European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0030OB00235.16D.0222.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Begründung
Der Verpflichtete beantragte die Aufschiebung der gegen ihn bewilligten Fahrnis‑, Forderungs‑ und Räumungsexekution bis zur Entscheidung
a. des Obersten Gerichtshofs über die von ihm im Titelverfahren erhobene außerordentliche Revision und
b. des Verfassungsgerichtshofs über die in Verbindung damit erhobene Gesetzesbeschwerde.
Das Erstgericht bewilligte die Aufschiebung der Fahrnis‑ und Räumungsexekution bis zum Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung im Titelverfahren einschließlich einer vom Verpflichteten (allenfalls) eingebrachten Gesetzesbeschwerde gemäß § 62a VfGG gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 40.000 EUR, während es den Antrag zur Forderungsexekution abwies. In seiner Begründung ging es von unterschiedlichen Kriterien für die Bemessung der Sicherheitsleistung bei der Fahrnis‑ und bei der Räumungsexekution aus, für die es eine solche von etwa 10.000 EUR für angemessen erachtete. Es setzte die Sicherheitsleistung insgesamt mit 40.000 EUR fest. Zur Forderungsexekution fehle es an den erforderlichen Behauptungen zur Gefährdung des Verpflichteten.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Verpflichteten nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluss mit der Maßgabe, dass aufgeschoben werde, wenn der Verpflichtete für die Räumungsexekution eine Sicherheitsleistung von 10.000 EUR und für die Fahrnisexekution eine solche von 30.000 EUR erlege. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. § 62a Abs 6 VfGG stelle keine Rechtsgrundlage für die Aufschiebung des Exekutionsverfahrens ohne Sicherheitsleistung dar. Die Sicherheitsleistung von insgesamt 40.000 EUR sei nicht überhöht, es bedürfe aber einer getrennten Festsetzung für jede der aufzuschiebenden Exekutionen, nämlich mit 30.000 EUR (Fahrnisexekution) und 10.000 EUR (Räumungsexekution). Drohende Gefahr habe der Verpflichtete in erster Instanz nicht behauptet; daher habe das Erstgericht die Aufschiebung der Gehaltsexekution zu Recht verweigert.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Verpflichteten vom 23. September 2016 mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer Stattgebung der Aufschiebung aller drei Exekutionen jeweils ohne Sicherheitsleistung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zur Räumungsexekution hätte gar keine Sicherheit auferlegt werden dürfen, weil ausgehend von einer Dauer des Rechtsmittelverfahrens von vier bis sechs Monaten bzw einer restlichen Dauer nach Vorliegen des Beschlusses des VfGH von zwei bis drei Monaten und des Faktums, dass eine Neuvermietung in der Regel erst einige Monate nach dem Räumungstermin möglich sei, das Risiko der Betreibenden in den nächsten Monaten gleich null sei. Zur Fahrnisexekution wäre der halbe Schätzwert der bereits gepfändeten Fahrnisse abzuziehen gewesen. Abgesehen davon sei für die beantragte Aufschiebung zumindestens bis zur Zustellung des über Antrag des Verpflichteten (vom 21. Dezember 2015) auf Normenkontrolle (§ 1 Abs 2 Z 5 MRG) ergangenen (nicht stattgebenden) Beschlusses des VfGH, AZ G 669‑670/2015‑9 vom 16. Juni 2016, hinterlegt am 14. Juli 2016, nicht § 44 Abs 2 Z 3 EO, sondern ausschließlich § 62a Abs 6 VfGG einschlägig, dem jedoch nicht zu entnehmen sei, dass eine Forderungsexekution während der Dauer des Normenkontrollverfahrens betrieben werden dürfe, oder dass die Aufschiebung von einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen sei.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig.
1. Das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels im Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch‑abstrakte Bedeutung zukäme, da es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen (RIS‑Justiz RS0002495; RS0041770 [T25, T64, T80]).
2. Dem Revisionsrekurs ist zu entnehmen, dass der VfGH den Normenkontrollantrag des Verpflichteten betreffend § 1 Abs 2 Z 5 MRG mit Beschluss vom 16. Juni 2016, der dem Verpflichteten am 14. Juli 2016 zugestellt wurde, zurückgewiesen hat. Als der Verpflichtete den außerordentlichen Revisionsrekurs erhob, war somit einer der beiden Umstände, bis zu deren Eintritt er die Aufschiebung der Exekution beantragte, bereits eingetreten. Damit fehlte insofern – nach Ablauf des Zeitraums, für den die Exekutionsaufschiebung begehrt wurde – schon von vornherein die Beschwer des Verpflichteten für das vorliegende Rechtsmittel (RIS‑Justiz RS0041770 [T34, T56]). Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den zur sog Gesetzesbeschwerde vorgetragenen Argumenten erübrigt sich daher.
3. Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision des Verpflichteten im Titelakt mit Beschluss vom 30. August 2016, 1 Ob 61/16a, zurück, der– wie dem VJ‑Register zu entnehmen ist – am 4. Oktober 2016 an den Verpflichtetenvertreter zugestellt wurde, also nach Erhebung des Revisionsrekurses.
3.1. Die (nur) das Revisionsrekursverfahren betreffende Kostenentscheidung hat ihre Grundlage in § 50 Abs 2 ZPO (iVm § 78 EO). Bei „nachträglichem“ Wegfall der Beschwer (im Zeitraum zwischen Einbringung des Rechtsmittels und der Entscheidung darüber) ist der Erfolg des Rechtsmittels hypothetisch nachzuvollziehen; die Kostenentscheidung ist so zu treffen, wie wenn das Rechtsschutzinteresse nicht weggefallen wäre; diese Prüfung hat nicht streng zu erfolgen (RIS‑Justiz RS0036102 [T7]).
3.2. Die Entscheidung, ob und in welcher Höhe eine Sicherheitsleistung aufzutragen ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, sodass es grundsätzlich an einer erheblichen Rechtsfrage fehlt (RIS‑Justiz RS0001795). Der Verpflichtete vermag in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zur Höhe der festgesetzten Sicherheitsleistungen aufzuzeigen.
Die angestrebte Berücksichtigung des halben Schätzwerts/des Bleistiftwerts der bereits gepfändeten Gegenstände zur Fahrnisexekution scheitert schon daran, dass vom Verpflichteten keine Werte genannt werden, die eine Neuberechnung ermöglichen könnten.
Bei Räumungsexekutionen ist nach der Judikatur vor allem der Entgang jenes Entgelts zu berücksichtigen, das bei Vermietung des freigewordenen Objekts zu erzielen wären (RIS‑Justiz RS0001918 [T2]). Bedenkt man, dass schon das Rechtsmittelverfahren über die außerordentliche Revision im Titelverfahren tatsächlich mehr als neun Monate in Anspruch nahm, erweist sich die Bemessung der Sicherheitsleistung auf Basis einer Dauer des Revisionsverfahrens von (nur) vier bis sechs Monaten selbst dann als jedenfalls vertretbar, wenn eine – in erster Instanz gar nicht erhobene und keineswegs offenkundige – Behauptung des Verpflichteten zu einem Leerstehen des Mietobjekts über einige Monate zugrunde gelegt werden könnte.
3.3. Somit wäre ein Erfolg des Revisionsrekurses des Verpflichteten hinsichtlich Aufschiebung wegen der außerordentlichen Revision im Titelverfahren auch bei inhaltlicher Behandlung zu verneinen, sodass der Verpflichtete die Kosten des Revisionsrekurses jedenfalls selbst zu tragen hat. Da dies ohnehin die Konsequenz der Zurückweisung ist, bedarf es dazu keines gesonderten Ausspruchs.
4. Da beide Vorinstanzen übereinstimmend die Aufschiebung zur Forderungsexekution ablehnten steht dem auch dagegen erhobenen Revisionsrekurs § 528 Abs 2 Z 2 EO iVm § 78 EO entgegen.
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