OGH 3Ob257/16i

OGH3Ob257/16i10.5.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Gerhard Rigler, Dr. Ulrike Grünling, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wider die beklagte Partei Gemeinnützige W* Gesellschaft mbH, *, vertreten durch Dr. Gerda Mahler-Hutter, Rechtsanwältin in Berndorf, wegen Übernahme eines Bestandobjekts, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 19. Oktober 2016, GZ 19 R 49/16s‑12, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom 19. April 2016, GZ 8 C 1353/15w‑8, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118238

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

 

Begründung:

Der Kläger führt zur Hereinbringung einer rechtskräftig zuerkannten Forderung von 24.560 EUR sA Exekution nach §§ 331 ff EO durch Pfändung und Verwertung des seinem Schuldner, dem Verpflichteten, zustehenden Genossenschaftsanteils sowie dessen Anspruchs gegen die Beklagte auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags und nahm – ermächtigt durch einen Verwertungsbeschluss nach § 333 Abs 1 EO – eine außergerichtliche Aufkündigung des Bestandvertrags mit Schreiben vom 23. Juli 2015 zum Kündigungstermin 31. August 2015 vor, die unstrittig zur Vertragsauflösung zu diesem Termin führte. Der Verpflichtete verblieb mit seiner Familie dennoch in der Wohnung und bezahlte die monatlichen Benützungsentgelte an die Beklagte. Diese erwiderte dem Kläger, dass sie deshalb und wegen vermutlich uneinbringlicher Kosten dafür nicht mit einer Räumung gegen den Verpflichteten wegen titelloser Benützung vorgehen wolle.

Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, die näher bezeichnete Genossenschaftswohnung des Verpflichteten zu übernehmen, weil er den Bestandvertrag wirksam aufgekündigt habe.

Das Berufungsgericht änderte das klagestattgebende Urteil des Erstgerichts in eine Klageabweisung ab. Zur Rückstellung eines unbeweglichen Bestandobjekts gehöre in der Regel, dass der Bestandnehmer dem Bestandgeber die Innehabung der Sache gewähre und seine Fahrnisse vom Bestandgegenstand entferne. Nach der Rechtsprechung sei die Weigerung des Bestandgebers zur Übernahme des Bestandobjekts nicht gerechtfertigt, wenn der Bestandnehmer bereit sei, ihm das Bestandobjekt zum vereinbarten Termin zu übergeben, seine Fahrnisse bereits entfernt habe und die Schlüssel aushändigen wolle. Dass der Kläger all dies gemacht hätte, sei nicht einmal behauptet worden, vielmehr sei unstrittig, dass der Verpflichtete die Wohnung nach wie vor bewohne. Ohne entsprechende Räumung des Bestandobjekts sei die Beklagte aber nicht verpflichtet, dieses zu übernehmen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist – ungeachtet des nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig, weil er keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt. Das ist kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Die Räumung des Bestandobjekts von den Fahrnissen des Bestandnehmers (hier des Verpflichteten), die unstrittig noch nicht erfolgt ist, weil die Wohnung weiter von diesem und seiner Familie bewohnt wird, ist Voraussetzung nicht nur für die Fälligkeit des Anspruchs auf Rückzahlung des Finanzierungsbeitrags (§ 17 Abs 3 WGG), sondern auch für das hier zu prüfende Bestehen der Verpflichtung/Obliegenheit des Bestandgebers (hier der Beklagten), das Bestandobjekt iSd § 1109 ABGB zu übernehmen.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, der Bestandgeber gerate in Annahmeverzug (ist also erst dann säumig), wenn er es ablehnt, das Bestandobjekt trotz dessen Räumung und des Angebots auf Übergabe zu übernehmen (1 Ob 195/01k; 4 Ob 147/02z; 4 Ob 239/05h; RIS‑Justiz RS0020833 [T1]; RS0020810 [T3]). Daraus folgt, dass den Bestandgeber eine Verpflichtung/ Obliegenheit zur Übernahme des Bestandobjekts jedenfalls vor der Räumung durch den Bestandnehmer im Sinne der Entfernung von Personen und Fahrnissen nicht trifft. Da der Kläger aufgrund der Ermächtigung nach § 333 Abs 1 EO nur ein inhaltsgleiches Recht des Bestandnehmers (hier des Verpflichteten) geltend machen kann (Oberhammer in Angst/Oberhammer³ § 333 EO Rz 1 und 3; Frauenberger in Burgstaller/Deixler-Hübner § 333 EO Rz 1; 3 Ob 217/05s = RIS‑Justiz RS0004000 [T1]; 3 Ob 169/83 = RIS‑Justiz RS0004133; 3 Ob 174/03i), kann die Beklagte daher dann, wenn – wie hier – bei Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz die Räumung noch nicht erfolgt war, auch ihm gegenüber noch nicht zur Übernahme verpflichtet werden. Darauf hat sich die Beklagte schon in erster Instanz berufen.

Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist somit nicht zu beanstanden.

2. Dagegen trägt die Revision nichts Stichhältiges vor, weil der Kläger gar nicht aufzuzeigen versucht, warum nicht auch im Rahmen dieser Rechteexekution die Räumung des Bestandobjekts Voraussetzung für eine Verpflichtung/Obliegenheit zu dessen Übernahme durch die Genossenschaft sein sollte.

Der Kläger kritisiert im Wesentlichen nur, dass das Berufungsurteil im Ergebnis bedeute, der Verpflichtete könne gemeinsam mit der Genossenschaft (gemeint offenbar durch kollusives Vorgehen) dem betreibenden Gläubiger das Auseinandersetzungsguthaben auf Dauer entziehen. Gleichzeitig gesteht die Revision aber zu, die Beklagte treffe keine Obliegenheit, gegen den Verpflichteten eine Räumung anzustrengen, und schließt damit selbst Rechtsmissbrauch der Beklagten aus.

3. Um die dem Kläger bewilligte Exekution nicht ins Leere gehen zu lassen, könnte überlegt werden, dem Betreibenden die Möglichkeit einzuräumen, in sinngemäßer Anwendung der §§ 105 und 156 Abs 2 EO die Räumung vollziehen zu lassen. Im vorliegenden Verfahren ist diese, hier nicht zu beantwortende Frage jedoch nicht weiter zu prüfen.

4.Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035962).

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