OGH 14Os25/17h

OGH14Os25/17h23.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gökhan K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Kadir T***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 17. Jänner 2017, GZ 065 Hv 109/16y‑103, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00025.17H.0523.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten Kadir T***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Kadir T***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 15 StGB (I/2) schuldig erkannt.

Danach hat er

(I) in W***** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Heroin,

2) in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen und zu überlassen versucht (I/2/A/c), und zwar

A) an Gökhan K*****

a) von Anfang Juni 2016 bis zum 18. Juli 2016 in zehn Angriffen insgesamt 200 Gramm (Reinsubstanz 87,74 Gramm Heroin, 1,8 Gramm Monoacetylmorphin und 5 Gramm Acetylcodein);

b) am 19. Juli 2016 39,8 Gramm (Reinsubstanz 19,75 Gramm Heroin, 0,4 Gramm Monoacetylmorphin und 1,13 Gramm Acetylcodein);

c) am 21. Juli 2016 39,9 Gramm (Reinsubstanz 17,5 Gramm Heroin, 0,35 Gramm Monoacetylmorphin und 1 Gramm Acetylcodein), wobei die Übergabe aufgrund Betretung auf frischer Tat unterblieb;

B) an zumindest zwei unausgeforscht gebliebene Abnehmer zumindest 11 Gramm (Wirkstoffgehalt 43,87 % Heroin, 0,9 % Monoacetylmorphin und 2,5 % Acetylcodein).

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen aus § 281 Abs 1 Z 10 und 11 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Die gegen die Annahme der Qualifikation des § 28a Abs 4 Z 3 SMG gerichtete Subsumtionsrüge (

Z 10) vermisst

Feststellungen zur Überlassung einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) überschreitenden Suchtgiftquantität und zu einem darauf gerichteten Vorsatz des Beschwerdeführers.

Sie ignoriert dabei in objektiver Hinsicht die Urteilsannahmen zum Wirkstoffgehalt des tatverfangenen Heroins (US 7 f) zur Gänze, aus denen sich – schon alleine bezogen auf die darin enthaltene Reinsubstanz an Heroin (insgesamt 129,8 Gramm; vgl auch US 3) – ein Überschreiten der Grenzmenge

(deren Untergrenze nach § 28b SMG iVm Anhang 1 der Suchtgift-Grenzmengenverordnung BGBl II 1997/377 idF

BGBl II 2014/371 bei Heroin mit 3 Gramm festgesetzt wurde) um mehr als das 43‑fache ergibt (vgl auch US 14).

Zur subjektiven Tatseite haben die Tatrichter– von der Beschwerde nur unvollständig referiert – festgestellt, dass der Beschwerdeführer es jeweils ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass das Dritten gelieferte Suchtgift den konstatierten Wirkstoffgehalt aufwies, wobei es ihm gerade darauf ankam, seinen Abnehmern die im Urteilstenor angeführten (vgl RIS‑Justiz RS0098936 [T15]) Quanten in wiederholten Angriffen zu überlassen und sein Vorsatz

den durch das kontinuierliche Überlassen von Suchtgift eingetretenen Additionseffekt von vornherein mitumfasste (US 8 f). Welche darüber hinausgehenden Feststellungen für die vorgenommene Subsumtion erforderlich gewesen wären, insbesondere aus welchem Grund es –

ungeachtet der nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (

vergleichbar mit jener nach dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB) zu bildenden Subsumtionseinheit (sui generis; RIS‑Justiz

RS

0117464, RS0123912) – eines (vage angesprochenen) von Beginn an bestehenden „Gesamtvorsatzes“ bedurft hätte, erklärt die Rüge nicht.

Insgesamt orientiert sie sich solcherart einerseits nicht am Urteilssachverhalt, womit sie den

gerade darin gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (RIS‑Justiz RS0099810), und leitet andererseits die angestrebte rechtliche Konsequenz nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116569).

Ein von der Sanktionsrüge behaupteter Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (Z 11 zweiter Fall) liegt schon deshalb nicht vor, weil das Erstgericht die Gefährlichkeit von Heroin bei der Strafbemessung im engeren Sinn (nach dem 4. Abschnitt des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches), auf die alleine sich der in Anspruch genommene Nichtigkeitsgrund bezieht (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 662, 677 f), nicht als erschwerend gewertet, sondern unmissverständlich ausschließlich bei der Entscheidung über die (Nicht‑)Gewährung bedingter Nachsicht des Sanktionsausspruchs unter dem Aspekt der Spezialprävention berücksichtigt hat, dass „die Angeklagten die gefährliche Droge Heroin in großem Umfang in Verkehr setzten bzw dies versuchten“, worin sich ein Charaktermangel manifestiere, der den Vollzug der gesamten Freiheitsstrafe erforderlich mache (US 14 f).

Aus Z 11 dritter Fall (vgl erneut Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 662, 677 f) kommt der Beschwerde gleichfalls keine Berechtigung zu, weil die angefochtene Entscheidung zweifelsfrei zum Ausdruck bringt, dass die – mit Blick auf die über den Angeklagten verhängte dreijährige Freiheitsstrafe einzig in Frage kommende – Anwendung von § 43a Abs 4 StGB bereits aus generalpräventiven Gründen abgelehnt wurde (US 15; RIS‑Justiz RS0090897 [T3, T5]), und die Tatrichter zudem mit der kritisierten Formulierung – im Gesamtkontext betrachtet – sinnfällig (vorwiegend) auf das große Ausmaß des hier aktuellen – eine die Grenzmenge des § 28b SMG um etwa das 43‑fache überschreitende Quantität umfassenden – Suchtgifthandels hinwiesen, worin ein unvertretbarer Verstoß gegen Bestimmungen über die Strafbemessung nicht zu erblicken ist (vgl auch RIS‑Justiz RS0088028, 15 Os 128/13g).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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