European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E118248
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung:
Der am 6. September 1937 geborene Erblasser ist am 11. August 2015 gestorben. Im Verlassenschaftsverfahren gaben mehrere Erbansprecher bedingte Erbantrittserklärungen ab, und zwar ein Neffe aufgrund eines Testaments zum gesamten Nachlass, ein weiterer Neffe und eine Nichte aufgrund des Gesetzes ohne Angabe von Quoten und die beiden Rechtsmittelwerber aufgrund des Gesetzes zu je einem Viertel.
Das Erstgericht leitete das Verfahren über das Erbrecht ein. Strittig sind die Formgültigkeit des Testaments und das gesetzliche Erbrecht der Rechtsmittelwerber. Diese brachten vor, ihr Vater sei auch der außereheliche Vater des Erblassers gewesen; sie seien daher Halbgeschwister des Erblassers. Die Abstammung des Erblassers von ihrem Vater sei in der Familie und „im ländlichen Umkreis“ bekannt gewesen, ihr Vater habe dem Erblasser (zu Handen von dessen Mutter) auch Unterhalt geleistet. Der „gesellschaftlichen Situation der Vorkriegs- und wohl auch Kriegs- und Nachkriegsjahre entsprechend“ sei der Vater aber weder im Taufschein noch in der Geburtsurkunde genannt worden. Zum Beweis der Abstammung beantragten sie die Beiziehung eines Sachverständigen.
Das Erstgericht wies die Erbantrittserklärungen der Rechtsmittelwerber zurück. Die Abstammung könne im Verfahren über das Erbrecht nicht vorfrageweise beurteilt werden. Damit könnten die Erbantrittserklärungen mangels festgestellter Verwandtschaft „derzeit“ nicht zur Einantwortung führen, weshalb sie zurückzuweisen seien.
In ihrem Rekurs beantragten die Rechtsmittelwerber, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache mit dem Auftrag an das Erstgericht zurückzuverweisen, die von ihnen beantragten Beweise aufzunehmen.
Das Rekursgericht änderte den Beschluss dahin ab, dass es ihn ersatzlos behob und dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens auftrug. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Zwar könne die Vaterschaft nicht vorfrageweise beurteilt werden. Allerdings treffe wegen der Möglichkeit einer Feststellung in einem gesonderten Verfahren nicht zu, dass der Erbrechtstitel, auf den sich die Erbantrittserklärungen stützten, nie zu einer Einantwortung führen könne. Dies stehe der Zurückweisung entgegen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage von der Bedeutung des § 62 AußStrG vorliege.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Rechtsmittelwerber. Sie beantragen, die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, im fortgesetzten Verfahren die von ihnen beantragten Beweise aufzunehmen; hilfsweise beantragen sie eine Aufhebung in die zweite Instanz. Als erhebliche Rechtsfrage machen sie geltend, dass die Abstammung vorfrageweise beurteilt werden könne, wenn eine Feststellung in einem selbständigen Verfahren mangels Parteistellung der Erbansprecher nicht möglich sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs erweist sich als nicht zulässig.
1. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses ist nach § 62 AußStrG, nicht nach § 64 AußStrG zu beurteilen.
1.1. Nach der letztgenannten Bestimmung ist ein Beschluss, mit dem das Rekursgericht einen Beschluss des Gerichts erster Instanz aufgehoben und diesem eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen hat, nur dann anfechtbar, wenn das Rekursgericht – anders als hier – ausgesprochen hat, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Diese Regelung gilt allerdings nur für „echte“ Aufhebungsbeschlüsse (RIS‑Justiz RS0111919). Diese liegen vor, wenn das Erstgericht in einem weiteren Rechtsgang neuerlich über dieselbe Frage entscheiden soll, über die es bereits im ersten Rechtsgang entschieden hat (RIS‑Justiz RS0044037 [T9, T13, T15]). Hingegen ist § 64 AußStrG nicht anwendbar, wenn in der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses zugleich schon die abschließende Entscheidung über die Unzulässigkeit oder Unbegründetheit der Entscheidung des Erstgerichts oder über eine in dieser Entscheidung aufgeworfene und für die Entscheidung ausschlaggebende Frage liegt, sodass über den bisherigen Entscheidungsgegenstand nicht mehr abzusprechen ist, weil dies inhaltlich schon durch den Beschluss des Rekursgerichts geschah (RIS‑Justiz RS0007218, RS0044037 [T9, T10, T13], RS0044035 [T3]). In diesem Fall handelt es sich um einen in Wahrheit abändernden Beschluss, bei dem die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nach § 62 AußStrG zu beurteilen ist.
1.2. Im vorliegenden Fall liegt kein echter Aufhebungsbeschluss vor. Denn das Erstgericht hatte die Erbantrittserklärung zurückgewiesen, weil sie – im Sinn der Entscheidungen 6 Ob 3/09y und 3 Ob 141/12z – nicht zu einer Einantwortung führen könnten. Damit verneinte es im Ergebnis die Parteistellung der Rechtsmittelwerber im Verfahren über das Erbrecht. Das Rekursgericht war demgegenüber der Auffassung, dass eine das Erbrecht begründende Abstammungsfeststellung in einem gesonderten Verfahren weiterhin möglich sei, sodass eine Einantwortung nicht ausgeschlossen sei. Damit bejahte es das Recht der Rechtsmittelwerber, sich am Verfahren über das Erbrecht zu beteiligen. Damit ist diese Frage abschließend – und zwar ohnehin im Sinn der Rechtsmittelwerber – entschieden. Eine Entscheidung über das Erbrecht als solches hat hingegen weder das Erstgericht noch (im aufhebenden Sinn) das Rekursgericht getroffen. Das Rekursgericht ist daher zutreffend von einer in Wahrheit abändernden Entscheidung ausgegangen. Die Zulässigkeit des Revisionsrekurses hängt damit nach § 62 AußStrG ausschließlich vom Vorliegen einer für die konkrete Entscheidung relevanten (präjudiziellen) Rechtsfrage erheblicher Bedeutung ab (zum Erfordernis der Präjudizialität im konkreten Fall Zechner in Fasching/Konecny 2 § 502 ZPO Rz 60; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 62 Rz 33; beide mwN).
2. Eine solche Rechtsfrage zeigen die Rechtsmittelwerber allerdings nicht auf.
2.1. Zwar ist nicht abschließend geklärt, ob Erbantrittserklärungen überhaupt zurückgewiesen werden können. Dies hat der Oberste Gerichtshof zwar – in Fortschreibung der Rechtslage nach dem AußStrG 1854 – in 6 Ob 3/09y und 3 Ob 141/12z für den Fall bejaht, dass sie „nie“ zu einer Einantwortung führen könnten. Andererseits hat er aber auch mehrfach ausgesprochen, dass über unschlüssige Erbantrittserklärungen im Verfahren über das Erbrecht inhaltlich zu entscheiden sei (1 Ob 117/07y; RIS‑Justiz RS0122476), was einer Zurückweisung grundsätzlich entgegensteht. Im Schrifttum vertritt Höllwerth die Auffassung, dass auf eine Zurückweisung „verzichtet“ werden sollte, weil dafür eine gesetzliche Grundlage fehle, die Reichweite der Vorprüfungsmöglichkeit schon nach altem Recht nicht überzeugend abgegrenzt gewesen sei und auch die Wirkungen eines Zurückweisungsbeschlusses für weitere Verfahren nicht geklärt seien (Höllwerth, Die Rechtsprechung zum Verlassenschaftsverfahren im Überblick, EF-Z 2015, 5 [8]; vgl auch ders in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG§ 160 Rz 8). Auf diese – abstrakt durchaus erhebliche – Frage kommt es im konkreten Fall aber nicht an, weil das Rekursgericht den Zurückweisungsbeschluss ohnehin behoben hat.
2.2. Auch die von den Rechtsmittelwerbern bezeichnete Rechtsfrage (Zulässigkeit der vorfrageweisen Beurteilung der Vaterschaft) ist zwar abstrakt durchaus erheblich, für die konkrete Entscheidung aber irrelevant. Denn das Rekursgericht hätte nicht anders entscheiden können, wenn es der Auffassung gewesen wäre, dass die Abstammung vorfrageweise geprüft werden könnte und damit geprüft werden müsste: Auch dann wäre der Zurückweisungsbeschluss, mit dem das Erstgericht gerade nicht über das Erbrecht als solches abgesprochen hatte, (nur) zu beheben gewesen. Dies hätte ebenfalls zur Fortsetzung des Verfahrens nach den §§ 161 ff AußStrG (auch) mit den Rechtsmittelwerbern geführt. Das Erstgericht wäre an diese Rechtsansicht nicht gebunden gewesen, weil – wie oben dargestellt – kein echter Aufhebungsbeschluss vorlag und der eine Bindung anordnende § 61 AußStrG daher in diesem Fall nicht anwendbar gewesen wäre. Nur bei einem echten Aufhebungsbeschluss hätten die Rechtsmittelwerber im Übrigen mit Aussicht auf Erfolg trotz der ohnehin formal in ihrem Sinn ergangenen Entscheidung die dieser zugrunde liegende Rechtsansicht bekämpfen können (RIS-Justiz RS0007094). Dies hätte aber die – hier nicht erfolgte – Zulassung des Revisionsrekurses erfordert (§ 64 AußStrG).
3. Aus diesen Gründen ist der außerordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer für die konkrete Entscheidung relevanten erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Über die von den Vorinstanzen unter Hinweis auf 8 Ob 49/13h beurteilte Frage, ob für das Bestehen des gesetzlichen Erbrechts die Abstammung aller die Verwandtschaft vermittelnden Personen rechtlich feststehen muss (durch Ehelichkeitsvermutung, Anerkenntnis oder allseitig wirkende Entscheidung) oder ob in gewissen Fällen die auch vorfrageweise zu beurteilende tatsächliche Abstammung genügt, war nicht zu entscheiden.
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