OGH 5Ob195/13g

OGH5Ob195/13g17.12.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers F***** L*****, geboren am 4. Februar 1975, *****, vertreten durch Dr. Herbert Margreiter, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Grundbuchseintragungen in der EZ 172 GB *****, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 18. Juli 2013, AZ 53 R 165/13s, womit über Rekurs des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 17. Mai 2013, TZ 21852/2012, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Aufgrund des Übergabsvertrags vom 30. 10. 2012, sowie nach Einsicht in die Selbstberechnung der Grunderwerbssteuer vom 31. 10. 2012, die Amtliche Bescheinigung der Grundverkehrsbehörde vom 22. 10. 2012, Zahl 312/719‑123/2012, sowie die Geburtsurkunde des Antragstellers vom 30. 1. 1978

wird bewilligt :

In der EZ 172 GB *****

Anteil: 1/2

F***** L*****

geboren 1950‑12‑15

Adresse: *****

Anteil: 1/2

A***** L*****

geboren 1951‑11‑21

Adresse: *****

1. die Einverleibung des Eigentumsrechts

für F***** L*****, geboren am 04. 02. 1975, *****,

1/1 aus B‑LNR 1

1/1 aus B‑LNR 2

In der EZ 172 GB *****

die Neueintragung im C‑Blatt

2. die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts gemäß Punkt III. des Übergabsvertrags vom 30. 10. 2012

bezugnehmend auf die folgenden Eintragungen

gemäß Punkt 1

für F***** L*****, geboren am 15. 12. 1950, *****

für A***** L*****, geboren am 21. 11. 1951, *****,

In der EZ 172 GB *****

die Neueintragung im C‑Blatt

3. Einverleibung Belastungs‑ und Veräußerungsverbot gemäß Punkt IV des Übergabsvertrags vom 30. 12. 2012

bezugnehmend auf die folgenden Eintragungen

gemäß Punkt 1

für F***** L***** geboren am 15. 12. 1950, *****,

für A***** L*****, geboren am 21. 11. 1951, *****.

Verständigt wird:

1. Gemeindeamt S***** zu Zahl 312/719‑123/2012

2. zuständiges Finanzamt

3. F***** L*****, geboren am 15. 12. 1950, *****

4. A***** L*****, geboren am 21. 11. 1951, *****

5. F***** L*****, geboren am 4. 2. 1975, *****

6. Dr. Herbert Margreiter, Rechtsanwalt in Salzburg“

Der Vollzug und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.

Begründung

Grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft EZ 172 GB ***** sind je zur Hälfte F***** L*****, geboren am 15. 12. 1950 und A***** L*****, geboren am 21. 11. 1951, bestehend aus GST‑Nr 445/2 „Bauf. (Gebäude)“ (164m²) und „Gärten“ (1.042 m²). und „Gärten“. Der Antragsteller ist der Sohn der Miteigentümer F***** und A***** L*****.

Am 30. 10. 2012 schlossen die Liegenschaftseigentümer und der Antragsteller nachstehenden

„Übergabsvertrag“,

der auszugsweise wie folgt lautet:

I.

Übergabsobjekt

F ***** L*****, geb. 15. 12. 1950, und A***** L*****, geb. 21. 11. 1951, schenken und übergeben hiermit an ihren Sohn F***** L*****, geb. 4. 2. 1975, und dieser übernimmt unter Annahme dieser Schenkung die Liegenschaft EZ 172, KG *****, Bezirksgericht N*****, in sein Eigentum, und zwar mit allen Rechten und Pflichten, mit denen das Übergabsobjekt bisher besessen und benützt wurde oder hätte besessen und benützt werden können, sowie auch mit allem rechtlichen und faktischen Zubehör.

II.

Übergabe

Die Übergabe und Übernahme des Übergabsobjektes ist vor Unterfertigung dieses Vertrages erfolgt.

III.

Wohnungsgebrauchsrecht

F ***** L*****, geb. 4. 2. 1975, räumt hiermit seinen Eltern F***** L*****, geb. 15. 12. 1950, und A***** L*****, geb. 21. 11. 1951, an der Liegenschaft [Hervorhebung durch den Senat] EZ 172 KG *****, Bezirksgericht N*****, die Dienstbarkeit des lebenslangen und unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechtes im Sinne der §§ 504 ff ABGB ein und F***** L*****, geb. 15. 12. 1950, und A***** L*****, geb. 21. 11. 1951, nehmen dieses Recht an.

IV.

Belastungs‑ und Veräußerungsverbot

F ***** L*****, geb. 4. 2. 1975, verpflichtet sich gegenüber seinen Eltern F***** L*****, geb. 15. 12. 1950, und A***** L*****, geb. 21. 11. 1951, die Liegenschaft EZ 172, KG *****, Bezirksgericht N*****, ohne deren Zustimmung weder zu belasten noch entgeltlich oder unentgeltlich zu veräußern und die Übergeber nehmen diese Verpflichtung an. Die Beteiligten vereinbaren sohin das Belastungs‑ und Veräußerungsverbot im Sinne des § 364c ABGB.

In Punkt VI. dieses Vertrags werden die entsprechenden „Einverleibungsbewilligungen“ erteilt.

Mit dem verfahrenseinleitenden Grundbuchsantrag begehrt der Antragsteller die Einverleibung seines Eigentumsrechts, die Einverleibung der Dienstbarkeit des Wohnungsgebrauchsrechts gemäß Punkt III des Übergabsvertrags sowie die Einverleibung des vereinbarten Belastungs‑ und Veräußerungsverbots. Dazu wurde unter anderem eine amtliche Bescheinigung iSd § 2 Abs 2 Salzburger Grundverkehrsgesetz 2001 (im Folgenden: SGVG) vorgelegt, wonach die verfahrensgegenständliche Liegenschaft im Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde S***** als „Bauland gemäß § 30 ROG 2009“ ausgewiesen ist.

Das Erstgericht wies den Grundbuchsantrag ab. Gemäß § 12 Abs 1 GBG müsse bei Dienstbarkeiten und Reallasten Inhalt und Umfang des einzutragenden Rechts möglichst bestimmt angegeben werden. Im Übergabsvertrag habe der Übernehmer den Übergebern die Dienstbarkeit des lebenslangen und unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts iSd §§ 504 ff ABGB eingeräumt. Es sei allerdings unterlassen worden, festzuhalten, welche Räumlichkeiten von diesem Recht umfasst wären. Der Umfang der Servitut sei daher unbestimmt. Weil ein Übergabsvertrag nur als einheitliches Ganzes aufzufassen sei, komme eine teilweise Stattgebung des Einverleibungsbegehrens nicht in Betracht.

Dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Im Vertrag werde zwar das eingeräumte Recht ausdrücklich als Wohnungsgebrauchsrecht und damit seiner Art nach ausreichend bestimmt bezeichnet, doch werde den Übergebern ein Wohnungsgebrauchsrecht „ an der Liegenschaft “ eingeräumt, was Zweifel über dessen räumlichen Umfang aufkommen lasse. Es gehe entgegen den Ausführungen im Rekurs nicht darum, einzelne Räume aufzuzählen, auf die sich das Wohnungsgebrauchsrecht beziehe, sondern um eine Klarstellung im Vertrag, dass das gesamte Haus und der Garten davon umfasst seien. Ein Hausgarten sei aber nur dann Gegenstand eines Wohnungsgebrauchsrechts, wenn das ausdrücklich vereinbart werde (MietSlg 50.038). § 521 ABGB beziehe sich auf alle bewohnbaren Teile eines Hauses, wozu zwingend ein Garten nicht gehöre. Einen Schluss aus der Formulierung dahingehend zu ziehen, dass vom Wohnungsgebrauchsrecht neben dem Haus auch die umgebende Gartenfläche umfasst sein sollte, stehe dem Grundbuchsgericht nicht zu.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil die Frage, ob ein Wohnungsgebrauchsrecht „an einer Liegenschaft“ als solches einverleibungsfähig sei, in der Rechtsprechung bislang nicht deutlich geklärt worden sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinne einer Bewilligung seines Grundbuchgesuchs.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht bezeichneten Grund zulässig.

Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. Im hier zugrunde liegenden Übergabsvertrag wurde den Übergebern die Dienstbarkeit des lebenslangen und unentgeltlichen Wohnungsgebrauchsrechts im Sinn der §§ 504 ff ABGB „an der Liegenschaft EZ 172“ eingeräumt.

§ 521 ABGB bezeichnet mit dem Überbegriff „Dienstbarkeit der Wohnung“ die Servitut der Wohnung als „das Recht, die bewohnbaren Teile eines Hauses für seine Bedürfnisse zu benützen. Sie ist also eine Servitut des Gebrauchs von dem Wohngebäude.“ Dem Wohnungsberechtigten steht das Wohnungs‑ und Benützungsrecht höchstpersönlich und unentgeltlich bis zum Ableben (bzw bei zwei Berechtigten bis zum Ableben des von ihnen zuletzt Sterbenden) zu (RIS‑Justiz RS0011826).

Das Wohnungsgebrauchsrecht umfasst das Recht zur Benützung von Wohnräumen, als Zubehör verwendeten Nebenräumen wie Küche, Keller, Dachboden und dergleichen (vgl Klang in Klang 2 II 598; Koch in KBB 3 § 521 ABGB Rz 2; Hofmann in Rummel 3 § 521 ABGB Rz 1 mwN) oder einen räumlich begrenzten, bewohnbaren Gebäudeteil (2 Ob 562/76 MietSlg 29.057).

In Verbindung mit den bewohnbaren Teilen eines Gebäudes kann vereinbarungsgemäß auch ein Hausgarten Gegenstand eines Wohnungsgebrauchsrechts sein (1 Ob 533/95 MietSlg 47.029 unter Hinweis auf Petrasch in Rummel 2 § 521 ABGB Rz 1 und 5 Ob 546/77 RZ 1977/111). Mit einem Wohnungsgebrauchsrecht kann auch das Recht des freien Aufenthalts im Garten, die Mitbenützung eines zur Liegenschaft gehörigen Badestegs oder das Recht zum Aufhängen der Wäsche auf trockenen Plätzen im Garten verbunden und nach dem erschließbaren Parteiwillen noch dem Wohnungsbenutzungsrecht zugeordnet werden, sodass es nicht als selbständige Grunddienstbarkeit oder bloß obligatorische Rechtseinräumung beurteilt werden muss (5 Ob 546/77 RZ 1977/111). Niemals hingegen kann sich ein Wohnungsgebrauchsrecht auf landwirtschaftlich zu nutzende Liegenschaftsteile erstrecken (3 Ob 43/55 SZ 28/30; 5 Ob 34/92 WoBl 1993/57 [ Call ]).

Wenn sich nach dem aus der Vertragsurkunde eindeutig hervorgehenden Parteiwillen samt klarem Wortlaut der maßgeblichen Vertragsurkunde die Erstreckung eines Wohnungsgebrauchsrechts auf die gesamte EZ und damit auch auf den dem Wohngebäude zugehörigen Garten ergibt, wobei gegen die Qualifikation dieser Fläche als Hausgarten nach der im Grundbuchsauszug ausgewiesen Benützungsart und dem dort angegebenen Flächenausmaß auch keine Bedenken bestehen, so können die vom Rekursgericht hiegegen ins Treffen geführten Erwägungen nicht schlagend werden.

Ist also, wie im vorliegenden Fall aus dem Gutsbestand der bezeichneten EZ eindeutig zu ersehen, dass die „Liegenschaft“ aus einem Wohngebäude mit Gartenflächen im üblichen Ausmaß eines Hausgartens besteht, lässt sich kein Zweifel daran begründen, dass sich diesfalls das Wohnungsgebrauchsrecht vereinbarungsgemäß auf Wohnhaus samt Gartenfläche bezieht.

2. Dem Grundbuchsgericht ist es zwar verwehrt, mit rechtsgeschäftlichen Erklärungen zusammenhängende Zweifelsfragen zu lösen oder eine ergänzende Vertragsinterpretation vorzunehmen, nicht aber aus Urkunden durch deren Wortlaut gedeckte, unmittelbare logische Schlussfolgerungen zu ziehen (RIS‑Justiz RS0060573).

Es ist daher zu Grunde zu legen, dass die Vertragsparteien ein Wohnungsgebrauchsrecht an Haus samt Garten vereinbarten. Hindernisse iSd § 94 Abs 1 Z 1 GBG stehen der begehrten Verbücherung nicht entgegen.

3. Zufolge des auf die gegenständlichen Rechtserwerbe anzuwendenden § 30 Abs 1 Z 2 lit a sublit aa SGVG 1991 (idF vor der Novelle LGBl 2012/70) dürfen Rechte an Grundstücken im Grundbuch ua nur eingetragen werden, wenn dem Grundbuchgesuch eine Bescheinigung gemäß § 2 Abs 2 letzter Satz SGVG darüber angeschlossen ist, dass das betroffene Grundstück oder Teile davon im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als Bauland (§ 30 Salzburger ROG 2009) ausgewiesen sind.

Eine diese Voraussetzung nachweisende Bescheinigung nach § 2 Abs 2 lit b SGVG 2001 des zuständigen Bürgermeisters hat der Antragsteller seinem Gesuch beigelegt.

Es bestehen insofern aus grundbuchsrechtlicher Sicht keine Bedenken gegen die Einverleibung sowohl des Eigentumsrechts als auch des Servitutsrechts.

4. Im Weiteren liegen auch die Voraussetzungen für die Verbücherung des Belastungs‑ und Veräußerungsverbots vor, dessen Zulässigkeit nach § 364c ABGB durch die vorlegte Geburtsurkunde dargetan ist.

Der Revisionsrekurs war daher berechtigt. Das Gesuch war im vollen Umfang zu bewilligen.

Stichworte