OGH 8Ob7/17p

OGH8Ob7/17p22.2.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt Wien, *, vertreten durch Mag. DI Markus Petrowsky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Ing. Mag. A* R*, vertreten durch Mag. Andreas Zach, Rechtsanwalt in Wien, wegen Mietzinszahlung und Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das (Teil-)Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 24. Oktober 2016, GZ 40 R 104/16i‑236, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117360

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1.1 Zur Frage der Mietzinsminderung ergibt sich aus den Feststellungen, dass das vom Beklagten ins Treffen geführte Gefahrenpotential aufgrund des unwirksamen Fehlerschutzes bei Verwendung von elektrischen Betriebsmitteln der Schutzklasse I besteht. Durch die Verwendung von Betriebsmitteln der Schutzklasse II, die leicht und zahlreich erhältlich sind, kann dieses Gefahrenpotential ausgeschlossen werden. Entgegen den Darstellungen des Beklagten besteht keine Brandgefahr; auch eine Explosionsgefahr ist nicht gegeben. Schließlich war der Beklagte in der Nutzung der Wohnung bei Verwendung seiner elektrischen Geräte nicht beeinträchtigt. Es kam zu keinen Kurzschlüssen und auch zu keinen Problemen bei den elektrischen Geräten. Diese besonderen Gegebenheiten aus Sicht des Beklagten hat das Berufungsgericht ausführlich gewürdigt.

Zum Installationsmangel der unter Putz verlegten Zwillingsleitungen hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass – für einen Kurzschluss oder einen elektrischen Schlag erforderliche – zusätzliche Isolationsmängel nach den Feststellungen nicht bestehen. Dennoch ist es davon ausgegangen, dass auch die Befürchtung einer Gefährdung eine Einschränkung im bedungenen Wohnzweck bewirke.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, aufgrund der konkreten Umstände in der Wohnung des Beklagten sei eine Mietzinsminderung von 15 % angemessen, betrifft typisch den Einzelfall. Eine erhebliche Rechtsfrage dazu zeigt der Beklagte, der teilweise von einem Wunschsachverhalt ausgeht, indem er die auf Tatsachenebene gebotenen Differenzierungen unterlässt, nicht auf. Die Vorinstanzen haben sich mit den Einschränkungen im Gebrauch der Wohnung im Zusammenhang mit der Elektroinstallation umfassend auseinandergesetzt. Auch ein relevanter sekundärer Feststellungsmangel liegt nicht vor.

1.2 Unrichtig ist die Ansicht des Beklagten, dass ihm neben dem Anspruch auf Mietzinsminderung das Zurückbehaltungsrecht nach § 1052 ABGB zustehe.

Nach der Rechtsprechung verdrängt das dem Mieter durch § 1096 ABGB gewährte zwingende Zinsminderungsrecht für seinen Anwendungsbereich das allgemeine Zurückbehaltungsrecht des § 1052 ABGB (RIS‑Justiz RS0119040; 1 Ob 198/13v). Das in § 1052 ABGB normierte Leistungsverweigerungsrecht gilt demnach für alle synallagmatischen Verträge, bei denen nicht eine Vorleistung vereinbart oder eine Sonderregelung gesetzlich vorgesehen ist.

1.3 Das Erstgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass der Beklagte bei Anmietung der Wohnung unter anderem wusste, dass das Wohnhaus um das Jahr 1966 errichtet sowie dass an der Elektroinstallation seit der Errichtung des Hauses nichts verändert wurde. Weiters wurde festgestellt, dass auch der Beklagte keine Änderungen vorgenommen hat.

Der Hinweis des Berufungsgerichts, der Beklagte habe bei Übernahme der Wohnung gewusst, dass die elektrische Anlage seit ihrer Errichtung im Wesentlichen unverändert geblieben sei und nicht mehr dem aktuellen Stand entspreche, stimmt – entgegen der Rüge des Beklagten – mit dem festgestellten Tatsachensubstrat überein.

2.1 Die Entscheidung zu den geltend gemachten Betriebskosten begründete das Berufungsgericht vor allem damit, dass der Beklagte die Richtigkeit und Angemessenheit der Forderung im erstinstanzlichen Verfahren nur pauschal bestritten habe, was nicht genüge.

Auch im Schriftsatz ON 137 hat der Beklagte lediglich pauschal vorgebracht, dass bezüglich der Betriebskosten jegliche Behauptungen und Beweise der Klägerin fehlten. Vorsichtshalber werde die Unzulässigkeit von allfällig vorgenommenen Jahrespauschalverrechnungen vorgebracht.

2.2 Wenn die Vorinstanzen die Vorschreibungen der Betriebskosten durch die Klägerin als schlüssig und berechtigt beurteilen, wird mit dem Argument, eine Jahrespauschalverrechnung sei nur auf Basis der Betriebskosten des vorausgegangenen Kalenderjahres zulässig, wozu keine Tatsachen ermittelt worden seien, kein sekundärer Feststellungsmangel aufgezeigt. Im Übrigen steht die Beurteilung des Berufungsgerichts mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im ersten Rechtsgang (8 Ob 90/10h) im Einklang.

3. Dasselbe gilt für die Frage der Hauptmietzinsvereinbarung.

Mit dem vom Beklagten ins Treffen geführten Schreiben vom 14. 5. 1997 erklärte sich die Klägerin damit einverstanden, dass der Beklagte die Mietrechte an der Wohnung fortsetzt. Gleichzeitig wurde der ab 1. 5. 1997 maßgebende Hauptmietzins bekanntgegeben, den der Beklagte bis 23. 4. 1999 unbeanstandet zahlte.

Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach die neuen Mietzinsvorschreibungen der Klägerin die Erwartung des Beklagten, dass die Vorschreibungen auf Basis des Vertrags seines Vaters erfolgten, nicht bestätigt hätten, weshalb der Beklagte entsprechende Zweifel haben musste, ist in keiner Weise unvertretbar.

4.1 Auch die Argumentation des Beklagten zu den Gegenforderungen erweist sich als nicht stichhaltig.

Das Dienstverhältnis des Beklagten zur Stadt Wien (als Vertragsbediensteter nach der Wiener VBO 1995) wurde am 30. 11. 2003 durch Dienstgeberkündigung beendet. Der Beklagte leitete keine arbeitsrechtlichen Schritte gegen die Kündigung ein.

Gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass er die (angebliche) mangelnde Rechtfertigung seiner Kündigung – bei sonstigem Verlust des Entgeltanspruchs – ohne Verzug hätte geltend machen müssen, wendet sich der Beklagte nicht. Er steht aber auf dem Standpunkt, dass dies für Schadenersatzansprüche nicht gelte. Außerdem sei die Kündigung sittenwidrig erfolgt.

4.2 Der vom Kläger behauptete Anspruch auf Fortsetzung seines Dienstverhältnisses muss innerhalb angemessener Frist durch Klage (Feststellungsklage oder Rechtsgestaltungsklage) geltend gemacht werden. Dies betrifft nicht die Verjährung oder den Verfall der Ansprüche, sondern die Verletzung der Aufgriffsobliegenheit, die zum Verlust der Ansprüche aus der (nicht erfolgten) Fortsetzung des Dienstverhältnisses führt (RIS‑Justiz RS0028233).

Die in Rede stehende Obliegenheit gilt auch für Vertragsbedienstete (vgl 9 ObA 270/97i; siehe auch § 42 Abs 10 der Wiener VBO 1995). Die Beurteilung würde auch für eine vom Beklagten behauptete sittenwidrige Kündigung gelten. Warum die Kündigung sittenwidrig erfolgt sein soll, vermag der Beklagte allerdings nicht nachvollziehbar zu begründen.

4.3 Wird das Dienstverhältnis beendet und bringt der Dienstnehmer keine auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses gerichtete Klage ein, so kann er nur die Beendigungsansprüche geltend machen. In dieser Hinsicht gelten allfällige Verfallsfristen auch für Ersatzansprüche wegen vertragswidriger oder gesetzwidriger Kündigungen (RIS‑Justiz RS0029723). Ist auf einen bestimmten Sachverhalt keine Verfallsfrist (vgl § 34 AngG und § 1162d ABGB) anwendbar, so gilt für Schadenersatzansprüche jedenfalls die dreijährige Verjährungsfrist nach § 1489 ABGB (vgl dazu 9 ObA 94/16p).

4.4 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass Gegenforderungen des Beklagten im Zusammenhang mit den geltend gemachten Schadenersatzansprüchen aus seinem früheren Dienstverhältnis nicht zu Recht bestehen, erweist sich als nicht korrekturbedürftig.

5. Insgesamt gelingt es dem Beklagten nicht, mit seinen Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

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