OGH 8ObA28/17a

OGH8ObA28/17a30.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Klaus Hübner und Mag. Andreas Schlitzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D***** S*****, vertreten durch die Brandstätter Scherbaum Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Linien GmbH & Co KG, *****, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Anfechtung einer Kündigung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. März 2017, GZ 8 Ra 10/17z‑49, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00028.17A.0530.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.  Ob der Arbeitnehmer durch seine Kündigung eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung im Sinn des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG erleidet, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (RIS‑Justiz RS0051741; RS0051806). Für eine wesentliche Interessenbeeinträchtigung sind erhebliche soziale Nachteile vorausgesetzt, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage des Arbeitnehmers einzubeziehen, insbesondere sind die Veränderung der Einkommensverhältnisse, das Vorhandensein oder Fehlen von Sorgepflichten und das Lebensalter zu berücksichtigen (8 ObA 59/10z). In die Untersuchung ist vor allem auch die Möglichkeit der Erlangung eines neuen, einigermaßen gleichwertigen Arbeitsplatzes einzubeziehen (8 ObA 46/15w).

Die Vorinstanzen haben diese Grundsätze ihren Entscheidungen zugrunde gelegt. Entgegen den Darstellungen in der außerordentlichen Revision ist nach der nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts sowohl beim Vergleich des Grundgehalts als auch bei Berücksichtigung der zweckbestimmten, leistungsbezogenen Zusatzentgelte von einem geringfügig höheren Einkommen aus der zugrunde gelegten Alternativtätigkeit auszugehen. Der Verweis des Klägers auf eine finanzielle Schlechterstellung für die Zukunft ist daher nicht berechtigt. Daran ändert auch die Dauer der Betriebszugehörigkeit des Klägers bei der Beklagten nichts.

2.  Das Hauptargument des Klägers besteht darin, dass ihm der Alternativarbeitsplatz als Produktionshilfskraft im Metallbereich aufgrund seiner 15‑jährigen Tätigkeit als Straßenbahnfahrer nicht zumutbar sei. Dazu führt er aus, dass die vom Berufungsgericht genannten Beispielsfälle nicht vergleichbar seien.

Das Berufungsgericht hat zutreffend festgehalten, dass auch bei Beurteilung der Zumutbarkeit einer Verweisungstätigkeit auf die primäre Funktion des Kündigungsschutzes zur Deckung der wesentlichen Lebenshaltungskosten Bedacht zu nehmen ist. Die von den Vorinstanzen herangezogene Verweisungstätigkeit entspricht der Berufsausbildung und der früheren Berufserfahrung des Klägers. Nach den Feststellungen kommt der Meisterprüfung des Klägers sowohl für die herangezogene Verweisungstätigkeit an sich als auch für die erzielbare Entlohnung Bedeutung zu. Von einer einschneidenden Reduktion der Qualifikationsanforderungen kann daher nicht gesprochen werden. Auch kann eine mehrjährige andere Tätigkeit nicht dazu führen, dass die Berufsausbildung und die dieser folgende Berufserfahrung unberücksichtigt bleiben können. Der Zumutbarkeitsbeurteilung ist vielmehr das Berufsleben des Arbeitnehmers zugrunde zu legen und eine objektive Betrachtungsweise aus Sicht des allgemeinen Arbeitsmarkts anzustellen. Es besteht aber kein strikter Berufs- oder Tätigkeitsschutz.

3.  Insgesamt erweist sich die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass bei einer Gesamtbetrachtung der individuellen Situation des Klägers vor und nach der Kündigung von keiner wesentlichen Interessenbeeinträchtigung ausgegangen werden könne, nicht als korrekturbedürftig. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

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