European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0090OB00011.17H.0420.000
Spruch:
Die Revision der klagenden Parteien wird zurückgewiesen.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.292,48 EUR (darin 215,41 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO zur Frage zugelassen, ob Verkäufer kreditbelasteter Liegenschaften vom Vertragsverfasser auf die Möglichkeit einer Zeitersparnis durch Selbstbemessung von Grunderwerbssteuer und Immobilienertragssteuer durch einen Rechtsanwalt oder Notar hinzuweisen sind. Dem schlossen sich die Revisionswerber zwecks Begründung der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Dem gegenüber bestritt der Revisionsgegner das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision der Kläger.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
Zur Haftung eines berufsmäßigen Vertragserrichters (Rechtsanwalt oder Notar) gemäß § 1299 ABGB existiert eine umfangreiche Judikatur (RIS-Justiz RS0023549; RS0026349; RS0026380; RS0026419). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist ein Notar oder Rechtsanwalt, der bei der Errichtung und Abwicklung eines Kaufvertrags für beide Vertragspartner tätig war, verpflichtet, auch die Interessen beider Teile wahrzunehmen, selbst wenn er im Übrigen nur Bevollmächtigter eines Teils ist (RIS-Justiz RS0026428; RS0023549 [T6]; 3 Ob 159/12x). Die Vertragsparteien können daher darauf vertrauen, dass sie der Vertragsverfasser vor Nachteilen schützt und für ihre rechtliche und tatsächliche Sicherheit sorgt (RIS-Justiz RS0023549 [T6, T7, T27]; RS0026380) und alle nach der Rechtsordnung erforderlichen Schritte zur Verwirklichung des ihm bekannten Geschäftszwecks unternimmt (RIS-Justiz RS0038724).
Einen Rechtsanwalt als Vertragserrichter trifft daher zwar grundsätzlich die Pflicht zur umfassenden rechtlichen und wirtschaftlichen Belehrung (9 Ob 16/12m), die Anforderungen an seine Sorgfaltspflichten dürfen aber nicht überspannt werden (RIS-Justiz RS0026349; RS0026419). Es können von ihm nur der Fleiß und die Kenntnisse verlangt werden, die seine Fachkollegen gewöhnlich haben (RIS-Justiz RS0026584).
Ob ein Rechtsanwalt im Einzelfall die gebotene Sorgfalt eingehalten hat, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls geprüft werden und stellt regelmäßig keine Frage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS‑Justiz RS0026584 [T21]; RS0026349 [T17]).
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Beklagten könne aus der standardmäßigen Abwicklung des Liegenschaftskaufvertrags kein Vorwurf gemacht werden, ist in der vorliegenden Konstellation vertretbar und nicht korrekturbedürftig. Weder wurde der Beklagte von den Klägern als Verkäufer auf eine besondere Dringlichkeit der Vertragsabwicklung hingewiesen noch wusste er, dass die Kläger den Kaufpreis zur Abdeckung eines Fremdwährungskredits (dringend) benötigten. Der von den Klägern gezogene Vergleich dieses Falls mit der Rechtsprechung, wonach der Rechtsanwalt verpflichtet ist, von mehreren denkbaren Rechtsbehelfen zur Wahrung der Klienteninteressen jeweils „den sichersten“ zu wählen (RIS‑Justiz RS0026303) ist hier schon deshalb nicht zielführend, weil der Beklagte mit der standardmäßigen und ohne – auf sein Verhalten zurückzuführende – Verzögerung durchgeführten Abwicklung des Kaufvertrags keine „unsichere“ Vorgangsweise gewählt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 [T16]).
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