OGH 2Ob37/17f

OGH2Ob37/17f28.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M* L*, vertreten durch Dr. Armin Exner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde *, vertreten durch Dr. Thomas Girardi, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 29.461,04 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 22.377,04 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Dezember 2016, GZ 2 R 141/16a‑47, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117832

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision macht geltend, dass eine zu den Stufen eines Sitzbrunnens führende Rampe entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts als Weg oder zumindest als eine im Zug eines Weges befindliche Anlage zu qualifizieren sei, was zur Beurteilung der Haftung der Beklagten nach § 1319a ABGB führe. Diese Frage kann aber offen bleiben, weil die stattgebende Entscheidung des Berufungsgerichts auch unter dieser Prämisse zu bejahen wäre:

Welche Maßnahmen der Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich gemäß § 1319a Abs 2 letzter Satz ABGB danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist (RIS‑Justiz RS0030202 [T2]; RS0087605 [T1, T2]; RS0087607 [T6]). Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um eine gefahrlose Benützung gerade dieses Weges sicherzustellen (RIS‑Justiz RS0087607; vgl insb 4 Ob 72/01v zu unvermuteten Hindernissen). Grobe Fahrlässigkeit liegt in diesem Zusammenhang vor, wenn die gebotene Sorgfalt in ungewöhnlicher Weise verletzt wird und der Eintritt des Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen ist (RIS‑Justiz RS0030171). Das gilt insbesondere dann, wenn der Halter die Gefährlichkeit einer bestimmten Stelle des Weges kannte und eine zumutbare Behebung unterblieb (RIS‑Justiz RS0030171 [T4]; vgl zur Annahme grober Fahrlässigkeit bei Untätigkeit trotz bekannter Gefährlichkeit auch 2 Ob 235/15w; 2 Ob 120/07x; 2 Ob 53/02m).

Im konkreten Fall liegt der Brunnen mit der strittigen Rampe in einer viel begangenen Fußgängerzone; die Höhendifferenz zwischen Rampe und umgebender Fahrbahn beträgt bis zu 36 cm. Die Rampe steigt nur geringfügig an, wobei auch die links und rechts davon liegende Fahrbahn eine Steigung in derselben Richtung aufweist. Daher kann es zumindest bei schlechten Lichtverhältnissen oder starkem Fußgängerverkehr, insbesondere bei Veranstaltungen, leicht dazu kommen, dass Passanten die Rampe betreten und auch schräg zur Steigung begehen, ohne das zu bemerken. In einem solchen Fall ist ein Hinabstolpern mit potentiell schweren Verletzungsfolgen geradezu wahrscheinlich. Die Revision nimmt in diesem Zusammenhang nicht zur Argumentation des Berufungsgerichts Stellung, dass es vor dem strittigen Unfall bereits zwei vergleichbare Vorfälle gegeben hatte, die der Beklagten zur Kenntnis gebracht worden waren. Dabei hatte sie auf den ersten dieser Vorfälle nur durch das Anbringen einer schwarzen – und damit bei schlechten Lichtverhältnissen ebenfalls nicht besonders auffälligen – Markierung auf dem grauen Granitbelag reagiert. Eine ausreichende Absicherung lag darin nicht.

Unter diesen Voraussetzungen fällt der Beklagten grobe Fahrlässigkeit zur Last. Dies führt zur Zurückweisung der Revision, ohne dass es auf die Qualifikation der Rampe als Werk iSv § 1319 ABGB oder als Weg iSv § 1319a ABGB ankäme.

Stichworte