OGH 17Os2/17y

OGH17Os2/17y12.6.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Josef R***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 21. September 2016, GZ 11 Hv 70/16g‑32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00002.17Y.0612.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten Josef R***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung – Josef R***** (zu A/) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er als Bürgermeister der Gemeinde N*****, mithin als Beamter im strafrechtlichen Sinn, mit dem Vorsatz, dadurch (ersichtlich gemeint [vgl US 12 und 19]) den in der Erhaltung von unbebauten Flächen (Grünland) gelegenen Schutzzweck (vgl § 2 Abs 1 Z 7 Oö. Raumordnungsgesetz 1994 in der zur Tatzeit geltenden Fassung [kurz: Oö. ROG]) der von ihm verletzten Vorschriften zu vereiteln, seine Befugnis, im Namen der Gemeinde N***** als deren Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er

I/ am 20. Dezember 2010 (Punkt 1) und am 7. Jänner 2011 (Punkt 2) entgegen § 5 Abs 1 Z 2 Oö. Bauordnung 1994 (in der im Tatzeitraum geltenden Fassung [kurz: Oö. BauO]) bescheidmäßig Bauplatzbewilligungen für zur Gänze als Grünland gewidmete Grundstücksparzellen erteilte, und zwar

1/ am 20. Dezember 2010 für ein im Urteil näher bezeichnetes Grundstück in der Katastralgemeinde N*****;

2/ am 7. Jänner 2011 für ein im Urteil näher bezeichnetes Grundstück in der Katastralgemeinde N*****;

II/ entgegen § 35 Abs 1 Z 2 Oö. BauO die Errichtung von Einfamilienhäusern bescheidmäßig bewilligte, obwohl er wusste, dass die betroffenen Grundstücksparzellen als Grünland gewidmet waren, und zwar

1/ am 8. März 2011 hinsichtlich des zu I/1/ angeführten Grundstücks;

2/ am 14. April 2011 hinsichtlich des zu I/2/ angeführten Grundstücks.

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Josef R***** ist nicht im Recht.

Das Erstgericht ging von folgendem (hier relevanten) Urteilssachverhalt aus:

Über Anregung der jeweiligen Bauwerber habe der Gemeinderat der Gemeinde N***** im September 2009 den Entwurf zur Änderung des Flächenwidmungsplans hinsichtlich zweier Grundstücke mit Grünlandwidmung beschlossen (§ 36 Abs 4 iVm § 33 Abs 2 Oö. ROG). Am 17. September 2010 seien die Änderungen des Flächenwidmungsplans mit den Umwidmungen der beiden Grundstücke als Bauland im Gemeinderat beschlossen worden. Die vorgeschriebene Vorlage an die Landesregierung als Aufsichtsbehörde (§ 34 Abs 1 Oö. ROG) sei jedoch– ebenso wie übrigens die ordnungsgemäße Aktenführung – infolge Befugnisfehlgebrauchs des (hiefür zuständigen) Siegfried S***** unterblieben, weshalb das Umwidmungsverfahren nicht abgeschlossen worden sei. Josef R***** habe zwischen Dezember 2010 und April 2011 Bauplatzbewilligungen und Baubewilligungen hinsichtlich der beiden – noch immer als Grünland gewidmeten – Grundstücke erteilt. In Kenntnis dieses Umstandes habe er wissentlich seine Befugnis als Bürgermeister der Gemeinde N***** und Baubehörde I. Instanz missbraucht und dabei mit dem Vorsatz gehandelt, den in der Erhaltung von unbebauten Flächen (Grünland) gelegenen Schutzzweck der von ihm verletzten Vorschriften (§ 5 Abs 1 Z 2 und § 35 Abs 1 Z 2 Oö. BauO) zu vereiteln.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Mängelrüge (Z 5 erster Fall) sind die Feststellungen zum Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers – bei der gebotenen Berücksichtigung der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS‑Justiz RS0117995 [T1]) – nach Beurteilung des Obersten Gerichtshofs für alle relevanten Urteilsadressaten hinreichend deutlich ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 419). Die Tatrichter gingen in diesem Zusammenhang davon aus, der Beschwerdeführer habe jeweils im Zeitpunkt der Bescheiderlassung angenommen, die Umwidmung der Grundstücke in Bauland sei unproblematisch, weshalb er „auf eine spätere Sanierung der von ihm geschaffenen rechtswidrigen Lage vertraute“ (US 12 f und 17). Aus den weiteren – von der Rüge übergangenen (RIS‑Justiz RS0119370) – Ausführungen zum Schädigungsvorsatz geht unmissverständlich hervor, dass dieser auf Vereitelung des Schutzzwecks der übertretenen Vorschriften „durch die tatsächliche Bauführung auf Grundstücken(,) welche als Grünland gewidmet waren“, gerichtet gewesen sei, und der Beschwerdeführer mit einer „Sanierung“ erst nach Baubeginn – mithin erst nach vom Vorsatz erfasster Rechtsschädigung (vgl RIS‑Justiz RS0130266 [T1 und T2]) – gerechnet habe (US 20).

Die Einschätzung der (mit der Vorbereitung der inkriminierten Bescheide befassten) Mitangeklagten Andrea G*****, der Beschwerdeführer sei ihrer Ansicht nach (bei den Bescheiderlassungen) von Baulandwidmungen ausgegangen (ON 29 S 23), stellt – dem Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider – kein erörterungsbedürftiges Beweisergebnis dar (vgl zum Gegenstand der Aussage von Zeugen und Mitangeklagten RIS‑Justiz RS0097545 [T1, T14 und T15]). Zudem haben sich die Tatrichter mit der Aussage dieser Mitangeklagten ohnehin im durch das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) vorgegebenen Umfang (vgl RIS‑Justiz RS0106642) beweiswürdigend auseinandergesetzt (US 16).

Verfahrensergebnisse betreffend die – einige Zeit später gesetzten (vgl ON 29 S 8, 11, 13 und 22 f) – Aktivitäten des Beschwerdeführers, die Akten zu den gegenständlichen Raumordnungsverfahren aufzufinden, sind im Zusammenhang mit der (entscheidenden) Frage seines Wissensstandes im jeweiligen Tatzeitpunkt nicht erheblich, somit nicht erörterungsbedürftig (RIS‑Justiz RS0118316).

Die krankheitsbedingte Abwesenheit des Angeklagten Siegfried S***** während eines Großteils des hier relevanten Tatzeitraums stellte das Erstgericht ebenso fest (US 11), wie es sich mit Schilderungen (der Angeklagten Andrea G***** und der Zeugin Simone Re*****) daraus resultierender Schwierigkeiten bei der Führung von Raumordnungs- und Bauverfahren auseinandersetzte (US 16 f). Die weitere Mängelrüge (nominell Z 5 zweiter Fall) bekämpft die von den Tatrichtern daraus gezogenen Schlussfolgerungen in Bezug auf die subjektive Tatseite nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Der Einwand von Aktenwidrigkeit (Z 5 fünfter Fall) zeigt keine unrichtige Wiedergabe des Inhalts der Aussage der Angeklagten Andrea G***** auf (vgl US 16 iVm ON 29 S 22), sondern kritisiert bloß die (unter anderem) auf dieses Beweisergebnis gestützten Schlüsse des Erstgerichts in Bezug auf die Wissentlichkeit des Befugnismissbrauchs (RIS‑Justiz RS0099431).

Dass der Beschwerdeführer vom Fehlen einer Baulandwidmung wusste, leiteten die Tatrichter auch aus seiner „langjährigen Tätigkeit als Bürgermeister“ und seinen „teilweise auch verfahrensrechtliche Fragen beinhaltenden Ausführungen im Zuge der Gemeinderatssitzungen vom 25. September 2009 und 17. September 2010“ (US 16) ab. Die Behauptung offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) verfehlt zum einen die gebotene Bezugnahme auf diese Erwägungen (vgl erneut RIS‑Justiz RS0119370). Zum anderen zeigt sie nicht auf, weshalb die kritisierte Schlussfolgerung aus den weiteren im Urteil angeführten Umständen (mehrfache Nachfrage der Bauwerber hinsichtlich des Standes der Umwidmungsverfahren, Nichteinlangen einer Genehmigung der Landesregierung nach Beschlussfassung durch den Gemeinderat [vgl § 34 Oö. ROG], Rückfrage der Angeklagten Andrea G***** wegen der Widmungssituation) gegen Denkgesetze oder grundlegende Erfahrungssätze verstoßen sollte (vgl RIS‑Justiz RS0118317).

Gleiches gilt für die Ableitung der Konstatierungen zum Schädigungsvorsatz des Beschwerdeführers aus einer Beurteilung „seines äußeren Verhaltens“ (US 17 iVm US 11 ff; RIS‑Justiz RS0116882).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) vermag, indem sie aus im Urteil ohnehin erörterten Prämissen – nämlich der (als unglaubwürdig verworfenen [US 14]) Verantwortung des Beschwerdeführers sowie den Aussagen des Zeugen Markus B***** (US 14) und der Angeklagten Andrea G***** (US 16) – für den Beschwerdestandpunkt günstigere Schlussfolgerungen zieht als das Erstgericht, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen zu wecken (RIS‑Justiz RS0099674).

Ebenso wenig weckt der Hinweis auf Verfahrensergebnisse zu (weit nach dem Tatzeitraum gezeigten) Bemühungen des Beschwerdeführers um das Auffinden von Akten betreffend die gegenständlichen Raumordnungsverfahren derartige Bedenken.

Die Kritik an der Überlegung, das Nichteinlangen einer Genehmigung der (vom Gemeinderat beschlossenen) Änderung des Flächenwidmungsplans durch die Aufsichtsbehörde spreche für wissentlichen Befugnismissbrauch, verfehlt die Bezugnahme auf aktenkundiges Beweismaterial (RIS‑Justiz RS0119424).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) begehrt die Feststellung, der Beschwerdeführer habe auf eine Sanierung der von ihm geschaffenen rechtswidrigen Situation noch vor Baubeginn vertraut, bekämpft damit aber die gegenteiligen Urteilsannahmen zum Schädigungsvorsatz (US 12 iVm US 20) nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung (vgl RIS‑Justiz RS0118580 [T15]). Im Übrigen bildet die ins Treffen geführte Passage aus der Aussage des Beschwerdeführers kein Indiz für den behaupteten Sachverhalt ( Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 601).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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