European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0220DS00003.17M.0627.000
Spruch:
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschuldigte gemäß § 38 Abs 1 DSt vom Vorwurf, er habe von August 2010 bis 2011 als BTVG‑Treuhänder des Bauvorhabens „G*****“ in V*****
a) nicht für jeden einzelnen der acht Käufer ein eigenes Treuhandkonto, sondern für alle Käufer nur ein gemeinsames, schon vorhandenes Sammelanderkonto verwendet und damit gegen § 5 Abs 9 des Treuhandbuchs der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 26. Mai 2010 bzw gegen § 9b RL‑BA 1977 verstoßen;
b) in den Kaufverträgen für die Wohnungen Top 2, 3, 5, 6, 7 und 8 die Formulierung verwendet: „Die Käufer haben an die Verkäuferin eine Nebengebührenpauschale zu bezahlen (siehe Kaufanbot). Damit sind sämtliche Nebenkosten von der Verkäuferin abzudecken. Dieser Betrag wird zunächst auf das Treuhandkontos des Vertragserrichters bezahlt und ist von diesem umgehend an die Verkäuferin weiterzuleiten. Ausdrücklich festgehalten wird, dass dieser Betrag nicht vom Treuhandauftrag des Vertragserrichters mitumfasst, sondern vom Treuhänder umgehend an die Verkäuferin weiterzuleiten ist“, wodurch die Käufer insoweit in die Irre geführt wurden, als sie bei einer Zahlung an ihn als Treuhänder davon ausgehen konnten, dass die Gebühren bezahlt werden, sodass die Käufer durch den Beschuldigten insofern schlechter gestellt wurden, als sie bei Nichtzahlung durch den Bauträger das Risiko einer Doppelzahlung trugen, worüber sie vom Beschuldigten auch nicht aufgeklärt wurden, wobei es darüber hinaus dazu kam, dass die Käufer der Wohnungen Top 5 bis 8 aufgrund der nachfolgenden Insolvenz des Bauträgers die grundbücherlichen Eintragungsgebühren in Höhe von 17.919 Euro tatsächlich noch einmal zu bezahlen hatten, freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die als auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützte, als „Nichtigkeitsbeschwerde“ bezeichnete und auch wegen Schuld ausgeführte Berufung des Kammeranwalts, der keine Berechtigung zukommt.
Soweit die gegen den Freispruch a) gerichtete Rechtsrüge (inhaltlich Z 9 lit a; vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 562) die vom Disziplinarrat als gegeben erachteten Voraussetzungen des Zurückbleibens hinter dem deliktstypischen Verschulden im Sinn des § 3 DSt (vgl Erkenntnisseite 11 f) mit der Begründung verneint, dass der Beschuldigte bei mehreren Bauvorhaben im Zeitraum von 2009 bis Jänner 2014 in insgesamt 73 Fällen die Führung gesonderter Treuhandkonten unterlassen habe, geht sie nicht von den vorliegenden Feststellungen aus, welche sich allein auf das Bauvorhaben „G*****“ beziehen (ES 5; RIS‑Justiz RS0099810).
Da es sich im betreffenden Fall um ein nach den Konstatierungen lediglich auf die Käufer eines einzigen Bauvorhabens bezogenes Verhalten des Beschuldigten handelt, welches sich letztlich auf eine in fahrlässiger Rechtsunkenntnis erfolgte (ES 5, 8) Missachtung einer Formvorschrift (§ 5 Abs 9 erster Satz des Treuhandbuchs der Tiroler Rechtsanwaltskammer) reduziert, ist der konkrete Unrechtsgehalt der betreffenden Tat im Verhältnis zu den Durchschnittsfällen der Deliktsverwirklichung durch Treuhandverletzungen – dem Beschwerdevorbringenzuwider – durchaus als atypisch gering zu bewerten (vgl RIS‑Justiz RS0124433 [T1]).
Im Hinblick darauf, dass dieses Verhalten keine Folgen nach sich gezogen hat (ES 11 zweiter Absatz und ES 12 vorletzter Absatz), dass sich den Feststellungen auch nicht entnehmen lässt, dass die Tat auch Personen außerhalb des Kreises der betroffenen Vertragsparteien zur Kenntnis gelangt wäre, solcherart also „nach außen“ gedrungen wäre, und – vom Kammeranwalt eingewendete – generalpräventive Erwägungen kein Kriterium für ein Vorgehen nach § 3 DSt darstellen (RIS‑Justiz RS0114103), ist der hiezu ergangene Freispruch in der konkreten Fallkonstellation somit nicht zu beanstanden. Die vom Berufungswerber vertretene Ansicht, jeder Verstoß gegen Treuhandverpflichtungen stelle ex lege ein gravierendes Disziplinarvergehen dar und schließe eine Anwendung des § 3 DSt daher grundsätzlich aus, lässt sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht ableiten.
Die zum Freispruch b) ausgeführte Berufung wegen Nichtigkeit unterlässt prozessordnungswidrig die gebotene methodengerechte Ableitung (RIS‑Justiz RS0116569), weshalb der Beschuldigte trotz der nach den Feststellungen zum Zeitpunkt seines Einschreitens bereits vorliegenden Vereinbarung der inkriminierten Formulierung bzw trotz der fehlenden Möglichkeit, diese noch abzuändern (ES 6 zweiter und dritter Absatz und ES 13 zweiter Absatz), „keinesfalls gezwungen“ gewesen wäre, die in Rede stehende Vertragspassage in die Kaufverträge aufzunehmen, bzw weshalb aus der Unterlassung einer (im Hinblick auf die bereits bestehende Vereinbarung) nachträglichen Erörterung des sich aus dieser Formulierung ergebenden Risikos ein Verstoß gegen § 9 RAO abzuleiten wäre.
Darüber hinaus ist es für den Erfolg einer Berufung wegen Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO unabdingbar, das Fehlen von Feststellungen zu sämtlichen Tatbestandselementen zu relevieren (vgl RIS‑Justiz RS0127315), was der Rechtsmittelwerber in Ansehung unterbliebener Feststellungen zur subjektiven Tatseite unterlassen hat.
Die Schuldberufung vermag keine Bedenken gegen die logisch und empirisch einwandfreie Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken. Zum Verweis auf 73 andere Treuhandschaften genügt der Hinweis, dass diese vom Einleitungsbeschluss (ON 15) nicht umfasst waren.
Der Berufung ist daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – nicht Folge zu geben.
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