OGH 4Ob147/02z

OGH4Ob147/02z16.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Klaus F*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei R***** Gesellschaft mbH, V*****, vertreten durch Dr. Michael Auer und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen 69.266,96 EUR (Revisionsinteresse 34.633,48 EUR), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 6. Februar 2002, GZ 2 R 35/02b-30, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Villach vom 26. September 2001, GZ 6 C 1000/00s-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.692 EUR (darin 282 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte hat mit Mietvertrag vom 30. 1. 1990 vom Kläger und Hubert P*****, der seine sämtlichen Ansprüche aus diesem Vertrag an den Kläger abgetreten hat, ein Geschäftsgebäude um einen Bestandzins von zuletzt 158.855,70 S brutto ohne Betriebskosten gemietet. Die Beklagte hat das Bestandverhältnis zum 31. 3. 2000 aufgekündigt; am selben Tag erfolgte auch die Rückstellung des Mietgegenstands samt Schlüsselübergabe an den Rechtsvertreter des Vermieters. Am 16. 5. 2000 beantragte der Kläger die Beweissicherung zur Feststellung des gegenwärtigen Zustands des Bestandobjekts.

Punkt 10.4. des Mietvertrages verpflichtet die Mieterin, das Bestandobjekt nach Beendigung des Bestandverhältnisses im ursprünglichen Zustand - mit Ausnahme der Heizzentrale - zurückzustellen. Nach Punkt 11.2 des Mietvertrags muss die Mieterin allfällige Wiederherstellungsmaßnahmen so zeitgerecht durchführen, dass diese mit Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind; für die Dauer der Überschreitung dieser Frist ist der vereinbarte Bruttomietzins von der Mieterin zu zahlen.

Der Kläger begehrte mit Klage vom 10. 7. 2000 unter Berufung auf Punkt 11.2 des Mietvertrags 476.567,10 S sA, das sind drei Bruttomonatsmieten für den Zeitraum April bis Juni 2000, mit der Behauptung, die Beklagte habe - im einzelnen detailliert aufgezählte - notwendige Verbesserungs- und Wiederherstellungsarbeiten trotz Aufforderung des Klägers "bis heute" nicht durchgeführt. In der Streitverhandlung am 30. 8. 2001 dehnte er das Klagebegehren um drei weitere Bruttomonatsmieten für Juli bis September 2000 auf insgesamt 953.134,20 S sA aus und trug dazu vor, die Beklagte habe vertragswidrig die Tapete nicht entfernt, sondern nur weiß überstrichen, was er erst jetzt festgestellt habe. Sein Anspruch auf (Fort-)Zahlung des Bestandzinses bestehe bis zur letzten Besichtigung des Bestandobjekts durch den Sachverständigen im Beweissicherungsverfahren.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Sie sei ihrer Wiederherstellungspflicht zur Gänze nachgekommen und habe 284.231,86 S dafür aufgewendet, das Bestandobjekt in den vertragsgemäßen Zustand zu versetzen. Der Kläger begehre Verbesserungsarbeiten, die die Beklagte nicht schulde. Dem Kläger sei seit 31. 3. 2000 bekannt, dass die Beklagte die Durchführung weiterer Arbeiten ablehne; er habe das Bestandobjekt nach Übernahme nicht unverzüglich saniert, was bis Ende April 2000 möglich gewesen wäre, und seine Schadensminderungspflicht verletzt. Das erst im August 2001 geltend gemachte weitere Klagebegehren sei gemäß § 1111 ABGB verfristet.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 476.567,10 S sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Die Beklagte habe das Bestandobjekt nicht in jenem Zustand zurückgestellt, in dem sie es übernommen habe. Der Kläger sei daher vertraglich berechtigt, drei Monatsmieten zu fordern. Im Umfang der Klageausdehnung sei das Begehren jedoch nicht berechtigt, weil sich der Kläger die Verletzung der ihn treffenden Schadenminderungspflicht zurechnen lassen müsse. Er hätte den Beweissicherungsantrag schon vier Wochen früher einbringen und den dort bestellten Sachverständigen schon im Juni 2000 auf die ergänzend begehrten Arbeiten hinweisen können.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge; es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des § 1111 ABGB auf eine vertragliche Vereinbarung zur Mietzinsfortzahlung als Benützungsentgelt nach Beendigung des Bestandverhältnisses fehle. Punkt 11.2 des Mietvertrags sei als pauschalierter Schadenersatz nach Beendigung des synallagmatischen Vertragsverhältnisses und nicht als vertraglicher Anspruch aus dem Bestandverhältnis zu verstehen. Dieser Schadenersatzanspruch unterliege der Jahresfrist des § 1111 ABGB. Die Klageausdehnung sei somit verspätet erfolgt; eine allfällige Verletzung der Schadensminderungspflicht durch den Kläger sei damit nicht zu untersuchen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Revisionswerber steht auf dem Standpunkt, er mache keinen Schadenersatzanspruch, sondern einen vertraglich vereinbarten Anspruch auf "Fortzahlung des Bestandzinses nach Beendigung des Bestandverhältnisses" geltend, auf den § 1111 ABGB nicht anzuwenden sei. Dazu ist zu erwägen:

Punkt 11.2 des Mietvertrags verpflichtet die Mieterin, allfällige Wiederherstellungsmaßnahmen so zeitgerecht durchzuführen, dass diese mit Beendigung des Vertragsverhältnisses abgeschlossen sind; für die Dauer der Überschreitung dieser Frist ist der vereinbarte Bruttomietzins von der Mieterin zu zahlen. Diese Vertragsbestimmung knüpft an die gesetzliche Anordnung des § 1109 ABGB an, wonach der Bestandnehmer nach Beendigung des Bestandverhältnisses die Bestandsache in dem Zustand zurückstellen muss, in dem er sie übernommen hat, und ergänzt sie um die Verpflichtung, den Bestandzins so lange weiterzuzahlen, als der vorherige Zustand nicht hergestellt ist. Offenkundig hervorleuchtende Absicht dieser Vertragsbestimmung ist es, auf den Bestandnehmer finanziellen Druck auszuüben, um auf diese Weise die Vertragserfüllung (Rückstellung des Bestandobjekts im vorherigen Zustand) sicherzustellen.

Die vom Kläger im Verfahren vertretene Auffassung, am 31. 3. 2000 habe keine Übergabe des Mietobjekts stattgefunden, ist unzutreffend. Wie der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausgesprochen hat, ist es für den Zeitpunkt der Zurückstellung der Bestandsache nämlich ohne Bedeutung, ob der Bestandnehmer seinen in § 1109 ABGB angeordneten Pflichten nachgekommen ist. Dies gilt selbst dann, wenn der Bestandnehmer zur Herstellung eines besonderen Zustands verpflichtet wäre. Zur Verweigerung der Übernahme wäre der Bestandgeber nur berechtigt, wenn ihm dieses Recht ausdrücklich im Vertrag eingeräumt worden wäre (1 Ob 105/01k = RdW 2002, 274 = ecolex 2002, 428 mwN). Stellt der Bestandnehmer das Bestandobjekt nicht in dem gleichen Zustand zurück, in dem er es übernommen hat, so liegt dennoch eine (etwa den Lauf der Frist des § 1111 ABGB auslösende) Rückstellung der Bestandsache vor, denn für die Übergabe ist der Zustand des Bestandobjekts bedeutungslos; der Bestandgeber ist nur berechtigt, nach § 1111 ABGB Ersatz vom Bestandnehmer zu fordern, nicht jedoch die Übernahme zu verweigern. Hat es der Bestandgeber hingegen abgelehnt, das Bestandobjekt trotz dessen Räumung und des Anbots der Übergabe zu übernehmen, so ist er in Annahmeverzug geraten und fallen die widrigen Folgen auf ihn (1 Ob 105/01k = RdW 2002, 274 = ecolex 2002, 428 mwN).

Entgegen der Auffassung der Beklagten und des Berufungsgerichts macht der Kläger keinen auf § 1111 ABGB gestützten (Schaden-)Ersatzanspruch, sondern einen vertraglichen Anspruch geltend, stützt er doch sein Begehren ausdrücklich auf Punkt 11.2 des Mietvertrags. Die darin vereinbarte Bedingung, unter der die Beklagte zur Weiterzahlung eines monatlichen Betrags in Höhe des bisherigen Bruttomietzinses verpflichtet sein sollte, ist nach den Feststellungen auch eingetreten, weil sich der Mietgegenstand im Zeitpunkt der Vertragsauflösung nicht in jenem Zustand befunden hat, in dem er der Beklagten übergeben worden ist. Dies gilt ohne Zweifel auch für die - zum Anlass der Klageausdehnung genommenen - nicht entfernten Tapeten, kann doch eine untapezierte Wand einer Wand mit übermalten Tapeten nicht gleichgehalten werden. Ungeachtet der Schlüsselübergabe am 31. 3. 2000 wäre der Beklagten auch noch danach eine Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands möglich gewesen, hat doch der Kläger - dieses Vorbringen blieb unwidersprochen - bis zur Klageführung auf der Durchführung der erforderlichen Wiederherstellungsarbeiten durch die Beklagte bestanden.

Die Beklagte hat nun im Verfahren eingewendet, gegenüber dem Kläger unmissverständlich erklärt zu haben, die Durchführung weiterer Arbeiten am Mietgegenstand nach dem 31. 3. 2000 abzulehnen. Unter diesen - von ihm nicht bestrittenen - Umständen durfte der Kläger aber nicht im Hinblick auf die in Punkt 11.2. des Mietvertrags vereinbarte Entgeltzahlungspflicht auf unbestimmte Zeit untätig bleiben und darauf vertrauen, sein früherer Vertragspartner werde seinen Vertragspflichten auf Wiederherstellung des vorherigen Zustands doch noch nachkommen. Treu und Glauben verpflichteten den Kläger vielmehr, sich nunmehr selbst so rasch wie möglich ein Bild vom Umfang des Wiederherstellungsaufwands zu verschaffen und sodann die notwendigen Arbeiten im Wege einer Ersatzvornahme binnen angemessener Zeit durchführen zu lassen.

Wenn der Kläger angesichts der endgültigen Weigerung der Beklagten, nach Schlüsselübergabe noch Wiederherstellungsarbeiten durchzuführen, erst Mitte Mai 2000 ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet und nicht schon dort, sondern erstmals im August 2001 (!) die nicht entfernten Tapeten als vertragswidrig beanstandet hat, kann von einem Tätigwerden in angemessener Zeit keine Rede sein. Dass es dem Kläger aber nicht möglich gewesen wäre, die Wiederherstellung des vorherigen Zustands des Mietgegenstands bis Ende Juni 2000 herbeizuführen, hat er weder behauptet, noch ist solches im Verfahren hervorgekommen. Er muss sich die aufgetretenen Verzögerungen im Rahmen der ihn treffenden Schadensminderungspflicht daher selbst zurechnen lassen.

Die Vorinstanzen haben somit das (allein noch im Rechtsmittelverfahren zu beurteilende) ausgedehnte Klagebegehren, das Zahlungen für Zeiträume nach dem Juni 2000 betrifft, im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der Revision kann kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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