OGH 9ObA17/17s

OGH9ObA17/17s24.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Horst Nurschinger als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dipl.‑Ing. J***** R*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei P*****, vertreten durch Kosch & Partner Rechtsanwälte GmbH in Eisenstadt, wegen 24.611,69 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 20. Dezember 2016, GZ 8 Ra 32/16h‑43, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00017.17S.0324.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Dienstnehmer kann während des aufrechten Dienstverhältnisses auf unabdingbare Ansprüche nicht wirksam verzichten. Er kann sich jedoch über an sich unverzichtbare Ansprüche auch während des aufrechten Dienstverhältnisses wirksam vergleichen, wenn dadurch strittige oder zweifelhafte Ansprüche bereinigt werden; ein solcher Vergleich kann nur nach den allgemeinen Regeln angefochten werden (RIS‑Justiz RS0029958).

Die Auslegung einer Vereinbarung und ebenso die sich daraus ergebende Qualifikation als Vergleich stellt regelmäßig eine Beurteilung im Einzelfall dar (vgl RIS‑Justiz RS0042776; RS0113785). Allein der Umstand, dass die zu lösenden Fragen in einer größeren Zahl von Fällen auftreten können, bewirkt ebensowenig wie der Umstand, dass mehrere Dienstnehmer gleichartige Vereinbarungen abgeschlossen haben, das Vorliegen einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042816). Auch eine die Zulässigkeit der Revision begründende krasse Fehlbeurteilung zeigt die außerordentliche Revision des Klägers nicht auf:

Die strittige Vereinbarung (der Vergleich) wurde zwischen dem Kläger (und auch anderen Dienstnehmern) und seiner Dienstgeberin über Initiative des Betriebsrats zur Klarstellung der Sach- und Rechtslage abgeschlossen. Durch eine gerichtliche Entscheidung hatte sich nämlich herausgestellt, dass die Dienstnehmer einen Anspruch auf eine Abfertigung haben. Dies hätte aber nach dem festgestellten Sachverhalt zu einem der bisherigen betrieblichen Übung widersprechenden und auch vom Dienstgeber und von den Dienstnehmern unerwünschten Doppelbezug von Abfertigung und Ruhegenuss der pragmatisierten Beschäftigten geführt. Nachdem der Betriebsrat und die Dienstgeberin des Klägers unterschiedliche rechtliche Vorstellungen darüber hatten, wie dieser Doppelbezug vermieden werden konnte, wurde diese unklare Rechtslage schließlich durch eine Vereinbarung bereinigt und verglichen. Mit dieser Vereinbarung wurde den betroffenen Dienstnehmern zwar die steuerlich begünstigte Abfertigung in voller Höhe zuerkannt, sie verzichteten aber dafür im Gegenzug auf die Auszahlung des Ruhegenusses für den gesamten Abfertigungszeitraum. Das Nachgeben der Dienstgeberin lag in dieser Vereinbarung darin, dass sie ihren Rechtsstandpunkt, die Abfertigung würde durch den Ruhegenuss vollkommen aufgerechnet, sodass den Dienstnehmern der Ruhegenuss weit über den Abfertigungszeitraum hinaus nicht ausbezahlt würde, aufgab.

Mit seiner Behauptung, das mit dem Vergleich verglichene Recht sei gar nicht zweifelhaft gewesen und es sei nicht Ziel des Vergleichs gewesen, strittige Punkte zu klären, weicht der Revisionswerber vom festgestellten Sachverhalt des Erstgerichts ab. Insoweit ist die Revision auch nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl RIS‑Justiz RS0043603 [T2, T8]; RS0043312).

Die Sachverhaltsfeststellungen des Erstgerichts tragen auch eine Anfechtung des Vergleichs wegen Irrtums des Klägers und arglistiger Irreführung durch die Beklagte nicht.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen.

Stichworte