OGH 11Os11/17b

OGH11Os11/17b25.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel, Dr. Michel‑Kwapinski und Mag. Fürnkranz als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Mag. Karl B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1, Abs 3 zweiter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20. April 2016, GZ 12 Hv 67/15f‑255, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00011.17B.0425.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Mag. Karl B*****, Heribert S***** und Walter M***** gemäß § 259 Z 3 StPO vom wider sie erhobenen Vorwurf freigesprochen, es haben

„I./ Mag. Karl B***** und Heribert S***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt im Zeitraum 23. 05. 2005 bis 14. 06. 2005 die ihnen als kollektiv vertretungsbefugten Vorstandsmitgliedern der U***** AG durch das Aktiengesetz (§ 84 Abs 1 AktG) eingeräumten Befugnisse, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht, indem sie die Bezahlung der von der Z***** GmbH rechtsgrundlos gelegten Rechnung vom 23.05.2005 über 600.000 Euro (inklusive Umsatzsteuer) freigaben, obwohl tatsächlich weder die darin angeführten, noch andere werthaltige Leistungen der Z***** GmbH erbracht wurden, wodurch sie der U***** AG infolge der letztlich tatsächlich vorgenommenen Überweisung an die Z***** GmbH einen Vermögensnachteil in einem 50.000 Euro übersteigenden Betrag in der Höhe von 600.000 Euro zufügten;

II./ Ing. Walter M***** zu der unter Punkt I./ genannten Tat dadurch beigetragen, dass er zu einem noch festzustellenden Zeitpunkt im Zeitraum 23. 05. 2005 bis 25. 05. 2005 namens der Z***** GmbH das auf den 16. 09. 2003 rückdatierte rechtsgrundlose Angebot und die rechtsgrundlose Rechnung vom 23. 05. 2005 über 600.000 Euro (inklusive Umsatzsteuer) an die U***** AG zur Rechtfertigung der Zahlung des genannten Betrages an die Z***** GmbH legte.“

 

Das Schöffengericht ging – zusammengefasst – davon aus (US 3 ff), dass der in der Hotellerie tätige und mit M***** befreundete Hans O***** von der – nur einem beschränkten Personenkreis eröffneten – Absicht der insofern Verantwortlichen erfuhr, ein Grundstück in M***** samt darauf befindlichem, von der Q***** GmbH betriebenen Hotel „H*****“ zu verkaufen. Diesen Umstand erwähnte er gegenüber M*****, der die Information an Anton K***** weitergab (US 9), zumal dieser ihm aufgetragen hatte, „Augen und Ohren für Projekte offen [zu halten], die für den P*****‑Konzern insgesamt interessant“ sein könnten (US 8), und M***** sich verdienstlich machen wollte. Anton K***** informierte das (zwischenzeitlich verstorbene) Aufsichtsratsmitglied der (P*****-Tochter) U***** AG, DI Horst Pö*****, der seinerseits das (zwischenzeitlich verstorbene) Aufsichtsratsmitglied der U***** AG (und Vorstandsmitglied der P***** AG) Dkfm. Manfred Ko***** ersuchte, den Kauf der Liegenschaft zu prüfen. Dkfm. Ko***** berichtete dem als Vorstandsmitglied der U***** AG eingesetzten Mag. B***** [dem Erstangeklagten] vom Tipp des M***** betreffend die Immobilie, worauf dieser die weiteren Veranlassungen zum Ankauf derselben traf. Am 22. Oktober 2003 wurde nach Genehmigung des Aufsichtsrats der U***** AG über eine ihr zuzuordnende Projektgesellschaft die erwähnte Liegenschaft zu einem Gesamtpreis von 25 Mio Euro erworben (US 13). M***** wandte sich im Februar 2005 an Mag. B*****, um eine Provision einzufordern, welche mit 600.000 Euro festgelegt wurde. Im Mai 2005 erstellte M***** ein auf „16. 9. 2003“ datiertes Anbotschreiben seiner Z***** GmbH sowie eine Rechnung über den genannten Betrag (ON 16 ff) und übermittelte beide Schreiben mit dem Willen an die U***** AG, eine ihm zustehende Provision ausbezahlt zu erhalten. Die Angeklagten S***** und Mag. B***** bestätigten als Vorstandsmitglieder der U***** AG die Freigabe des Rechnungsbetrags „im Wissen und Wollen“, dass M***** diese Provision durch seinen Tipp verdient hatte; dabei gingen beide davon aus, „dass es sich um eine der Höhe nach angemessene Provision handelt“ (US 20). Der an M***** ausbezahlte Betrag bewegte sich nach Ansicht der Tatrichter (vgl US 56) im Rahmen des Üblichen und bedingte keinen Schaden, weil die U***** AG durch den Tipp ein für sie sehr günstiges Geschäft abschließen konnte.

 

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

 

Die Mängelrüge (Z 5 erster, dritter und vierter Fall) bekämpft die Urteilsaussage, O***** habe von der die Liegenschaft betreffenden Verkaufsabsicht erfahren und M***** hierüber informiert (US 7).

Diesen Tatumstand sieht die Beschwerde zwar– zu Recht – als nicht entscheidend (iS § 270 Abs 2 Z 4, 5 und § 281 Abs 1 Z 5 StPO) an. Doch sei er „gedanklich vorgelagert“ und „nicht wegzudenken, ohne dadurch auch der vom Erstgericht angenommenen Weitergabe der Information“ durch O***** an M***** „sowie durch diesen an Personen aus dem Umfeld des P***** Konzerns den Boden zu entziehen“. Seine sachverhaltsmäßige Bejahung bilde demnach – aus Beschwerdesicht – eine notwendige Bedingung für zu entscheidenden Tatsachen (nämlich zu einem „Befugnismissbrauch aufgrund allenfalls rechtsgrundlos erfolgter Zahlung aus dem Vermögen der U*****“) getroffene (Negativ-)Feststellungen (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410) und sei daher mit Mängelrüge anfechtbar.

Der Erledigung dieser Beschwerdekritik ist vorauszuschicken, dass beim Sonderpflichtdelikt (§ 14 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StGB) der Untreue (§ 153 StGB) das Unrecht der Tat von einem „Missbrauch“, also einem vorsätzlichen Fehlgebrauch einer Befugnis durch den Intraneus (ie den Machthaber) abhängt. Während dessen Strafbarkeit – in subjektiver Hinsicht – Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) in Ansehung des Befugnisfehlgebrauchs erfordert, muss es ein extraner (hier: Beitrags‑)Täter für gewiss (§ 5 Abs 3 StGB) halten, dass der Machthaber die ihm eingeräumte Befugnis zumindest bedingt vorsätzlich (§ 5 Abs 1 StGB) missbraucht (Leukauf/Steininger/Flora StGB4 § 153 Rz 46 f; Fabrizy, StGB12 § 153 Rz 6, 12 und 19; RIS‑Justiz RS0116032, RS0103984, RS0090558).

Im Gegenstand lehnten die Tatrichter eine Feststellung des Inhalts, Mag. B***** oder S***** hätten die ihnen als kollektivvertretungsbefugte Vorstandsmitglieder der U***** AG eingeräumte Befugnis, diese zu vertreten, wissentlich missbraucht oder den Vorsatz gehabt, dass die genannte Gesellschaft einen Vermögensnachteil erleiden würde, ab. Sie gelangten vielmehr zur Überzeugung, dass Mag. B***** und S***** die Zahlungsfreigabe jeweils in dem Wissen und mit dem Willen unterfertigten, eine M***** zustehende und auch angemessene Provision für seinen „Tipp“ zu bezahlen (US 20, 43 f, 56).

Diese Annahme gründete das Erstgericht in erster Linie auf die als glaubwürdig erachtete Schilderung des Angeklagten Mag. B***** (US 9 f, 34 f, 47), wonach ihm das (zwischenzeitlich verstorbene) Aufsichtsratsmitglied Dkfm. Ko***** mitgeteilt habe, dass die Information über die– aus seiner Sicht „interessante“ – Kaufmöglichkeit der betreffenden Liegenschaft von M***** gekommen sei. Gleichermaßen erachteten die Tatrichter – auch mit Blick auf eine vorliegende Projektkalkulation vom 7. Juli 2003 – die Einlassungen der Angeklagten Mag. B***** und S***** für überzeugend, nur um die ordnungsgemäße Verbuchung und Bezahlung einer M***** zustehenden Provision bemüht gewesen zu sein (US 10, 36, 42, 47 ff).

Demgegenüber erschließt sich keineswegs, dass die Tatrichter in der Annahme, O***** sei die Informationsquelle des (Extraneus) M***** gewesen (US 7), eine notwendige Bedingung für die zur Intention des Mag. B***** und des S***** (also der beiden Intranei) getroffenen Konstatierungen (US 20, 43 f, 56) erblickt hätten. Die – vorliegend aus der als glaubwürdig erachteten Schilderung des M***** sowie einer (zu ON 253 erliegenden) „Interessentenliste“ abgeleiteten (US 7, 30 f) – Feststellungen zum Informationsfluss an M***** können daher nicht Gegenstand der zum Nachteil des Mag. B***** und des S***** ausgeführten Mängelrüge sein (RIS‑Justiz RS0116877 [T4], RS0116737).

Angesichts der solcherart mängelfreien (Negativ‑)Feststellungen zur subjektiven Tatseite dieser beiden Angeklagten ist aber ebenso wenig entscheidend, ob– wofür allein die Annahme dieser Informationsweitergabe notwendige Bedingung sein könnte – (der Extraneus) M***** Befugnisfehlgebrauch und Schädigung (durch Mag. B***** und S*****) intendierte. Denn die ihm vorgeworfene Mitwirkung an einem (allenfalls objektiv) pflichtwidrigen Gebrauch einer Rechtsmacht durch (selbst) vorsatzlos handelnde Befugnisträger kommt von vornherein nicht als strafbare Beteiligung (§ 12 dritter Fall StGB) an einer Untreue nach § 153 StGB in Betracht (RIS‑Justiz RS0116032, RS0090558 [T8, T9, T10, T11]; Fabrizy in WK2 StGB § 14 Rz 15); Anhaltspunkte für ein betrügerisches Verhalten des Genannten werden (aus Z 9 lit a) nicht behauptet.

Schon deshalb versagt auch in Ansehung dieses Angeklagten der Einwand unbegründeter (Z 5 vierter Fall) Feststellungen zum Kenntnisstand des O***** (vgl aber US 30 ff), der Hinweis auf die (als unglaubwürdig verworfene – US 31, 49) Einlassung des Genannten als Zeugen sowie die Behauptung eines denklogischen Widerspruchs (Z 5 dritter Fall) zwischen den Erwägungen, wonach O***** in einem Beschäftigungsverhältnis zum „H*****“ stand (US 7), bei der „I*****“beschäftigt war (US 31) und „von der Q***** vom Verkauf der Liegenschaft erfahren hat können“ (US 30 f). Die insoweit behauptete „Undeutlichkeit“, „Widersprüchlichkeit“ und „unzureichende Begründung“ von Urteilserwägungen scheidet vielmehr– mangels Bezugs zu einer für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen Tatsache – als Anfechtungsbasis insgesamt aus.

Mit ihrer gegen den Urteilsaufbau gerichteten Kritik, die (der Sache nach rechtliche Beurteilung darstellende) Verneinung eines Vermögensschadens (US 20 f, 56) sei mit den Ausführungen zur subjektiven Tatseite „verwoben“ und „nicht klar von diesen abtrennbar“, macht die Beschwerde nicht deutlich (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO), ob sie einen Feststellungs‑ (Z 9 lit a) oder einen Begründungsmangel (Z 5) behaupten will.

Ebenfalls keine der aus Z 5 (oder sonst aus §§ 281 Abs 1, 281a StPO) eröffneten Anfechtungskategorien bezeichnet der Einwand, das Erstgericht ziehe sich im Rahmen der – zu den Feststellungen in subjektiver Hinsicht (US 20 f, 43 f, 56) angestellten – Beweiswürdigung auf „knappe, floskelhafte Ausführungen darüber zurück, warum die Angeklagten in ihren jeweiligen inneren Einstellungen verhaftet gewesen wären“. Vielmehr läuft die Beschwerdeargumentation insgesamt nur auf einen Angriff auf die tatrichterliche Würdigung von Verfahrensresultaten nach Art einer – im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld hinaus.

Die – nach dem oben Gesagten – (aus Z 5) gar nicht (prozessordnungskonform) bekämpften Negativfeststellungen zur subjektiven Tatseite des Mag. B***** und des S***** (US 20, 43 f, 56) stehen anklagekonformen Schuldsprüchen der Angeklagten jedenfalls entgegen. Die– diesbezügliche Feststellungsmängel (Z 9 lit a)behauptende – Rechtsrüge geht damit von vornherein ins Leere.

 

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

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