OGH 1Ob23/17i

OGH1Ob23/17i27.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** T*****, vertreten durch Mag. Martin Divitschek ua, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Uwe Niernberger und Dr. Angelika Kleewein, Rechtsanwälte in Graz, wegen 5.100 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.100 EUR) über die außerordentliche Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 29. November 2016, GZ 6 R 136/16p‑72, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0010OB00023.17I.0227.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Soweit der Revisionswerber unter dem Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit die erstgerichtliche Feststellung zu seiner hypothetischen Einwilligung zur Operation bei Einräumung einer ausreichenden Überlegungsfrist bekämpft, wendet er sich in Wahrheit gegen die Beweiswürdigung der Tatsacheninstanzen, die aber einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht zugänglich ist. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit nach § 503 Z 3 ZPO liegt nur vor, wenn Tatsachenfeststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen werden, wenn also etwa der Inhalt einer Urkunde, eines Protokolls oder eines sonstigen Aktenstücks unrichtig wiedergegeben und infolge dessen ein fehlerhaftes Sachverhaltsbild der rechtlichen Beurteilung unterzogen wurde, nicht aber wenn Tatsachenfeststellungen erst aufgrund wertender Schlussfolgerungen gewonnen werden (siehe nur RIS‑Justiz RS0043347).

2. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass der Arzt (oder die Krankenanstalt) für die nachteiligen Folgen eines lege artis erfolgten Eingriffs haftet, wenn der Patient bei ausreichender Aufklärung nicht in die Behandlung eingewilligt hätte (RIS‑Justiz RS0026783). Da nur für den durch das pflichtwidrige Verhalten verursachten Schaden gehaftet wird, entfällt die Haftung, wenn dem Beklagten der Nachweis gelingt, dass der Patient im Falle der gebotenen (vollständigen) Aufklärung der (in seine körperliche Integrität eingreifenden) Behandlung zugestimmt hätte (RIS‑Justiz RS0038485).

Warum dem Berufungsgericht ein Beurteilungsfehler unterlaufen sein sollte, weil es die dargelegte Rechtsprechung auf den hier vorliegenden Fall einer zwar inhaltlich vollständigen, aber zu kurz vor der Operation erfolgten Aufklärung übertragen hat, ist nicht zu erkennen. Wenn sogar die inhaltlich unzureichende Aufklärung nicht schadet, wenn sich erweisen lässt, dass die Einwilligung des Patienten auch bei vollständiger Aufklärung über alle Behandlungsrisiken erteilt worden wäre, muss dies grundsätzlich auch für jene Fälle gelten, in denen der Aufklärungsmangel (nur) darin liegt, dass dem Patienten vor der Behandlung bzw dem Eingriff eine zur ausreichend überlegten Willensbildung nicht ausreichende Frist eingeräumt wurde, geht es beim Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens doch um den Nachweis, dass der Patient auch bei einem (seine Interessen ausreichend wahrenden) pflichtgemäßen Verhalten das Risiko auf sich genommen hätte.

3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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