European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118127
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Die Antragstellerin ist Mit‑ und Wohnungseigentümerin ob der 254/9200 Anteile BLNr 104 und der 88/9200 Anteile BLNr 105 an der Liegenschaft EZ 67 KG * D*, mit denen Wohnungseigentum an den Geschäftslokalen A III/1A5 bzw A III/2A5 verbunden ist.
Unter Vorlage einer Entscheidung der Schlichtungsstelle des Magistrats der Stadt Wien vom 23. 3. 2016 samt Rechtskraftbestätigung begehrte die Antragstellerin die Berichtigung der Anteilsgröße ihrer Mindestanteile BLNr 104 und 105 auf jeweils 210/9200. Beim Anteil BLNr 105 findet sich allerdings der Zusatz, dass „der Nutzwert auf 132/9200 Anteile neu festzusetzen sei“.
Das Erstgericht wies das Begehren ab. Die bei Berichtigung eines Mindestanteils um mehr als 10 % gemäß § 10 WEG erforderliche Zustimmung sämtlicher Wohnungseigentümer sei nicht urkundlich nachgewiesen. Das Begehren betreffend BLNr 105 widerspreche § 85 GBG, weil daraus nicht eindeutig hervorgehe, ob auf 210/9200 oder 132/9200 verändert werden solle.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragstellerin nicht Folge. Die rechtskräftige Entscheidung der Wiener Schlichtungsstelle ersetze die gemäß § 10 Abs 3 Satz 3 WEG 2002 im Fall des Überschreitens der Bagatellgrenze von 10 % erforderliche Zustimmung aller Miteigentümer zur Änderung der Mindestanteile nicht. Mit dem weiteren Abweisungsgrund befasste sich das Rekursgericht nicht. Der ordentliche Revisionsrekurs wurde zugelassen, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob bei Vorliegen einer gerichtlichen bzw durch die Schlichtungsstelle erfolgten Nutzwertfestsetzung jedenfalls die Zustimmung aller Miteigentümer zur Änderung des Miteigentumsanteils um mehr als 10 % nach § 10 Abs 3 WEG 2002 notwendig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) nicht zulässig. Auch die Antragstellerin zeigt in ihrem Revisionsrekurs keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG auf:
1. Selbst im Fall des Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, dh eindeutige Regelung trifft (RIS‑Justiz RS0042656). Lassen sich relevierte Rechtsfragen unmittelbar aufgrund des Gesetzes und seiner Materialien zweifelsfrei lösen, stellt sich keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (RIS‑Justiz RS0042656 [T54]). Dies ist hier der Fall.
1.1. § 10 Abs 3 WEG idF der GB‑Nov 2012 BGBl I 2012/30 lautet wie folgt:
Sollen aufgrund einer gerichtlichen (§ 9 Abs 2 und 3) oder einvernehmlichen (§ 9 Abs 6) Nutzwertfestsetzung die Miteigentumsanteile geändert werden, so kann dies bei bereits einverleibtem Wohnungseigentum durch Berichtigung in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG 1955 geschehen. Wenn die Berichtigung bei keinem der Miteigentumsanteile zu einer Änderung von mehr als 10 vH führt, ist sie auf Antrag auch nur eines der von der Änderung betroffenen Miteigentümer vorzunehmen, einer Zustimmung der übrigen Miteigentümer oder Buchberechtigten bedarf es in diesem Fall nicht. Wird hingegen ein Miteigentumsanteil durch die Berichtigung um mehr als 10 vH geändert, so ist die Berichtigung nur mit Zustimmung aller Miteigentümer und derjenigen Buchberechtigten zulässig, die Rechte an einem Miteigentumsanteil haben, der durch die Berichtigung kleiner wird. Bücherliche Rechte, die auf den Miteigentumsanteilen lasten, beziehen sich ohne weiteres auf die berichtigten Miteigentumsanteile.
1.2. Der Gesetzeswortlaut stellt somit ausdrücklich auf die gerichtliche Nutzwertfestsetzung ab (die hier iSd § 52 Abs 3 WEG durch diejenige der Schlichtungsstelle ersetzt wird) und verlangt die Zustimmung der Miteigentümer gerade in diesem Fall, somit völlig eindeutig unabhängig von einer allfälligen Parteistellung der übrigen Miteigentümer im Nutzwert‑(neu‑)festsetzungsverfahren. Auch den Materialien (ErläutRV 1675 BlgNR 24. GP 10 f) ist kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Bestimmung anders verstanden hätte wissen wollen. Die Nutzwert‑(neu‑)festsetzung bildet somit lediglich die Grundlage für eine daran anschließende, jedenfalls erforderliche Änderung der Mindestanteile (vgl RIS‑Justiz RS0118638 [T1]).
1.3. Die vom Rekursgericht als erheblich angesehene Rechtsfrage ist daher schon aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts im Sinn der auch vom Rekursgericht vertretenen Rechtsauffassung zu beantworten.
2. Dass § 10 Abs 3 WEG grundsätzlich die Zustimmung sämtlicher Miteigentümer (und Buchberechtigter, deren Anteil verkleinert wird) verlangt, zieht die Antragstellerin in ihrem Revisionsrekurs nicht in Zweifel. Sie meint allerdings, aus § 10 Abs 4 WEG ergebe sich eine Übertragungs‑ und Ausgleichspflicht der Miteigentümer, damit jedem Wohnungseigentümer der korrekte Anteil laut Nutzwertneufestsetzung zukomme. Der Gesetzgeber habe damit beabsichtigt, die von Anteilsänderungen betroffenen Miteigentümer ab einem gewissen Schwellenwert der Anteilsänderung (10 vH) hinsichtlich ihres Anspruchs auf Ausgleich sicherzustellen. In einem Fall, bei dem es – wie hier – zu Verschiebungen nur innerhalb von zwei Wohnungseigentumsobjekten desselben Eigentümers komme, sei eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs auf Übertragung nicht möglich, weil die Antragstellerin sich nicht selbst klagen könne. Da hier kein Fall der Übertragungs‑ und Ausgleichspflicht des § 10 Abs 4 WEG vorliege, entfalle die vom Gesetzgeber gewollte Sicherstellung des Antrags auf Ausgleich und damit das Erfordernis der Zustimmung aller Miteigentümer nach § 10 Abs 3 Satz 3 WEG.
Dem ist nicht zu folgen.
2.1. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats schon zu der durch die WRN 2006 geschaffenen Rechtslage, dass es bei der Beurteilung, ob die Bagatellgrenze (10 %) des § 10 Abs 3 WEG 2002 überschritten wird, auf das Ausmaß der Anteilveränderung jedes einzelnen Anteils iSd § 2 Abs 9 WEG 2002 ankommt und nicht auf das Ausmaß der Veränderung im Verhältnis zur Gesamtliegenschaft (RIS‑Justiz RS0124537). Dies wurde ausdrücklich für die Anwendung der nunmehr in § 10 Abs 3 Satz 2 WEG 2002 idF GB‑Nov 2012 vorgesehenen Bagatellgrenze aufrechterhalten (5 Ob 76/13g = wobl 2014/55 [Hausmann] = ZVB 2014/79 [Oppel]). Dabei ist es auch nach der nunmehr geltenden Rechtslage für die ausschlaggebende Größe der Anteilsverschiebung ohne Bedeutung, ob dabei alle Miteigentumsanteile beim selben Eigentümer verbleiben (RIS‑Justiz RS0126322 [T1]). Von einem Überschreiten der Bagatellgrenze ist hier daher in Bezug auf beide den Gegenstand des Antrags bildenden Mindestanteile jedenfalls auszugehen.
2.2. Dass auch die Grundbuchsberichtigung wegen einer Nutzwertänderung durch Änderungen im Bestand räumlich unmittelbar aneinander grenzender Wohnungseigentumsobjekte desselben Eigentümers nur mit Zustimmung aller Miteigentümer iSd § 10 Abs 3 Satz 3 WEG in Betracht kommt, liegt der Entscheidung des erkennenden Senats 5 Ob 127/14h = wobl 2016/55 zugrunde. Dort wies das Rekursgericht über Rekurs der von der Anteilsveränderung nicht betroffenen, dieser nicht zustimmenden Miteigentümer den (ua) auf Berichtigung der Mindestanteile gerichteten Antrag in Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses mangels Zustimmung ab. Der erkennende Senat nahm ausdrücklich zur Rekurslegitimation der Rekurswerber Stellung, die sich aus § 10 Abs 3 WEG ergebe. Auch die Frage des Zustimmungserfordernisses aller sonstigen Miteigentümer zur Grundbuchsberichtigung bei Anteilsverschiebung zwischen zwei Mindestanteilen ein‑ und derselben Wohnungseigentümers ist daher nicht nur durch den Gesetzeswortlaut des § 10 Abs 3 WEG 2002, sondern auch durch höchstgerichtliche Judikatur bereits geklärt.
2.3. Der von der Antragstellerin angesprochene Übertragungsmechanismus des § 10 Abs 4 WEG idF GB‑Nov 2012 sieht Folgendes vor:
Liegen die im vorstehenden Absatz genannten Voraussetzungen einer Berichtigung in sinngemäßer Anwendung des § 136 Abs 1 GBG 1955 nicht vor, so haben die Miteigentümer zur Änderung der Miteigentumsanteile entsprechend einer gerichtlichen oder einvernehmlichen Nutzwertfestsetzung gegenseitig Miteigentumsanteile in einem solchen Ausmaß zu übernehmen und zu übertragen, dass jedem Wohnungseigentümer der nun für sein Wohnungseigentumsobjekt erforderliche Mindestanteil zukommt. Mangels vereinbarter Unentgeltlichkeit ist für die übernommenen Miteigentumsanteile ein angemessenes Entgelt zu entrichten. Die durch die einzelne Übertragung entstehenden Kosten und Abgaben hat der Miteigentümer zu tragen, dem ein Miteigentumsanteil übertragen wird.
2.3.1. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut kann sich das von der Antragstellerin in dem Zusammenhang zitierte Erfordernis einer Klage des „übernehmenden“ gegen die „übergebenden“ Miteigentümer auf Zustimmung zur Einverleibung (vgl Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht3 § 10 WEG Rz 28) nur auf die von der durch die Nutzwert‑(neu‑)festsetzung erforderlichen Anteilsänderungen unmittelbar betroffenen Miteigentümer beziehen, wenn diese ihrer Pflicht, zur Berichtigung durch entsprechende Übertragung bzw Übernahme von Anteilen beizutragen, nicht nachkommen.
2.3.2. Ein Erfordernis der Antragstellerin sich selbst zu klagen, ist aber dann nicht ersichtlich, wenn man ihren Antrag – wie sie im Rekurs ausführt – dahin versteht, dass die 44/9200 Anteile, um die ihr Anteil BLNr 104 reduziert werden soll, im gleichen Ausmaß dem Mindestanteil BLNr 105 zuzuschlagen sind. Durch die Anteilsänderung unmittelbar betroffene Miteigentümer gäbe es dann nicht. Es stünde der Antragstellerin diesfalls offen, in grundsbuchsfähiger Form (RIS‑Justiz RS0123506) in Bezug auf ihre beiden Miteigentumsanteile entsprechende Aufsandungserklärungen abzugeben.
2.3.3. Allerdings hat das Erstgericht zutreffend erkannt, dass die Antragstellerin zwar in einem Zusatz auf die Nutzwertneufestsetzung von 132/9200 verwiesen, formell aber die Vergrößerung des Mindestanteils BLNr 105 auf 210/9200 beantragt hatte. Darin lag eine Widersprüchlichkeit im Antrag und somit ein nicht verbesserbarer Inhaltsmangel (Rassi Grundbuchsrecht2 Rz 436; vgl auch RIS‑Justiz RS0126078), der einen weiteren Abweisungsgrund darstellt.
3. Hinzuweisen ist iSd § 95 Abs 3 GBG noch darauf, dass entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs der nach dem Antrag zu verringernde Mindestanteil BLNr 104 sehr wohl bücherlich belastet ist, wie sich aus dem Grundbuchsstand ergibt. Gemäß § 10 Abs 3 letzter Satz WEG haben aber auch diejenigen Buchberechtigten ein Zustimmungsrecht zur Berichtigung nach dieser Gesetzesstelle, die Rechte an dem Mindestanteil haben, der durch die Berichtigung kleiner wird. Dass durch die begehrte Änderung ein ebenfalls der Antragstellerin gehörender und mit dem gleichen Pfandrecht belasteter anderer Anteil vergrößert wird, vermag am Zustimmungserfordernis nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung (5 Ob 76/13g) nichts zu ändern.
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