OGH 28Os9/16g

OGH28Os9/16g18.5.2017

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 18. Mai 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter sowie durch die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Anwesenheit der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, über die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 13. Oktober 2016, AZ D 37/11, nach Anhörung der Generalprokuratur den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0280OS00009.16G.0518.000

 

Spruch:

Der Beschwerde wird keine Folge gegeben.

 

Gründe:

Mit Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 10. Dezember 2012, AZ D 37/11 wurde ***** in zwei Fällen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt und zu einer Geldbuße samt Kostenersatzpflicht verurteilt. An dieser Entscheidung war Rechtsanwalt Dr. W***** S***** beteiligt.

Durch Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 25. Juni 2015, AZ 28 Os 15/14m, wurde der Berufung des Disziplinarbeschuldigten teilweise Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 10. Dezember 2012 im Schuldspruch 2./ sowie im Strafausspruch aufgehoben und die Sache insoweit dem Disziplinarrat zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Im Übrigen wurde der Berufung nicht Folge gegeben.

Mit Erkenntnis des unter Vorsitz des Rechtsanwalts Dr. W***** S***** tagenden Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 21. September 2015 wurde ***** im Umfang des aufgehobenen Schuldspruchs 2./ freigesprochen und über den Disziplinarbeschuldigten hinsichtlich des bereits rechtskräftigen Schuldspruchs 1./ eine Geldbuße verhängt sowie der Kostenersatz aufgetragen.

Diese Strafe wurde mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 22. September 2016, AZ 28 Os 2/16b, gemildert und dem Disziplinarbeschuldigten zugleich der Ersatz der Kosten des Rechtsmittelverfahrens aufgetragen.

Mit Beschluss von Dr. W***** S***** als Vorsitzenden des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom 13. Oktober 2016 wurden die Kosten des Verfahrens mit 1.700 Euro bestimmt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten kommt keine Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer macht – gestützt auf § 68 StPO bzw § 68 StGB (gemeint offenbar § 43 Abs 2 StPO) – die Ausgeschlossenheit des den angefochtenen Beschluss fassenden Vorsitzenden des Disziplinarrats geltend, weil dieser bereits an der ersten – teilweise aufgehobenen – Entscheidung des Disziplinarrats vom 10. Dezember 2012 mitgewirkt hatte.

Vorweg ist klarzustellen, dass § 43 Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt trotz des engeren Umfangs der im § 26 DSt geregelten Befangenheitsgründe im Disziplinarverfahren gegen Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter grundsätzlich Anwendung findet, weil weder die Grundsätze noch die Eigenheiten dieses spezifischen Disziplinarverfahrens dieser erweiterten Anwendung von Ausschlussgründen entgegenstehen. § 43 Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt enthält vielmehr eine notwendige Ergänzung von im § 26 DSt gar nicht angesprochener Ausschlusskonstellation wie etwa jenen der Wiederholung des Verfahrens unter Beteiligung eines Entscheidungsträgers, der in erster Instanz an einem Erkenntnis mitgewirkt hatte, das infolge eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs aufgehoben wurde (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 26 DSt Rz 7 und Rz 16; idS auch Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 , 893). Damit soll der objektive Anschein einer Voreingenommenheit des im ersten Rechtsgang von der Instanz korrigierten Mitglieds des Disziplinarrats vermieden werden (zur identen Ausgangslage beim Richter vgl Lässig , WK-StPO § 43 Rz 23 f; 11 Os 139/11t; 13 Os 139/02, RZ 2003/29, 260).

Ungeachtet dessen, dass der Beschwerdeführer die nach dem Verfahrensverlauf begründete Ausgeschlossenheit von Dr. W***** S***** in der erneuerten Disziplinarverhandlung vom 21. September 2015 nicht vorgebracht hatte und solcherart zur Geltendmachung einer Nichtigkeitsberufung – gestützt auf § 281 Abs 1 Z 1 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt – mangels Wahrung der insoweit bestehenden Rügepflicht nicht mehr befugt war, kommt dieser Ausschlussgrund im vorliegenden Fall nicht zum Tragen:

§ 43 Abs 2 StPO iVm § 77 Abs 3 DSt bildet lediglich im (erneut durchzuführenden) Hauptverfahren einen Ausschlussgrund.

Das Hauptverfahren iSd vierten Teils der StPO iVm § 77 Abs 3 DSt endet jedenfalls mit Rechtskraft des verurteilenden Erkenntnisses (vgl EBRV StrafprozessreformG 25 BlgNR, 22. GP , 11). Bei nachfolgenden, mit der Rechtskraft einhergehenden aber weder die Schuld noch die Strafe betreffenden Entscheidungen, wie etwa jener der Kostenbestimmung nach § 41 DSt, kann dieser (im Hauptverfahren auch nicht vorgebrachte) Ausschlussgrund nicht mehr selbständig geltend gemacht werden, bezieht sich doch der Telos dieser Ausschlussbestimmung nur auf den objektiven Anschein einer Voreingenommenheit bei einer neuerlichen Entscheidung in der Schuld- und/oder Straffrage.

Der weitere (den Inhalt der lediglich über eine Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe absprechenden Entscheidung übergehende) Einwand des Rechtsmittelwerbers, wonach der Oberste Gerichtshof im Urteil vom 22. September 2016, AZ 28 Os 2/16b, auch über eine „Beschwerde“ wegen Schuld zu befinden hatte, zeigt keinen Bezug zur angefochtenen Kostenbestimmung auf.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich auf einen im Jahr 2013 – also vor Rechtskraft der nunmehrigen Disziplinarentscheidung – ergangenen, bereits aufgehobenen Kostenbestimmungsbeschluss rekurriert, verfehlt er einerseits die Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung und andererseits auf die nachfolgenden Verfahrensschritte.

Im Übrigen müssen die Pauschalkosten nach Maßgabe des Umfangs und des Ausgangs des Verfahrens unter Vermeidung unbilliger Härten bemessen werden. Sie dürfen 5 % des in § 16 Abs 1 Z 2 DSt genannten Betrags nicht übersteigen (§ 41 Abs 2 DSt). Der Beschwerdeführer behauptet zwar eine unbillige Härte bei der Kostenbestimmung, substanziiert dieses Vorbringen aber in keiner Weise.

In Anbetracht des in erster Instanz geführten Verfahrensaufwands unter Befassung des Obersten Gerichtshofs im Rechtsmittelverfahren sind die mit 1.700 Euro bestimmten Verfahrenskosten keineswegs überhöht.

Der Beschwerde war daher keine Folge zu geben.

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