Spruch:
Im Verfahren AZ 32 U 41/09b des Bezirksgerichts Amstetten verletzen die Vorgänge, dass zwei Richter des Landesgerichts St. Pölten nach Bekanntwerden der sie betreffenden Ausschlussgründe nach § 43 Abs 2 letzter Halbsatz StPO im Verfahren AZ 9 Bl 151/09v die sofortige Anzeige des Ausschlussgrundes an den Präsidenten des Landesgerichts St. Pölten unterließen und sich nicht der Urteilsfällung am 23. Dezember 2010 enthielten, § 44 Abs 1 und Abs 2 StPO iVm § 43 Abs 2 StPO.
Das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 23. Dezember 2010, GZ 9 Bl 151/09v-11, wird aufgehoben und dem Landesgericht St. Pölten die neuerliche Entscheidung über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 20. August 2009, GZ 32 U 41/09b-12, aufgetragen.
Text
Gründe:
Mit Urteil vom 28. September 2010, AZ 11 Os 96/10t, hob der Oberste Gerichtshof das - unter Mitwirkung der Richter Mag. H***** und Mag. W***** - in der Strafsache gegen Driton A***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und 4 erster Fall StGB ergangene Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 25. Jänner 2010, AZ 9 Bl 151/09v, gemäß § 292 letzter Satz StPO auf und wies dasselbe Gericht an, über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 20. August 2009, GZ 32 U 41/09b-12, neu zu entscheiden.
Mit Urteil vom 23. Dezember 2010, GZ 9 Bl 151/09v-11, gab das Landesgericht St. Pölten als Berufungsgericht der Berufung der Staatsanwaltschaft wegen Nichtigkeit Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht. Mit ihrer Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wurde die Staatsanwaltschaft auf die kassatorische Entscheidung verwiesen. Ungeachtet ihrer vorangegangenen, aus dem Akt selbst ersichtlichen Befassung mit dieser Strafsache wirkten Mag. H***** und Mag. W***** des Landesgerichts St. Pölten an der Urteilsfällung als Senatsmitglieder mit.
Rechtliche Beurteilung
Wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht die Vorgehensweise der am Verfahren bereits beteiligten Richter des Berufungsgerichts mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Nach § 43 Abs 2 StPO ist ein Richter auch dann vom Hauptverfahren ausgeschlossen, wenn er an einem Urteil mitgewirkt hat, das infolge eines Rechtsmittels oder eines Rechtsbehelfs aufgehoben wurde. Da die Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes (§ 23 Abs 1 StPO) ein Rechtsbehelf ist, sind Richter, deren Urteil gemäß § 292 letzter Satz StPO unter Anordnung der Verfahrenserneuerung aufgehoben worden ist, gemäß § 43 Abs 2 StPO ausgeschlossen. Dies betrifft - analog - auch Richter, deren Berufungserkenntnis solcherart kassiert worden ist. Die Zielsetzung, Entscheidungsträger, die in ihrer Sachbeurteilung korrigiert worden sind, von der neuen Verhandlung und Entscheidung in derselben Causa auszuschließen, trifft nämlich auf diese ebenso zu wie auf Erstrichter (Lässig, WK-StPO § 43 Rz 26 mwN; RIS-Justiz RS0097351, RS0102123). Die genannten Richter hätten daher den sie betreffenden Ausschließungsgrund gemäß § 44 Abs 2 StPO sogleich dem Präsidenten des Landesgerichts St. Pölten anzuzeigen gehabt und hätten sich weiterer Handlungen im Verfahren, somit auch der Urteilsfällung am 23. Dezember 2010, enthalten müssen (§ 44 Abs 1 StPO).
Da ein aus den aufgezeigten Gesetzesverletzungen resultierender Nachteil für den Angeklagten nicht ausgeschlossen werden kann (§ 292 letzter Satz StPO), sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 23. Dezember 2010 aufzuheben. Demzufolge wird das Landesgericht St. Pölten über die Berufung (ON 14 und ON 17) der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 20. August 2009, GZ 32 U 41/09b-12, in einer dem Gesetz entsprechenden Zusammensetzung, erneut zu entscheiden haben.
Die vom Vertreter des Privatbeteiligten schriftlich gestellten und im Gerichtstag wiederholten Anträge auf Ergänzung des Beweisverfahrens und Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof in der Sache selbst übersehen, dass der Oberste Gerichtshof bei seinen Entscheidungen an die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichts gebunden ist und selbst weder Beweise aufnehmen noch (neue oder ergänzende) Tatsachenfeststellungen (mit Ausnahme von Feststellungen prozessualer Natur) treffen kann (vgl Fabrizy, StPO11 § 288 Rz 2).
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