OGH 14Os14/17s

OGH14Os14/17s4.4.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. April 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Melounek als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kasim G***** wegen des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Schöffengericht vom 13. Oktober 2016, GZ 605 Hv 3/16w‑23, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00014.17S.0404.000

 

Spruch:

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Korneuburg verwiesen.

Der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft werden mit ihren Rechtsmitteln auf diese Entscheidung verwiesen.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Kasim G***** des Verbrechens der Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 20. März 2016 in B***** an fremden Sachen, nämlich den Geschäftsräumlichkeiten der Shisha‑Bar „L*****“ des Helmut H***** und dem darin befindlichen – Helmut H*****, der B***** AG sowie Sevgi G***** oder deren Konkursmasse gehörenden – Inventar ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst zu verursachen versucht, indem er im westlichen Raumbereich des Lokals hinter der Theke einen Karton mit Papierresten sowie auf einem Bierfass eine Zeitung in Brand setzte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass dem Schuldspruch ein vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachter Rechtsfehler (Z 10) zu dessen Nachteil anhaftet, der von Amts wegen aufzugreifen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Der Begriff der Feuersbrunst stellt nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung auf eine enge Verflechtung der erforderlichen räumlichen Ausdehnung und der mangelnden Bekämpfbarkeit mit gewöhnlichen Mitteln ab. Solcherart muss das Feuer zum einen gerade aufgrund seiner bereits erreichten Ausdehnung unbeherrschbar sein, zum anderen ist die Unbeherrschbarkeit der Maßstab der erforderlichen Ausdehnung. Zur Verwirklichung des Verbrechens der Brandstiftung bedarf es darüber hinaus jedoch – weil sich erst darin die in der Überschrift des 7. Abschnitts des Besonderen Teils des StGB angesprochene Gemeingefährlichkeit im Sinn der Tatbestände nach §§ 169 f StGB äußert – auch einer (wenngleich bloß abstrakten) Gefährdung für Leib oder Leben einer (nicht unbedingt größeren, so doch nicht auf konkrete Einzelpersonen beschränkten, mithin) unbestimmten Zahl von Menschen oder einer konkreten Gefahr für fremdes Eigentum in großem Ausmaß (RIS‑Justiz RS0094944 [T9, T10 und T11]; 13 Os 93/15y mwN und Auseinandersetzung mit teilweise abweichenden Literaturmeinungen).

Das

Ausmaß der Sachgefahr wird anhand des Wertes der betroffenen Gegenstände sowie der räumlichen Ausdehnung des Feuers beurteilt. Der Wert orientiert sich dabei an der zweiten Wertgrenze der Vermögensdelikte des StGB von (seit dem StRÄG 2015; BGBl I 2015/112) aktuell 300.000 Euro (Fabrizy, StGB12 § 169 Rz 8; Murschetz in WK² StGB § 169 Rz 9; 176 Rz 4; RIS‑Justiz RS0094935 [T4, T5]; zu § 176 StGB vgl auch 14 Os 116/11g, 14 Os 127/11z).

Die eben dargestellte Gefahrenherbeiführung muss vom (zumindest bedingten) Vorsatz des Täters erfasst sein (vgl erneut 13 Os 93/15y und Fabrizy, StGB12 § 169 Rz 8).

Die Urteilskonstatierungen zur subjektiven Tatseite, wonach der Angeklagte „an fremden Sachen … ohne Einwilligung der Eigentümer eine Feuersbrunst verursachen“ wollte (US 5 f), decken zwar die Vorsätzlichkeit des Brandlegungsaktes im engeren Sinn, lassen aber im Hinblick auf Art und Umfang des – intendierten – Schadensfeuers die Annahme des erwähnten, im Sinn des Tatbestandmerkmals einer Feuersbrunst weiters erforderlichen subjektiven Unrechtselements nicht erkennen und vermögen solcherart die Subsumtion der Tat weder unter §§ 15, 169 Abs 1 StGB noch unter §§ 125 ff StGB zu tragen (vgl 13 Os 54/06z; 13 Os 93/15y; 11 Os 46/16y).

Dieser Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des gesamten Urteils (zur Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg vgl RIS‑Justiz RS0101303) bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) samt Rückverweisung der Sache an das Erstgericht.

Darauf waren der Angeklagte mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung zu verweisen.

Durch die Aufhebung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung entfällt die Kostenersatzpflicht des Angeklagten (Lendl,WK‑StPO § 390a Rz 4, 7).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte