sie die dort oder ich weiß es nicht, was man mit denen dort macht. Ich mein', erschießen sollen Sie sie nicht, aber machen Sie einen Amtshaftungsanspruch geltend, keine Ahnung, ich weiß nicht, was man dann macht ...“ und

2./ in der Tagsatzung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2011 auf den Beklagtenvertreter und in der Tagsatzung zur öffentlichen mündlichen Verhandlung am 21. November 2011 auf den Kläger Druck zum Abschluss eines Vergleichs ausübte, indem er den Beklagtenvertreter mit dem Bemerken, das Oberlandesgericht Wien werde seine Entscheidung „durchwinken“, wenn er dem Klagebegehren aus dem Titel des Schadenersatzes stattgebe, zur Abgabe eines Vergleichsanbots zu bewegen, und den Kläger unter Androhung des Prozessverlusts zur Annahme des Vergleichsanbots der beklagten Partei über eine Zahlung von 300.000 Euro zu drängen suchte.

Über den Beschuldigten wurde gemäß § 104 Abs 1 lit b RStDG eine Geldstrafe in der Höhe eines Monatsbezugs verhängt und ihm gemäß § 137 Abs 2 zweiter Satz RStDG aufgetragen, die mit 500 Euro bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld, die Strafe und den Kostenersatz, während der Disziplinaranwalt Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe zum Nachteil des Beschuldigten erhebt.

Rechtliche Beurteilung

Zur Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld:

Der Verzicht des RStDG auf die in der StPO vorgesehene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe bedeutet, dass der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst wird (§ 139 Abs 1 erster Fall RStDG). Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld meint demnach im RStDG die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und 2 erster Fall StPO. Da in Betreff von Berufungen nach der StPO (mit Ausnahme jener wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe [§ 464 Z 1 StPO]) keine Begründungsobliegenheit, vielmehr nur eine Obliegenheit gilt, den Berufungspunkt zu bezeichnen, für die Berufung gegen Disziplinarerkenntnisse aber neben dieser (§ 139 Abs 1 RStDG) auch die Obliegenheit gilt, „die Umstände, durch die“ der Berufungspunkt „begründet werden soll, bestimmt anzugeben“ (§ 139 Abs 2 RStDG), besteht Bindung an das Berufungsvorbringen. Denn das RStDG verzichtet auf eine dem § 89 Abs 2b StPO vergleichbare Vorschrift, wonach eine Bindung an die „Beschwerdepunkte“ nicht bestehe (RIS‑Justiz RS0128657).

Unverständlich ist in Hinblick auf § 166 RStDG und angesichts der Einleitung des gegenständlichen Disziplinarverfahrens erst nach dem 1. Jänner 2012 die ‑ als „Mangelhaftigkeit des Verfahrens“ bezeichnete ‑ Behauptung, die inhaltliche Erwähnung des gegen den Beschuldigten zu AZ Ds 10/03 des Oberlandesgerichts Graz geführten Disziplinarverfahrens durch den Disziplinaranwalt in seinem Antrag nach § 129 Abs 3 RStDG und in seinem Schlussplädoyer sei aufgrund der vor dem 1. Jänner 2012 normierten Nichtöffentlichkeit des Disziplinarverfahrens (§ 133 RStDG idF vor BGBl I 2011/140) unzulässig gewesen. Im Übrigen spricht der Berufungswerber damit auch schon mangels Antragstellung in erster Instanz, den Plädierenden zu einer entsprechenden Beschränkung seiner Ausführungen aufzufordern, keinen Verfahrensfehler des Disziplinargerichts an (vgl Danek, WK‑StPO § 255 Rz 24 mwN).

Die Kritik an der Verwertung eines in der Disziplinarverhandlung nicht vorgekommenen Beweismittels (§ 136 RStDG) bezieht sich mit der ausdrücklichen (bloßen) Bezugnahme auf die „Beurteilung der Täterpersönlichkeit“ nicht auf den Ausspruch des Disziplinargerichts über die Schuldfrage betreffende Tatsachen. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass die frühere disziplinarrechtliche Verurteilung des Beschuldigten zu AZ Ds 10/03 des Oberlandesgerichts Graz für die erkennenden Richter jenes Gerichts (gerichts‑)notorisch und auch dem davon betroffenen Berufungswerber bekannt war, sodass ihre Berücksichtigung im Erkenntnis keiner Beweisaufnahme bedurfte (vgl Kirchbacher, WK‑StPO § 246 Rz 33 f; Lendl, WK‑StPO § 258 Rz 41 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 463).

Soweit der Berufungswerber in diesem Zusammenhang auch behauptet, die über ihn verhängte Ordnungsstrafe hätte infolge „kraft Größenschlusses“ gegebener Tilgung nicht berücksichtigt werden dürfen, übersieht er, dass für eine analoge Anwendung des ‑ ausschließlich die Tilgung von strafrechtlichen Verurteilungen regelnden (Kert, WK‑StPO TilgG, Vorbem Rz 9) ‑ Tilgungsgesetzes 1972 auf das Disziplinarrecht für Richter schon angesichts § 145 RStDG kein Raum besteht. Im Übrigen wirft das angefochtene Erkenntnis (US 7 letzter Absatz) dem Beschuldigten der Sache nach nicht seine frühere Verurteilung vor, sondern reflektiert nur auf die ihm damals zuteil gewordene Information über seine Verpflichtungen nach § 57 Abs 3 R(St)DG und § 52 Abs 2 Geo.

Gegenstand des die Beweiswürdigung bekämpfenden Teils der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld ist der in einer Ermessensentscheidung bestehende Inhalt desselben, nicht aber ein Fehler des Erstgerichts (vgl Ratz, WK‑StPO Vor § 280 Rz 13). Eingeschränkt durch die Bindung an die Berufungsargumente (§ 139 Abs 2 RStDG) hat das Berufungsgericht zu prüfen, ob es gegen die Richtigkeit erstinstanzlicher Feststellungen über entscheidende Tatsachen Bedenken hegt, und gegebenenfalls die erstgerichtliche Beweiswürdigung durch seine eigene zu ersetzen. Dazu kann es Verfahrensergänzung durch das Oberlandesgericht veranlassen (§ 140 Abs 2 erster Teilsatz RStDG). Genügt Verfahrensergänzung angesichts wesentlicher Mängel der mündlichen Verhandlung nicht (vgl § 464 Z 1 StPO), hat es „mit Aufhebung des Erkenntnisses die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen“ (§ 140 Abs 2 zweiter Teilsatz RStDG).

Im vorliegenden Fall vermag die Schuldberufung keine Bedenken gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Feststellungen zu wecken, die vom Disziplinargericht schlüssig und überzeugend begründet wurden, indem es die vorliegenden Beweise einer denkrichtigen und lebensnahen Würdigung unterzog und plausibel darlegte, wie es zu den Konstatierungen zum objektiven Handlungsablauf sowie den darauf bezogenen Feststellungen zur subjektiven Tatseite gelangte (US 8 f).

Dass der Zeuge W***** bei seiner polizeilichen Vernehmung vom 22. Dezember 2011 über die Äußerungen des Beschuldigten vom 4. Juni 2009 und 30. Juni 2011 ‑ ohne deren Präzisierung ‑ nur sinngemäß angab, dieser habe sich über Dr. T***** „ausgelassen“, steht der Glaubwürdigkeit späterer genauerer Angaben ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass der Klagevertreter die inkriminierten ‑ nicht gegen eine der Verfahrensparteien, sondern die Richter der übergeordneten Instanz gerichteten ‑ Äußerungen nicht auch zum Gegenstand eines Ablehnungsantrags machte. Bloße Spekulationen des Berufungswerbers über vermeintliche Motive der Belastungszeugen für Falschaussagen sowie über das Erinnerungsvermögen des Zeugen Mag. H***** vermögen daran nichts zu ändern.

Mit der Behauptung, dass das ‑ auf die Aussagen von drei Zeugen gegründete ‑ festgestellte Zurechtweisen des Beklagtenvertreters wegen Fehlens dessen Pouvoirs zum Vergleichsabschluss aus bestimmten Gründen „abwegig“ gewesen sei und daher nicht stattgefunden habe können, unterstellt der Berufungswerber ohne empirische Grundlage, es finde nur sachlich abwägendes menschliches Handeln statt.

Soweit sich die Berufung ohne nähere Begründung auf die Verschriftung des Tonbandmitschnitts der Verhandlung vom 20. November 2011 (ON 4 in 40 St ***** der Staatsanwaltschaft Wien) beruft, vermag deren Inhalt keine Bedenken gegen die Richtigkeit der in objektiver und subjektiver Hinsicht zu 2./ getroffenen Feststellungen zu erzeugen.

Der Berufung zuwider hat das Disziplinargericht zur subjektiven Tatseite zu 2./ weder „böse Absicht“ noch „egoistische Handlungsmotive“ des Beschuldigten konstatiert. Gegen die Richtigkeit der getroffenen Feststellungen zum zumindest bedingten Vorsatz puncto Unsachlichkeit der Äußerungen, Druckausübung zur Herbeiführung eines Vergleichs und dadurch bewirkter Gefährdung des Vertrauens in die Rechtspflege sowie des Ansehens des Berufsstandes (US 7) bestehen bei realistischer Würdigung des objektiven Geschehens keine Bedenken.

Dem im Rahmen der Schuldberufung gestellten Antrag auf Vernehmung des Zeugen Dr. Karl D***** im Berufungsverfahren „zum Beweis der Unrichtigkeit der Aussagen des Klägers und des Klagevertreters“ ist zu erwidern, dass die von § 467 Abs 1 StPO vorgesehene Möglichkeit zum Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel zur Schuldfrage im RStDG sich ‑ angesichts kollegialer Besetzung des Erstgerichts systemgerecht ‑ nicht findet.

Mit der Kritik an der Lösung der Rechtsfrage räumt die Berufung zwar der Sache nach ein, jede einzelne der dem Schuldspruch zu 1./ zugrunde liegenden Äußerungen des Beschuldigten stelle eine Pflichtverletzung dar (arg „Ordnungswidrigkeit iSd § 101 Abs 1 RStDG idF vor BGBl I 2011/140“), behauptet aber, keine davon sei isoliert gesehen als Dienstvergehen zu werten. Damit vernachlässigt sie, dass das Dienststrafrecht des RStDG ‑ abgesehen von § 104 Abs 2 ‑ kein Typenstrafrecht ist und grundsätzlich keine mit Strafe bedrohten konkreten Tatbilder kennt, sondern nur einen einzigen und einheitlichen Tatbildkomplex, nämlich eine Pflichtverletzung. Gegenstand der Beurteilung des Disziplinargerichts ist daher, ob das gesamte inkriminierte Verhalten des Richters (Verletzung von Amts‑ oder Standespflichten iSd §§ 57 ff RStDG) mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verfehlung, auf die Wiederholung oder auf andere erschwerende Umstände ein Dienstvergehen darstellt (vgl RIS‑Justiz RS0072482; Spehar/Fellner RDG³, Anm 3). Ob auch eine einzelne von mehreren pflichtverletzenden Handlungen per se ein Dienstvergehen begründet, ist hingegen für die Schuldfrage ohne Bedeutung (vgl RIS‑Justiz RS0072779). Es kann daher (hier, wo die Problematik einer Verjährungsunterbrechung nicht in Rede steht; § 102 Abs 5 RStDG) dahingestellt bleiben, ob jede der zu 1./ bezeichneten Äußerungen vom 30. Juni 2011 und vom 21. November 2011 jeweils isoliert betrachtet bloß eine Ordnungswidrigkeit nach § 101 Abs 1 zweiter Satz RStDG idF vor BGBl I 2011/140 dargestellt hätte und nach geltendem Recht (noch) nicht als Dienstvergehen zu beurteilen wäre. Im Übrigen mangelt es der Kritik an der Lösung der Rechtsfrage, soweit sie zu den zu 1./ bezeichneten Äußerungen vom 4. Juni 2009 unter Verzicht auf jegliche juristische Argumentation eine isolierte Beurteilung (als bloße Ordnungswidrigkeit im Sinn des Tatzeitrechts) begehrt und auf dieser Basis Verjährung einwendet, auch an jeglicher Ableitung aus dem Gesetz. Warum aufgrund der Alternativfeststellungen „Schreibtischtäter“ oder „Schreibtischattentäter“ ein Freispruch zu fällen gewesen wäre, legt die Berufung ‑ mit bloßer Bezugnahme auf den „Zweifelsgrundsatz“ ‑ nicht dar (vgl dazu RIS‑Justiz RS0099756, RS0098710; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 573 f; Danek, WK‑StPO § 270 Rz 33).

Die zielführende Geltendmachung eines materiell‑rechtlichen Fehlers hat das Festhalten am gesamten im Erkenntnis festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung zur Voraussetzung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen sei (vgl RIS‑Justiz RS0099810). Zu 2./ bestreitet die Berufung das Vorliegen von durch Vergleichsgespräche bewirkten Pflichtverletzungen, argumentiert aber nicht auf Basis der gesamten erstgerichtlichen Feststellungen, denen zufolge a) der Beschuldigte am 30. Juni 2011 dem Beklagtenvertreter auch zu verstehen gab, es sei „eine Frechheit“, dass dieser kein Pouvoir habe, ein Vergleichsanbot zu erstellen (US 6), b) am 21. November 2011 dem Kläger für den Fall der Ablehnung des Vergleichsangebots die Abweisung des Klagebegehrens mit der Begründung androhte, dass die Beweiswürdigung zu seinen Lasten ausfallen werde, sowie diesem riet, seine Gläubiger ‑ zwecks Erreichung deren Einverständnisses zum Vergleich ‑ „ein bisschen gegeneinander auszuspielen“ (US 7), und c) wusste, dass durch sein die Herbeiführung eines Vergleichs bezweckendes, gezielten Druck ausübendes Verhalten das Vertrauen der Parteien des Rechtsstreits in die Rechtspflege und das Ansehen des Berufsstandes gefährdet werden, und sich damit abfand (US 7 f).

Soweit der Berufungswerber „sekundäre Feststellungsmängel“ hinsichtlich seines am 30. Juni 2011 erfolgten Ersuchens an die Parteien, allfällige Beweisanträge vor der nächsten Verhandlung bekanntzugeben, und eines ‑ die Verhandlung vom 21. November 2011 betreffenden ‑ Tonbandmitschnitts des Klägers behauptet, ist nicht ersichtlich, warum aus den begehrten Konstatierungen eine andere rechtliche Beurteilung ableitbar sein soll.

Ausgehend von den erstinstanzlichen Konstatierungen trifft ‑ der Berufung zuwider ‑ die rechtliche Beurteilung des Disziplinargerichts zu, dass der Beschuldigte durch seine gegenüber Prozessparteien abgegebenen unsachlichen Äußerungen über Richterkollegen einerseits und die entgegen § 52 Abs 2 letzter Satz Geo unter Androhung des Prozessverlusts erfolgte Ausübung von Druck auf die Parteien zum Vergleichsabschluss andererseits nicht nur die in § 57 Abs 3 RStDG genannten richterlichen Pflichten verletzt, sondern dadurch auch mit Rücksicht auf die Art und Schwere der Verfehlungen und die Wiederholungen ein Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG begangen hat.

Zu den Berufungen des Beschuldigten und des Disziplinaranwalts wegen des Ausspruchs über die Strafe:

Der Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Strafe zuwider ist eine Geldstrafe nach dem klaren Wortlaut des § 104 Abs 1 lit b RStDG in Monatsbezügen (§ 3 Abs 2 Gehaltsgesetz 1956) festzusetzen. Die Frage der ziffernmäßigen Berechnung der Strafe ist keine Frage ihrer Bemessung, sondern ein bloßer Rechenvorgang (s §§ 66, 68 bzw 168 ff RStDG), der erst beim Vollzug der Geldstrafe erfolgt (vgl § 92 BDG; VwGH 2013/09/0001). Maßgeblich für die Berechnung sind der Bruttomonatsbezug (vgl VwGH 2009/09/0307) und der Zeitpunkt des Erkenntnisses erster Instanz (vgl § 92 Abs 2 BDG und § 19 Abs 2 StGB).

Dass der Disziplinaranwalt in seinem Schlussvortrag gemäß § 135 RStDG keinen „bestimmten Antrag über die Bemessung der Strafe“ zu stellen hat, bedeutet nicht, dass er nicht zum Ausdruck bringen dürfte, welche Strafart er für angemessen hält. Im Übrigen wäre ein entgegen § 135 RStDG gestellter Antrag für das erkennende Disziplinargericht unbeachtlich (vgl Danek, WK‑StPO § 255 Rz 6).

Mit der Behauptung eines Verstoßes gegen Art 7 (zu ergänzen: Abs 1 zweiter Satz) MRK (dessen Anwendbarkeit zudem stillschweigend unterstellt wird) durch die „Verhängung einer Geldstrafe“ legt der Beschuldigte nicht dar, warum die über ihn konkret verhängte Geldstrafe in Höhe eines Monatsbezugs eine „höhere Strafe“ sei als diejenige, die ihm im Zeitpunkt der Begehung der Taten nach § 104 Abs 1 RStDG idF vor BGBl I 2011/140 (Höchststrafe: Dienstentlassung; vgl RIS‑Justiz RS0112620) angedroht war.

Ungeachtet der rechtlichen Zusammenfassung der Tathandlungen zu einem Dienstvergehen nach § 101 Abs 1 RStDG durfte das Disziplinargericht deren Wiederholung vorliegend als erschwerend werten (vgl RIS‑Justiz RS0107400), weil diese hier ‑ auch aus der Sicht des Obersten Gerichtshofs ‑ das für eine Qualifikation zum Dienstvergehen erforderliche Ausmaß deutlich übersteigt (vgl Spehar/Fellner, RDG3 § 101 Anm 8). Dass den Verfahrensparteien „keine nennenswerten Nachteile“ entstanden seien, vermag bei einem Verstoß gegen § 57 Abs 3 RStDG ebenso wenig mildernd wirken wie eine starke berufliche Auslastung des Beschuldigten. Mit der Behauptung, allenfalls fahrlässig, nicht aber vorsätzlich gehandelt zu haben, gelingt es dem Beschuldigten nicht, die gegenteiligen Erkenntnisfeststellungen (US 7 f) in Frage zu stellen. Selbst wenn die Verärgerung eines Richters über seine Urteile betreffende, von ihm als nicht sachgerecht empfundene Rechtsmittelentscheidungen und Maßnahmen der Dienstaufsicht „menschlich nachvollziehbar“ wäre, führt dies noch nicht dazu, dass sie in Bezug auf ein daraus resultierendes Fehlverhalten einen Milderungsgrund darstellt (vgl Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 20). Welche Erkenntnisse über das Verhalten des Beschuldigten vor den gegenständlichen Taten aus dem Bericht der inneren Revision von Juli 2012 zu gewinnen wären, legt die Berufung nicht dar. Generalpräventive Erwägungen sind ‑ der Berufung zuwider ‑ bei der Strafbemessung mit zu berücksichtigen (Spehar/Fellner, RDG3 § 101 Anm 7; OGH Ds 9/09). Dies galt im Übrigen auch schon vor dem 1. Jänner 2012, woran der Umstand nichts ändert, dass die Disziplinarverhandlung damals nicht öffentlich war (§ 133 Abs 1 RStDG idF BGBl I 2003/130), zumal jedenfalls auch andere, nämlich zumindest die am Disziplinarverfahren beteiligten und die im Rahmen der Justizverwaltung zu informierenden Richter vom Verfahrensausgang Kenntnis erlangten, sodass eine Außenwirkung gegeben war.

Zugunsten des Beschuldigten ist der Umstand zu werten, dass er sich seit Herbst 2012 zweimal monatlich einer Einzelsupervision unterzieht.

Unter Rücksichtnahme auf all diese Umstände kommt ein ‑ von der Berufung des Beschuldigten begehrtes ‑ Absehen vom Ausspruch über die Verhängung einer Disziplinarstrafe (§ 101 Abs 3 RStDG) schon in Hinblick auf das Gewicht der Taten ebenso wenig in Betracht wie der bloße Ausspruch der Disziplinarstrafe des Verweises (§ 104 Abs 1 lit a RStDG).

Die verhängte Geldstrafe von einem Monatsbezug ist ‑ auch unter Berücksichtigung aktueller finanzieller Belastungen des Beschuldigten ‑ einer Reduktion nicht zugänglich. Vielmehr erachtet der Oberste Gerichtshof ‑ der die Wiederholung der Tathandlungen betonenden Berufung des Disziplinaranwalts folgend ‑ eine Erhöhung der Sanktion auf zwei Monatsbezüge für geboten, damit sie Tatunrecht und Täterschuld, die als sehr gravierend einzustufen sind, sowie auch Belangen der Spezial‑ und Generalprävention hinreichend gerecht wird.

Zur Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über den Kostenersatz:

Das Disziplinargericht erkannte, dass der Beschuldigte gemäß § 137 Abs 2 zweiter Satz RStDG die mit 500 Euro bestimmten Kosten des Verfahrens zu ersetzen hat. Die gegen die Höhe dieser Kosten gerichtete Berufung wegen des Ausspruchs über den Kostenersatz behauptet die Unzulässigkeit der Festsetzung eines Pauschalbetrags und begehrt, lediglich den Ersatz der Fahrtkosten der Zeugen aufzuerlegen.

Wird über den Beschuldigten eine Disziplinarstrafe verhängt, so ist gemäß § 137 Abs 2 RStDG im Erkenntnis auszusprechen, ob und inwieweit er mit Rücksicht auf die Verfahrensergebnisse und seine Vermögensverhältnisse die Kosten des Verfahrens zu ersetzen hat. Anders als im Strafverfahren (§ 389 StPO) ist also nicht nur eine grundsätzliche Verpflichtung oder Nichtverpflichtung zum Kostenersatz auszusprechen, sondern (im Fall der Verpflichtung) auch unter einem die Höhe der Kosten festzusetzen.

Der Berufung zuwider sind als Kosten des Disziplinarverfahrens nicht nur Fahrtkosten von Zeugen zu verstehen, sondern die gesamten Kosten, die dem Bund durch die Durchführung des Disziplinarverfahrens entstanden sind (einschließlich jener des Arbeitsaufwandes der befassten Richter und Staatsanwälte; vgl § 381 Abs 5 StPO). Zulässig ist es, diese insgesamt mit einem dem Verfahrensaufwand angemessen Rechnung tragenden Pauschalbetrag (vgl Lendl, WK‑StPO § 381 Rz 49) festzusetzen. Dieser wurde im konkreten Fall mit 500 Euro den gesetzlich vorgegebenen Kriterien gerecht ausgemessen, sodass die Berufung auch in diesem Punkt fehlschlägt.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf § 137 Abs 2 zweiter Satz iVm § 140 Abs 3 letzter Satz RStDG, wobei deren Höhe dem Aufwand des Berufungsverfahrens und den Vermögensverhältnissen des Beschuldigten entspricht.

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