OGH 5Ob8/17p

OGH5Ob8/17p1.3.2017

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragstellerin W*, geboren am 24. März 1965, *, vertreten durch Waitz Obermühlner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Vormerkung des Eigentumsrechts und Einverleibung der Löschung eines Vorkaufsrechts ob der Liegenschaft EZ * KG *, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 13. Oktober 2016, AZ 32 R 77/16y, mit dem infolge Rekurses der Einschreiterin Stadtgemeinde Leonding, vertreten durch den Bürgermeister Mag. W*, vertreten durch Hengstschläger Lindner Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, der Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 3. Juni 2016, TZ 2872/2016 abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117845

 

Spruch:

Der ordentliche Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Liegenschaft EZ * KG * stand im Alleineigentum des am 3. 8. 2013 verstorbenen S*. Ob dieser Liegenschaft war zugunsten der Stadtgemeinde L* unter CLNr 4a das Vorkaufsrecht bis 31. 12. 2034 einverleibt. Die erbantrittserklärten Erben nach S*, G* und M*, verkauften die Liegenschaft samt der darauf errichteten „Buschenschank“ mit Kaufvertrag vom 23. 7. 2015 um einen pauschalen Gesamtkaufpreis von 550.000 EUR an W*. Unter Punkt III heißt es im Kaufvertrag wörtlich:

Der Vertrag ist

a) aufschiebend bedingt durch die abhandlungsgerichtliche Genehmigung und

b) aufschiebend bedingt durch die Erlassung eines Feststellungsbescheides der zuständigen Grundverkehrsbehörde, dass der gegenständliche Rechtserwerb keiner Genehmigung bedarf bzw. einer allfälligen Genehmigung und

c) auflösend bedingt mit der Ausübung des grundbücherlich sichergestellten Vorkaufsrechtes durch die Stadtgemeinde Leonding (CLNr 4a).

Unter Berufung auf diesen Kaufvertrag, den Beschluss über dessen verlassenschaftsgerichtliche Genehmigung samt Rechtskraftbestätigung, ein vom öffentlichen Notar Dr. Gernot Aicher verfasstes Protokoll über die Bekanntmachung des Anbots an die Vorkaufsberechtigte vom 29. 3. 2016 und deren Antwort vom 29. 4. 2016 sowie eines Bescheids der Agrarbehörde Oberösterreich samt Rechtskraftbestätigung beantragte W* die Vormerkung ihres Eigentumsrechts an dieser Liegenschaft sowie die Einverleibung der Löschung des unter CLNr 4a einverleibten Vorkaufsrechts.

Der Bescheid der Agrarbehörde Oberösterreich vom 14. 3. 2016, Geschäftszeichen LNO‑158906/3‑2016‑KIS enthält folgenden Spruch:

I. Es wird festgestellt, dass der zwischen der Verlassenschaft nach Herrn S*, vertreten durch Herrn G*, …., und Herrn M*, …, einerseits und Frau W*, …, andererseits abgeschlossene Flurbereinigungsvertrag vom 23. 7. 2015 hinsichtlich der Liegenschaft EZ * GB * mit dem Grundstück Nr. *, für die Durchführung der Flurbereinigung im Sinn der §§ 1 und 28 Oö. FLG 1979 idgF erforderlich ist.

Rechtsgrundlage:

§§ 28 und 30 Abs 1 des Oö. Flurverfassungs‑Landesgesetzes 1979 (Oö. FLG 1979), LGBl Nr. 73 idgF.

II. Das unter Spruchabschnitt I. genehmigte Rechtsgeschäft widerspricht nicht den Zielsetzungen des § 1 Abs 1 Oö. Grundverkehrsgesetz 1994.

Rechtsgrundlage:

§ 1 Abs 3 Z 3 des Oö. Grundverkehrsgesetzes 1994 (Oö GVG 1994) idgF.

Das Erstgericht bewilligte die begehrten Eintragungen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Vorkaufsberechtigten Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts in eine Antragsabweisung ab. Die Parteien des Kaufvertrags hätten ausdrücklich das Vorliegen eines Bescheids der Grundverkehrsbehörde zur aufschiebenden Bedingung erklärt. Die Bestimmungen des Vertrags seien vom Grundbuchsgericht wörtlich auszulegen. Durch die Vorlage des Bescheids der Agrarbehörde Oberösterreich sei die Bedingung nach Punkt III.b des Kaufvertrags nicht erfüllt. Auch wenn aus § 1 Abs 3 Z 3 oö Grundverkehrsgesetz (oöGVG) abzuleiten sei, dass es eine Genehmigung der Grundverkehrsbehörde nicht brauchen werde, stehe der Grundverkehrsbehörde die Erlassung eines Feststellungsbescheids im Sinn des § 11 oöGVG offen. Der Bedingungseintritt könne nur auf diese Weise erreicht werden. Da der durch die aufschiebende Bedingung bestehende Schwebezustand nach wie vor vorliege, sei auch eine Löschung des Vorkaufsrechts noch nicht möglich. Schon mangels Vorkaufsfall sei auf die im Rekurs angesprochene Frage der ordnungsgemäßen Anbietung und Einlösung nicht mehr einzugehen.

Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht mit der Begründung zu, es gebe keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob der Bescheid der Agrarbehörde den Feststellungsbescheid der Grundverkehrsbehörde ersetze, dies nicht nur im Hinblick auf die gesetzliche grundverkehrsrechtliche Genehmigungs‑bedürftigkeit, sondern auch im Hinblick auf die von den Parteien vereinbarte aufschiebende Bedingung des Kaufvertrags.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen bewilligenden Entscheidung. Die Antragstellerin macht im Wesentlichen geltend, die Agrarbehörde sei hier die zuständige Grundverkehrsbehörde, zumal der Kaufvertrag gemäß § 1 Abs 3 Z 3 oöGVG den Bestimmungen dieses Gesetzes gar nicht unterliege. Ein Genehmigungsbescheid scheide aus. Da die Bezirksgrundverkehrskommission für den Bezirk Linz‑Land bei der Oberösterreichischen Landesregierung eingerichtet sei, liege ohnedies ein Genehmigungsbescheid der zuständigen Grundverkehrsbehörde vor. Die Auslegung des Wortlauts der Vertragsbestimmung führe entgegen der Ansicht des Rekursgerichts zwingend zum Schluss, dass ein Bescheid der Agrarbehörde für einen Bedingungseintritt ausreichend sei. Im Übrigen befasst sich der Revisionsrekurs auch mit vom Rekursgericht nicht behandelten Rekursargumenten.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist– entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) Ausspruch des Rekursgerichts – unzulässig:

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist es im Rahmen der Verpflichtung des Grundbuchsgerichts zur genauen Prüfung des Ansuchens und dessen Beilagen (§ 94 Abs 1 GBG) seine Aufgabe zu prüfen, ob der Urkundeninhalt nicht nur in formeller Beziehung unbedenklich erscheint, sondern auch in materiell‑rechtlicher Hinsicht frei von Zweifel ist. Ein Ansuchen kann somit nur dann bewilligt werden, wenn der Urkundeninhalt auch bezüglich der materiell‑rechtlichen Fragen keinerlei Zweifel aufkommen lässt. Es ist dem Grundbuchsgericht verwehrt, eine undeutliche und zu begründeten Zweifel Anlass gebende Urkunde auszulegen. Durch den Inhalt der Urkunden erweckte, nicht restlos beseitigte Zweifel haben zur Abweisung des Grundbuchsgesuchs zu führen (RIS‑Justiz RS0060573; RS0060878). Es ist nicht Aufgabe des Grundbuchsgerichts, eine Auslegung zu finden, die eine unklare „Bedingung“ sinnvoll erscheinen lässt. In Spekulationen darüber, wie eine beurkundete Erklärung tatsächlich gewollt war, hat sich der Grundbuchsrichter nicht einzulassen. Die Wahl einer Auslegung zwischen mehreren in Betracht kommenden Möglichkeiten ist dem Grundbuchsgericht verwehrt (RIS‑Justiz RS0060573 [T4, T5, T8]).

1.2. Hier stützte das Rekursgericht seine abweisende Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass es den Vertragspunkt III lit b nach dem Wortsinn dahingehend auslegte, dass die Vertragsparteien die Vorlage eines Bescheids der Grundverkehrsbehörde (entweder Genehmigungs‑ oder Feststellungsbescheid) zur aufschiebenden Bedingung des Kaufvertrags erklärt hätten.

2.1. Fragen der Vertragsauslegung kommt in der Regel keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu, wenn keine auffallende Fehlbeurteilung, also eine krasse Verkennung der Auslegungsgrundsätze vorliegt, die im Interesse der Rechtssicherheit wahrgenommen werden muss (RIS‑Justiz RS0112106 [T1, T6]). Bildet eine Auslegungsfrage die Grundlage für eine Rechtsrüge im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG, genügt es nicht, Argumente vorzutragen, die eine andere Auslegungsmöglichkeit aufzeigen sollen, es müsste vielmehr dargetan werden, dass jene Auslegung, die das Rekursgericht vorgenommen hat, allenfalls bestehenden Auslegungsregeln widerspricht, unlogisch oder mit den Sprachregeln unvereinbar ist (RIS‑Justiz RS0085615). Dies gilt auch für die Auslegung von Urkunden im Grundbuchsverfahren. Die vom Rekursgericht vertretene Rechtsansicht ist aber keineswegs unvertretbar, dies aus folgenden Erwägungen:

2.2. Dass die Parteien des Kaufvertrags mit dessen Punkt III lit b die Vorlage des dort genannten Bescheids auch rechtsgeschäftlich zur aufschiebenden Bedingung erhoben haben – sodass es sich hier nicht nur um einen überflüssigen und bedeutungslosen Hinweis auf die Rechtsbedingung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung handelt (RIS‑Justiz RS0038627 [T4]) –, zieht die Antragstellerin nicht in Zweifel. Sie meint lediglich, aus der Formulierung „bzw einer allfälligen Genehmigung“ ohne Hinweis auf die zuständige Grundverkehrsbehörde ergebe sich logisch zwingend der Schluss, dass ein Bescheid der Agrarbehörde für den Bedingungseintritt ausreichend sei.

2.3. Aus dem Wortsinn dieser Vertragsbestimmung lässt sich dies aber keineswegs ohne jeglichen begründeten Zweifel ableiten. Dass der Grundbuchsrichter nicht daran gehindert ist, aus Urkunden unmittelbare logische Schlussfolgerungen zu ziehen, ist zwar richtig (vgl 5 Ob 195/13g); dass sich die Vertragsparteien aber jedenfalls mit einem Genehmigungsbescheid der – im Wortlaut nicht erwähnten – Agrarbehörde begnügen wollten, ist aus dem Vertrag aber nicht ohne jeden Zweifel ableitbar.

2.4. Dazu kommt, dass entgegen der Meinung der Antragstellerin die Erlangung eines Feststellungsbescheids im Sinn des § 11 oöGVG nach der nunmehrigen Gesetzeslage sehr wohl möglich erscheint. Zwar nimmt § 1 Abs 3 oöGVG (ua) im Zug von Maßnahmen der Bodenreform vor der Agrarbehörde abgeschlossene und durch sie genehmigte Rechtsgeschäfte unter den dort genannten Voraussetzungen von der Anwendung des oöGVG aus, allerdings enthält § 11 oöGVG (im Gegensatz zur Fassung des § 11 bis zur oöGVG‑Novelle 2002) keine diesbezügliche Einschränkung der grundverkehrsbehördlichen Kognition mehr. § 11 oöGVG sollte vielmehr gerade im Hinblick auf die ab 1. 1. 2003 entfallene Möglichkeit der Negativbestätigung einen Feststellungsbescheid über die grundverkehrsrechtliche Beurteilung eines Grundstücks grundsätzlich ermöglichen (AB 1478/2002 Blg oö LT XXV. GP, zu Art I Z 12 bis 14 sowie Z 15 und 16).Angesichts dieser Rechtslage konnte es für die Parteien durchaus Sinn machen, ungeachtet des Vorliegens eines Genehmigungsbescheids der Agrarbehörde die aufschiebende Bedingung eines Feststellungsbescheids im Sinn des § 11 oöGVG zu vereinbaren. Dass ihnen die Erfüllung dieser Bedingung unmöglich gewesen wäre, behauptet die Antragstellerin nicht.

2.5. Die Lösung der Frage, ob die Vertragsteile die Wirksamkeit des Vertrags nicht (nur) von einer Entscheidung der zuständigen Bezirksgrundverkehrs‑kommission abhängig machen, sondern einen Bedingungeintritt schon in der Genehmigung (oder Feststellung, dass das Geschäft nicht genehmigungsbedürftig ist) der Agrarbehörde sehen wollten, bedarf somit hier letztlich einer Vertragsauslegung im Einzelfall, weil der Wortlaut des Vertragspunktes III lit b nur die Grundverkehrskommission nennt. Die Lösung dieser Zweifelsfrage kann aber nicht im Grundbuchsverfahren als reinem Urkundenverfahren erfolgen.

2.6. Dass der vorgelegte Bescheid der Agrarbehörde jedenfalls als solcher der Grundverkehrsbehörde zu werten wäre, lässt sich unter Berücksichtigung der dargestellten Gesetzeslage des oöGVG aus dem Wortlaut der Vertragsbestimmung somit nicht frei von jedem Zweifel ableiten.

3. Das Argument, die Bezirksgrundverkehrskommission sei für die gegenständliche Liegenschaft ohnedies am Sitz der oö Landesregierung etabliert, die somit als Grundverkehrsbehörde anzusehen sei, ist eine im Grundbuchsverfahren unzulässige Neuerung (§ 122 GBG). Der Antrag erster Instanz nennt als Eintragungsgrundlage ausdrücklich nur einen Bescheid „Flurbereinigung“ und nicht „Grundverkehr“. Außerdem ist gemäß § 25 Abs 1 oöGVG Behörde im Sinn des Landesgesetzes – soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist – die Bezirksgrundverkehrskommission, deren Leiter für den Feststellungsbescheid nach § 11 oöGVG zuständig ist. Lediglich der örtliche Wirkungsbereich, der Sitz und die Geschäftsstelle der Bezirksgrundverkehrskommission wird durch Verordnung der Landesregierung bestimmt. Das Amt der oö Landesregierung ist daher schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des oöGVG nicht mit der Bezirksgrundverkehrskommission bzw deren Leiter gleichzusetzen. Auch das oöFLG bezeichnet die Agrarbehörde nicht etwa als Behörde im Sinn des oöGVG. Auch insoweit ist keine erhebliche Rechtsfrage zu beantworten.

4. Dass mangels zweifelsfreien Nachweises des Eintritts der vereinbarten aufschiebenden Bedingung weder die begehrte Vormerkung (RIS‑Justiz RS0060261 [T2]) noch die Löschung des Vorkaufsrechts (RIS‑Justiz RS0020327) bewilligt werden kann, entspricht der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung.

Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 3 GBG ist der Revisionsrekurs daher unzulässig und zurückzuweisen.

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