Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 9. 12. 1993 kam es in S***** zu einem Unfall, bei dem der damals 12‑jährige Franz F***** schwer verletzt wurde. Franz F***** stolperte auf dem Heimweg von der Schule über eine Baumwurzel, die den Asphalt um zirka 10 cm gehoben hatte, und stürzte. Dabei drang ein spitzer Gegenstand in sein rechtes Auge.
Die Zweitklägerin ist Halterin dieses Wegs; sie ist bei der Erstklägerin haftpflichtversichert.
Der Weg wird auf der rechten Seite - in Gehrichtung Franz F***** gesehen - von einem Zaun und einer Hecke begrenzt, wobei die Äste der Hecke einige Zentimeter durch den Zaun ragen. Zaun und Hecke befinden sich auf einer Liegenschaft, die im Alleineigentum der Zweitbeklagten steht. Die Zweitbeklagte bewohnt das auf der Liegenschaft befindliche Haus gemeinsam mit ihrem Ehegatten, dem Erstbeklagten. Der Erstbeklagte schneidet die Hecke jeweils im Herbst. Der Baum, über dessen Wurzel Franz F***** stolperte, steht auf dem Grundstück der Beklagten.
Erst am 14. 12. 1994 zeigte Franz F***** den Unfall beim Gendarmerieposten S***** an. Ein Strafverfahren wurde nicht eingeleitet.
Am 11. 9. 1996 klagte Franz F***** zu 6 Cg 326/96m des Landesgerichts Salzburg die Marktgemeinde S*****, die nunmehrige Zweitklägerin, auf Feststellung, dass sie ihm "für alle Schäden und Zukunftsfolgen" aus dem Unfall vom 9. 12. 1993 hafte; am 6. 11. 1997 dehnte er das Klagebegehren um 100.000 S an Schmerzengeld und 30.000 S an Verunstaltungsentschädigung aus. Er brachte vor, er sei so unglücklich zu Sturz gekommen, dass er mit seinem rechten Auge gegen einen dort vorhandenen desolaten Maschenzaun gefallen sei, sein rechtes Auge sei von einem hervorstehenden Ende des Maschenzauns durchbohrt worden; unfallskausal sei der schlechte Straßenzustand gewesen. Die eingewachsenen Wurzeln eines Baumes hätten den Asphalt um rund 10 cm gehoben. Die Zweitklägerin hätte für die Verkehrssicherheit des Wegs sorgen müssen; der gefährliche Zustand des Wegs sei seit längerem bekannt gewesen.
Die Zweitklägerin beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Für den Maschenzaun, gegen den Franz F***** gefallen sei, seien die Eigentümer des angrenzenden Grundstücks verantwortlich. Die Zweitklägerin verkündete den nunmehrigen Beklagten den Streit. Sie forderte sie auf, auf ihrer Seite dem Verfahren beizutreten, weil sie sich für den Fall, dass ihre Haftung festgestellt werden sollte, an den Eigentümern des Zauns regressieren müsse.
Am 12. 11. 1996 traten die Beklagten dem Verfahren auf Seiten der Zweitklägerin als Nebenintervenienten bei. Sie brachten vor, dass sich Franz F***** nach seinem Vorbringen "sein rechtes Auge deshalb verletzt (habe), weil er aufgrund des mangelhaften Wegzustands gestürzt und gegen einen desolaten Maschenzaun gefallen sei. Wir sind Eigentümer des Zauns. Sollte im vorliegenden Fall die Haftung der beklagten Partei festgestellt werden, kann sie Regressansprüche gegen uns geltend machen."
In der Folge nahmen die Beklagten am Verfahren durch ihren Rechtsvertreter teil. Sie waren bei allen Tagsatzungen vertreten.
Am 6. 3. 1997 vernahm das Gericht Franz F***** als Partei; dieser sagte aus, dass der Maschenzaun unten von einem Stacheldraht begrenzt worden sei, der über die gesamte Zaunlänge hin von unten her weggestanden sei. Er gab an, sicher nicht gegen einen Zweig gefallen zu sein, sondern sich durch den Zaun verletzt zu haben. Sein Freund und Begleiter Matthias E***** sagte am selben Tag aus, dass sich seiner Erinnerung nach sowohl am oberen als auch am unteren Ende des Zauns ein Stacheldraht befunden habe, der stellenweise mit Draht geflickt gewesen sei. Diese Aussage bestätigte der Vater des Unfallopfers. Am 26. 5. 1998 führte das Gericht einen Lokalaugenschein durch. Dabei wurde im Unfallbereich kein Stacheldraht vorgefunden. Dies führte Franz F***** sen auf Reparaturarbeiten nach dem Unfall zurück.
Mit Urteil vom 30. 6. 1998, 6 Cg 326/96m‑38, stellte das Landesgericht Salzburg fest, dass die Zweitklägerin Franz F***** für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 9. 12. 1993 im Umfang von 2/3 hafte und Ersatz zu leisten habe. Das Leistungsbegehren wies es wegen Verjährung ab. Das Gericht stellte (ua) fest:
"Der Unfall ereignete sich im Ortsgebiet S***** auf einem kleinen Asphaltweg, der zwischen der Firma M***** und dem sogenannten S*****haus verläuft. Entlang des Weges auf der Liegenschaft der Ehegatten H***** befinden sich acht alte Fichten. Der vom Kläger benützte Weg ist rund 50 Meter lang und 1,5 bis 2 Meter breit. Der Kläger näherte sich von der Schule herkommend Richtung Marktplatz. Rechtsseitig befand sich der Zaun, gegen den der Kläger stürzte. Unmittelbar an den Zaun schloss ein Bankett an und dann begann erst die Asphaltschicht. Im Bereich der Sturzstelle befand sich eine bis zirka in die Mitte des Asphaltweges unter der Erde verlaufende Wurzel, die den Asphalt um zirka 10 cm erhöhte. Der Zaun bestand aus einem zwischendurch desolaten Maschendrahtzaun, an dessen unterem Ende zusätzlich auch noch Stacheldraht angebracht war...
Zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheins am 26. 5. 1998 wurde hingegen kein asphaltierter Weg mehr vorgefunden, sondern wurde der Weg zur Gänze geschottert. Im Bereich der Unfallstelle war nunmehr keine Erhebung durch eine Wurzel sichtbar. Die Einfriedung zum Grundstück H***** erfolgte durch einen Maschendrahtzaun; Stacheldrahtzaun befindet sich dort keiner mehr.
Zum Unfallszeitpunkt stellte sich der Weg so dar, wie er auf den Lichtbildern 1 bis 3 im Akt BAZ 88/95 der Staatsanwaltschaft Salzburg ersichtlich ist.
Zum Unfallshergang:
Der Kläger benützte diesen Weg am 9. 12. 1993 gegen 16.00 Uhr. Im Bereich der in den Weg eingewachsenen Wurzel (vgl Lichtbild 1 bis 3 im Akt BAZ 88/95) stolperte der Kläger über diese Wurzel und fiel mit dem Kopf gegen den Maschendrahtzaun. Genau an jener Stelle, wo der Kläger mit dem Kopf gegen den Zaun fiel, war dieser defekt. Der Kläger zog sich durch den Sturz eine Verletzung des rechten Auges zu, indem er sich ein Stück des Maschendrahtzauns in das Auge stieß. Zum Unfallszeitpunkt war der Weg trocken und es war noch hell (PV Kläger). Der Kläger ging von der Schule kommend Richtung Marktplatz am rechten Rand des asphaltierten Teiles des Weges (PV Kläger). Sein Freund Matthias E***** ging links von ihm am asphaltierten Wegstück (Zeuge E*****).
Der Weg wird häufig von Schülern benützt...
Der Kläger nahm die Wurzel zwar wahr, stolperte aber dennoch über sie (PV Kläger).
Der Kläger und sein Freund E***** gingen mit schneller Schrittgeschwindigkeit; sie sind jedoch nicht gelaufen (PV Kläger, Zeuge E*****).
Nach dem Unfall wurde der Kläger von seiner Mutter in die Augenabteilung des Landeskrankenhauses S***** gebracht. Die Anzeige wurde erst am 14. 12. 1994 beim Gendarmerieposten S***** erstattet, nachdem die behandelnden Ärzte dem Kläger dazu rieten (Akt BAZ 88/95; Franz F***** sen).
Die Erhöhung des Asphalts durch die unter der Erde verlaufende Wurzel hat sich nicht kurzfristig ergeben, sondern bestand bereits längere Zeit vor dem Unfall (s Beweiswürdigung)."
Rechtlich beurteilte das Landesgericht Salzburg diesen Sachverhalt dahin, dass die Zweitklägerin als Halterin des Wegs hafte, weil sie die in den Weg hineinragende Wurzel nicht beseitigt hatte. Ihr Verhalten sei als grob fahrlässig zu beurteilen, weil sie diesen Zustand lange Zeit habe bestehen lassen.
Das Urteil wurde von Franz F***** wegen der Abweisung des Leistungsbegehrens angefochten; von der Zweitklägerin im stattgebenden Teil. Die Beklagten haben das Urteil nicht angefochten; sie haben auch an der Berufungsverhandlung nicht teilgenommen.
Das Oberlandesgericht Linz gab als Berufungsgericht zu 4 R 194/98x keiner der beiden Berufungen in der Hauptsache Folge. Zur Berufung der Zweitklägerin führte es aus, dass sich der Weg durch die Erhöhung des Asphaltbelags um 10 cm durch eine Wurzel in einem mangelhaften Zustand befunden habe. Letztlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Weg auf der rechten Seite mit einem desolaten Maschendrahtzaun mit am unteren Ende angebrachtem Stacheldraht begrenzt gewesen sei. Es müsse daher von einer Mangelhaftigkeit des Wegs im konkreten Fall ausgegangen werden. Den Leuten der Zweitklägerin sei die Gefährlichkeit des Wegs aufgrund der 10 cm hohen Erhebung der Asphaltdecke im Zusammenhang mit dem gefährlichen Zaun bekannt gewesen. Damit sei der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit begründet. Der eingetretene Schaden sei nicht atypisch, weil eine Augenverletzung als Folge eines Sturzes auf einem schmalen Weg, an den sich ein desolater Maschendrahtzaun samt Stacheldrahtergänzung anschließe, nicht ungewöhnlich sei, wenn kein ausreichender Sturzraum zur Verfügung stehe.
Die von Franz F***** gegen die Bestätigung der Abweisung seines Leistungsbegehrens erhobene außerordentliche Revision wies der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 28. 4. 1999, 7 Ob 94/99w, zurück.
In der Folge ersetzte die Erstklägerin als Haftpflichtversicherin der Zweitklägerin 127.564 S an Kosten des Verfahrens vor dem Landesgericht Salzburg. Am 4. 12. 1996 klagte die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter als Sozialversichererin Franz F***** die Zweitklägerin auf Zahlung von 69.188 S sA und auf Feststellung, dass die Zweitklägerin für alle unfallskausalen künftigen Heilbehandlungskosten Franz F***** hafte. In diesem Verfahren einigten sich die Streitteile auf eine Zahlung der Erstklägerin von 59.341 S an die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter.
Im vorliegenden Verfahren begehren die Klägerinnen 93.452,50 S und die Feststellung, dass die Beklagten der Erstklägerin zur ungeteilten Hand für 50 % aller Zahlungen und Aufwendungen haften, die die Erstklägerin deshalb zu erbringen hat, weil die Zweitklägerin dem mj Franz F***** jun für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 9. 12. 1993, der sich auf dem Weg zwischen der Firma M***** und dem sogenannten S*****haus in S***** ereignete, im Umfang von 2/3 haftet und Ersatz zu leisten hat, und die Erstklägerin auf Grund des zwischen ihr und der Zweitklägerin abgeschlossenen Versicherungsvertrags verpflichtet ist, der Zweitklägerin bis zur Höhe des Betrags von 15,000.000 S Versicherungsdeckung für diesen Schadensfall zu gewähren, sowie die Feststellung, dass die Beklagten der Zweitklägerin zur ungeteilten Hand im Ausmaß von 50 % für sämtliche Zahlungen und Aufwendungen haften, die die Zweitklägerin deshalb zu erbringen hat, weil sie dem mj Franz F***** jun für alle künftigen Schäden aus dem Unfall vom 9. 12. 1993, der sich auf dem Weg zwischen der Firma M***** und dem sogenannten S*****haus in S***** ereignete, im Umfang von 2/3 haftet und Ersatz zu leisten hat; dies insoweit, als die Ansprüche der Zweitklägerin gegenüber den Beklagten nicht gemäß § 67 VersVG auf die Erstklägerin übergegangen sind. Das Verschulden der Beklagten sei gleich hoch zu bewerten wie das der Zweitklägerin; hätten die Beklagten den Zaun regelmäßig gewartet, so hätte sich Franz F***** nicht verletzt. Der Erstbeklagte hafte als Besitzer der Liegenschaft. Die Beklagten seien an die Feststellungen des Landesgerichts Salzburg im Verfahren 6 Cg 326/96m gebunden.
Die Beklagten beantragen, das Klagebegehren abzuweisen. Die Feststellungen über den Zustand des Zauns seien nicht bindend, weil dazu im vorangegangenen Verfahren keine Beweise aufgenommen worden seien. Der Zustand des Zauns habe für die Frage der Wegehalterhaftung keine wesentliche Rolle gespielt. Das rechtliche Gehör der Beklagten sei nicht ausreichend gewahrt gewesen, weil erst das Berufungsgericht die Haftung der Zweitklägerin auch mit dem Zustand des Zauns begründet habe.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, dass die Beklagten schadhafte Stellen des seit mehr als 40 Jahren bestehenden Zauns ausgebessert hätten. Im Unfallstellenbereich sei kein Stacheldraht gespannt gewesen. Dass der Zaun in diesem Bereich schadhaft oder gar desolat gewesen sei, stehe nicht fest. Ebensowenig stehe fest, in welchem Bereich Franz F***** gegen den Zaun gestoßen sei und ob er sich das Auge durch ein Stück Draht oder durch einen herausragenden abgeschnittenen Ast verletzt habe. Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass der Erstbeklagte als Besitzer des Zauns zwar passiv legitimiert sei, dass aber die Haftung beider Beklagten zu verneinen sei, weil ungeklärt geblieben sei, ob Franz F***** ein Stück Draht oder ein Ast in das Auge gedrungen sei. Eine Bindung an den im vorangegangenen Verfahren festgestellten Sachverhalt bestehe nicht. Gegenstand jenes Verfahrens sei die Wegehalterhaftung der Zweitklägerin gewesen. Dafür sei der Zustand des Wegs wesentlich gewesen; worin die unmittelbare Verletzungsursache bestanden habe, sei ohne Bedeutung gewesen. Es sei zwar richtig, dass das Berufungsgericht mehrfach auf den schlechten Zustand des Zauns hingewiesen habe. Den Beklagten sei aber insoweit kein unbeschränktes rechtliches Gehör gewährt worden, weil die Entscheidung im Tatsachenbereich nicht mehr anfechtbar gewesen sei.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil als nichtig auf, verwies die Rechtssache an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 260.000 S übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Notwendige Elemente der Entscheidung im vorangegangenen Verfahren seien der "mangelhafte Zustand des Wegs" und das "grobe Verschulden der Zweitklägerin bzw ihrer Leute". Die Zweitklägerin wäre nicht verurteilt worden, wäre der Zaun nicht desolat gewesen und hätte sich Franz F***** nach seinem Stolpern und Stürzen auf andere Weise verletzt. Das Wort "Zustand" in § 1319a Abs 1 ABGB bringe zum Ausdruck, dass nicht nur für den Weg selbst im engeren Sinne, sondern für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn gehaftet werde. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit der Zweitklägerin sei begründet gewesen, weil sie in Kenntnis der Gesamtsituation im Unfallsbereich über längere Zeit hindurch keine Maßnahmen zur Gefahrenbeseitigung ergriffen habe. Die Beklagten könnten sich im vorliegenden Verfahren daher nicht darauf berufen, dass der Zaun nicht mangelhaft gewesen sei. Die Feststellungen über die Mängel des Zauns seien praktisch aufgrund übereinstimmenden Vorbringens der Parteien getroffen worden; die Beklagten als (damalige) Nebenintervenienten seien dem nie entgegengetreten. Den Beklagten hätte die Bedeutung dieser Feststellungen ungeachtet dessen bewusst sein müssen, dass das Erstgericht im vorangegangenen Verfahren die Wegehalterhaftung der Zweitklägerin allein aufgrund der in den Weg hineinragenden Wurzel bejaht hatte. Maßgebend seien nicht die Rechtsausführungen im Vorprozess, sondern maßgebend sei, ob Tatsachenfeststellungen die Rechtsposition des Nebenintervenienten belasteten. Die Beklagten hätten daher im erstinstanzlichen Verfahren entsprechendes Vorbringen erstatten können und müssen. Ihr rechtliches Gehör sei nicht beschränkt gewesen. Daraus folge die Bindung an die Feststellungen, der Maschendrahtzaun sei zwischendurch desolat gewesen, am unteren Ende sei zusätzlich auch noch Stacheldraht angebracht gewesen, der Maschendrahtzaun sei genau an jener Stelle, wo Franz F***** mit dem Kopf gegen den Zaun gefallen sei, defekt gewesen und Franz F***** habe sich durch den Sturz eine Verletzung des rechten Auges insofern zugezogen, als er sich ein Stück des Maschendrahtzauns in das Auge gestoßen habe. Soweit das Erstgericht gegenteilige Feststellungen getroffen oder ausgesprochen habe, keine Feststellungen zu treffen, sei das Urteil als nichtig aufzuheben. Gleichzeitig sei eine Verfahrensergänzung aufzutragen, weil das Erstgericht wesentliche Fragen nicht erörtert habe und offen geblieben sei, auf welche Rechtsgrundlage die Klägerinnen die Haftung der Beklagten stützen. Für eine - allenfalls in Frage kommende - Haftung der Beklagten nach § 1319 ABGB sei maßgebend, in welcher Form der Zaun desolat gewesen sei. Die Haftung der Beklagten finde ihre Grenze in der Zumutbarkeit und dürfe nicht überspannt werden.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diesen Beschluss gerichtete Rekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Nach der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 70/60 (= ARD 4849/33/97 = ecolex 1997, 422 = immolex 1997/110 = JAP 1997/98 = JBl 1997, 368 = MietSlg 49.658) erstrecken sich die Wirkungen eines materiell rechtskräftigen zivilgerichtlichen Urteils so weit auf den einfachen Nebenintervenienten und denjenigen, der sich am Verfahren trotz Streitverkündigung nicht beteiligte, als diese Personen als Parteien eines als Regressprozess geführten Folgeprozesses keine rechtsvernichtenden oder rechtshemmenden Einreden erheben dürfen, die mit den notwendigen Elementen der Entscheidung des Vorprozess in Widerspruch stehen. In diesem Rahmen sind sie daher an die ihre Rechtsposition belastenden Tatsachenfeststellungen im Urteil des Vorprozesses gebunden, sofern ihnen in jenem Verfahren so weit unbeschränktes rechtliches Gehör zustand. Die materielle Rechtskraft erstreckt sich damit auf die Tatsachenfeststellungen jedenfalls so weit, als diese der Individualisierung des Urteilsspruchs dienen, genauer gesagt: als diese zur Individualisierung des Spruchs notwendig sind (EvBl 1999/16 = RdW 1998, 670 = ecolex 1998, 912; EvBl 2000/80). Maßgebend ist daher, ob die im Vorprozess getroffenen Feststellungen für das Ergebnis der dort gefällten Entscheidung notwendig waren oder ob auch bei Wegfall dieser Tatsachenannahmen das gleiche Prozessergebnis erzielt worden wäre. Bei dieser Prüfung kann es nicht auf die rechtliche Begründung der (letztinstanzlichen) Entscheidung im Vorprozess, sondern allein auf die objektiv richtige rechtliche Beurteilung ankommen. Jede andere Auffassung wäre mit Art 6 Abs 1 MRK nicht in Einklang zu bringen. Im Fall ihres Obsiegens steht einer Partei (und ihrem Nebenintervenienten) nämlich ‑ von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen ‑ mangels Beschwer kein Rechtsmittelrecht zu (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 11 Vor § 461 mwN aus der Rechtsprechung). Unterliegt aber eine Partei im Vorprozess ‑ in welchem Fall allein ein Rückgriffsanspruch gegen den Nebenintervenienten in Frage kommt ‑, ist weder sie noch ihr Nebenintervenient dann gehalten, ein Rechtsmittel zu ergreifen, wenn die Entscheidung im Ergebnis ‑ bei richtiger rechtlicher Beurteilung ‑ zutreffend ist, kann doch niemandem zugemutet werden, sehenden Auges ein aussichtsloses und daher mit entsprechenden Kostenfolgen (§§ 41, 50 Abs 1 ZPO) verbundenes Rechtsmittel zu ergreifen, nur um zu erreichen, dass das Gericht höherer Instanz die gerügten Feststellungen oder Rechtsausführungen für unrichtig oder - viel wahrscheinlicher ‑ für unerheblich erklärt, weil die angefochtene Entscheidung ohnehin aus anderen Gründen zu bestätigen ist. Das gilt im besonderen Maße dann, wenn nur ein außerordentliches Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof zur Verfügung stünde, das gemäß § 510 Abs 3, § 528a ZPO ohne Begründung zurückgewiesen werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs 1, § 528 Abs 1 ZPO nicht vorliegen. Selbst wenn mit dem Hinweis auf die Unrichtigkeit der von der Vorinstanz gewählten Begründung eine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt wird, muss ja der Rechtsmittelwerber gewärtigen, dass sein außerordentliches Rechtsmittel deshalb begründungslos zurückgewiesen wird, weil die Entscheidung von der Lösung dieser Frage in Wahrheit nicht abhängt.
Das Berufungsgericht hat im vorliegenden Fall die im Vorprozess getroffenen Feststellungen über den Zustand des Zauns als im Sinne dieser Rechtsprechung "notwendige Elemente" der Entscheidung des Vorprozesses gewertet. Die Beklagten halten dem entgegen, dass die Beschaffenheit des Zauns im Vorprozess nicht entscheidungserheblich gewesen sei. Wesentlich sei nur gewesen, ob Franz F***** wegen des mangelhaften Zustands des Wegs gestürzt war und sich verletzt hatte. Das Berufungsgericht habe im Vorprozess die Wegehalterhaftung nur hilfsweise mit dem Zustand des Zauns begründet.
Ob die Ausführungen des Berufungsgerichts im Vorprozess tatsächlich dahin zu verstehen sind, dass die Wegehalterhaftung der Gemeinde nur hilfsweise mit dem desolaten Zustand des Zauns begründet werde, kann offenbleiben. Die Qualifikation von Tatsachenfeststellungen als notwendige Elemente der Entscheidung im Vorprozess hängt nach dem oben Gesagten davon ab, ob die Feststellungen bei richtiger rechtlicher Beurteilung für die Entscheidung maßgebend sind, ob also die Haftung der Gemeinde bei richtiger rechtlicher Beurteilung auch bei Fehlen der Feststellungen zu bejahen gewesen wäre, auf die die Haftung des Regresspflichtigen gestützt wird, noch ob die Feststellungen über den desolaten Zustand des Zauns für die Wegehalterhaftung der Gemeinde ausschlaggebend waren.
Das Berufungsgericht hat gemeint, dass § 1319a Abs 1 ABGB auf den "Zustand" des Wegs abstelle und damit zum Ausdruck bringe, dass nicht nur für den Weg selbst im engeren Sinn, sondern für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn gehaftet werden soll. Ob das Verhalten des Halters als grob fahrlässig zu beurteilen sei, hänge von der Gesamtsituation im Unfallbereich ab.
Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass es Fälle geben kann, in denen das Belassen eines mangelhaften Wegezustands nur wegen der Gesamtsituation im Unfallbereich als grob fahrlässig zu beurteilen ist. Im vorliegenden Fall liegen die Dinge anders: Der mangelhafte Zustand des Wegs bestand darin, dass eine unter der Asphaltdecke verlaufende Baumwurzel den Asphalt um zirka 10 cm gehoben hatte, so dass eine Art Schwelle entstanden war, die nicht zu vermuten und bei schlechten Sichtbedingungen wohl auch kaum zu erkennen war. Ein derartiges unvermutetes Hindernis musste es geradezu wahrscheinlich erscheinen lassen, dass Passanten stolperten, stürzten und sich dabei verletzten. Das Belassen dieses Zustands durch lange Zeit ist daher unabhängig davon als grobe Fahrlässigkeit zu beurteilen, ob der an den Weg anschließende Zaun desolat war und die Verletzungsgefahr noch erhöhte.
Daraus folgt, dass die im Vorprozess getroffenen Feststellungen über die Beschaffenheit des Zauns insoweit keine "notwendigen Elemente" der Entscheidung sind, als die Wegehalterhaftung der beklagten Gemeinde bejaht wurde. "Notwendige Elemente" dieser Entscheidung sind die Feststellungen über die Wegehaltereigenschaft der Zweitklägerin, den Zustand des Wegs, das Belassen dieses Zustands durch lange Zeit und die Feststellungen über die Verletzungen, die sich Franz F***** bei seinem Sturz zugezogen hat. Nur diese Feststellungen sind "notwendig", um die Wegehalterhaftung der Zweitklägerin für den Schaden Franz F***** bejahen zu können; nicht aber auch andere Feststellungen, auch wenn sie den (natürlichen) Kausalverlauf betreffen. So hat sich - nach den Feststellungen im Vorprozess - Franz F***** am Auge verletzt, weil er über die Baumwurzel gestolpert ist und ihm dabei ein vom Zaun wegstehender Draht in das Auge gedrungen ist. Beide Ursachen sind gemeinsam wirksam geworden; die Zweitklägerin hat aber schon deshalb für den Schaden einzustehen, weil sie als Halterin des Wegs mit dem Belassen der durch die Baumwurzel hervorgerufenen Erhebung grob fahrlässig gehandelt hat.
In diesem Sinn hat das Erstgericht im Vorprozess auch entschieden. Für die Beklagten bestand daher kein Anlass, die Entscheidung zu bekämpfen. Hätten sie dennoch gegen das Urteil berufen und die Feststellungen über den desolaten Zustand des Zauns bekämpft, so hätte sich das Berufungsgericht bei richtiger rechtlicher Beurteilung mit ihrer Beweisrüge nicht zu befassen gehabt, weil es für die Entscheidung unerheblich war, ob der Zaun die festgestellten Mängel aufgewiesen hat. Die Haftung der Zweitklägerin als Wegehalterin war unabhängig davon zu bejahen, welcher Gegenstand - ob ein wegstehender Draht oder sonst ein spitzer Gegenstand - Franz F***** ins Auge gedrungen war. Den Beklagten stand daher insoweit im Vorprozess kein unbeschränktes rechtliches Gehör zu. Auch aus diesem Grund sind die sie belastenden Feststellungen über den Zustand des Zauns für das vorliegende Verfahren nicht bindend und das Berufungsgericht hat die ihnen entgegenstehenden Feststellungen zu Unrecht als nichtig aufgehoben.
Die Klägerinnen haben diese Feststellungen nicht nur als nichtig, sondern auch als unrichtig bekämpft. Das Berufungsgericht hat sich mit ihrer Beweisrüge nicht befasst, weil die Feststellungen nach seiner - vom erkennenden Senat nicht geteilten - Rechtsauffassung als nichtig aufzuheben waren. Es wird die Beweisrüge nunmehr zu erledigen haben; erst danach kann beurteilt werden, ob die von ihm aufgetragenen Verfahrensergänzungen notwendig sind.
Dem Rekurs war Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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