OGH 12Os155/16k

OGH12Os155/16k26.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé, Dr. Oshidari, Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Johann M***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Johann M***** und Hans P***** gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Schöffengericht vom 20. Oktober 2016, GZ 13 Hv 100/16z‑62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0120OS00155.16K.0126.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann M***** der Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./II./) sowie Hans P***** des Verbrechens des Suchtgifthandels als Beteiligter nach § 28a Abs 1 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG, § 12 dritter Fall StGB (B./) schuldig erkannt.

Danach haben in S***** und an anderen Orten

A./ Johann M***** im Zeitraum Dezember 2011 bis September 2015

I./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge (mindestens 81‑fach) erzeugt, indem er aus den von ihm in nachstehenden Indoor‑Anlagen kultivierten Pflanzen insgesamt zumindest 23,23 kg Cannabisblüten und ‑fruchtstände mit einem THCA‑Reinheitsgehalt von durchschnittlich zumindest 14 % erntete, und zwar

1./ im Zeitraum Dezember 2011 bis Juni 2012 in G***** im Zuge einer Ernte zumindest 360 Gramm Cannabis;

2./ im Zeitraum Oktober 2013 bis Sommer 2015 an der Adresse ***** in S***** im Zuge von zumindest drei Ernten zumindest 3.750 Gramm Cannabis;

3./ im Zeitraum Juni 2013 bis Jänner 2014 an der Adresse ***** in S***** in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Daniela S***** im Zuge von zwei Ernten zumindest 2.750 Gramm Cannabis;

4./ im Frühjahr/Sommer 2014 an der Adresse ***** in S***** im Zuge zumindest einer Ernte zumindest 1.000 Gramm Cannabis;

5./ im Zeitraum Februar 2014 bis Mitte 2015 an der Adresse ***** in S***** im Zuge von zwei Ernten zumindest 12.800 Gramm Cannabis;

6./ im Zeitraum Juni 2015 bis Anfang September 2015 in G***** im Zuge einer Ernte zumindest 2.569 Gramm Cannabis;

II./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das [Fünfundzwanzigfache, nämlich] zumindest 39‑fach übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar

1./ im September 2015 insgesamt 1.000 Gramm Cannabis mit einem THCA‑Reinheitsgehalt von zumindest 14 % an die abgesondert verfolgte Barakatou N***** (alias Khady N*****);

2./ am 24. September 2015 100 Gramm Cannabis mit einem THCA‑Reinheitsgehalt von zumindest 14 % an den abgesondert verfolgten Karl Heinz I*****;

3./ im Zeitraum Anfang 2012 bis September 2015 insgesamt zumindest weitere 10.204 Gramm Cannabis mit einem THCA‑Reinheitsgehalt von zumindest 14 % an bislang unbekannte Abnehmer;

B./ Hans P***** zu der oben unter A./I./5./ genannten Tathandlung, nämlich der Erzeugung von zumindest 12.800 Gramm Cannabis mit einem Reinheitsgehalt von zumindest 14 % THCA, somit von Suchtgift in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) um das [Fünfundzwanzigfache, nämlich] zumindest 44‑fach übersteigenden Menge, durch Zurverfügungstellen der Räumlichkeiten für den Anbau sowie durch Mithilfe beim Aufbau der Indoor‑Anlage beigetragen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die jeweils auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten, denen keine Berechtigung zukommt:

1./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Johann M*****:

Der Erledigung der Mängelrüge (Z 5) ist voranzustellen, dass die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes auf Undeutlichkeit (erster Fall), Unvollständigkeit (zweiter Fall), einen inneren Widerspruch (dritter Fall), die fehlende oder offenbar unzureichende Begründung (vierter Fall) sowie Aktenwidrigkeit (fünfter Fall) der angefochtenen Entscheidung abzielt. Kritikpunkte des Inhalts, Sachverhaltsannahmen seien „nicht lebensnah begründet“ bzw „lebensfremd“, sprechen keine dieser Anfechtungskategorien deutlich genug (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) an.

Der Beschwerde zuwider blieb die Täterschaft des Nichtigkeitswerbers in Ansehung des Erzeugens von 12.800 Gramm Cannabis an der Adresse ***** (A./I./5./) nicht unbegründet (Z 5 vierter Fall), sondern wurde auf die Einlassungen der Angeklagten gestützt, wonach Johann M*****, der mehrere Indoor‑Plantagen betrieb, diese Räumlichkeiten von Hans P***** anmietete und darin– gemeinsam mit dem Zweitangeklagten – die (auf Lichtbildern dokumentierte) Anlage errichtete, weshalb ein unbekannter Dritter als Betreiber der Anlage nicht für plausibel erachtet wurde (US 8 f). Die dagegen gerichteten Einwände ziehen bloß die auf Grund einer Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse erfolgte freie Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) des erkennenden Gerichts in Zweifel.

Da die gesetzliche Anordnung, Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen, (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) in jenen Fällen, in denen die eingewendete Nichtigkeit aus den Akten zu entwickeln ist (hier: Z 5 zweiter Fall), als logisch ersten Schritt bestimmter Bezeichnung die Notwendigkeit einschließt, die diesbezüglichen Fundstellen zu nennen (RIS‑Justiz RS0124172), scheitert der Einwand, es sei mit „Stillschweigen übergangen“ worden, dass Johann M***** aufgrund seiner Einkommens- und Vermögenssituation „gar nicht in der Lage gewesen wäre, eine derart dimensionierte Anlage zu erwerben“, schon an einer Bezeichnung der insofern angesprochenen argumentativen Basis im Akt. Gleiches gilt für die Kritik, der Angeklagte M***** sei „nach den unwiderlegbaren Verantwortungen der Angeklagten im Jahr 2015 überhaupt nicht mehr bei dieser Anlage gesichtet worden“.

Der Beschwerde (Z 5 vierter Fall) zuwider wurden die an der Adresse „*****“ erzeugten Cannabismengen (A./I./5./; US 5) aus der vernetzten Betrachtung der auf Lichtbildern des Tatorts ersichtlichen Pflanzenanzahl sowie den Schilderungen des Angeklagten Hans P***** erschlossen (US 10 und 11), was unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit keineswegs zu beanstanden ist. Dass dem Nichtigkeitswerber selbst diese Erwägungen nicht überzeugend genug erscheinen, stellt kein Begründungsdefizit „auf dem Niveau einer unstatthaften Vermutung zu Lasten des Angeklagten“ her.

Soweit die Beschwerde (wiederholt) den – aus der kriminaltechnischen Auswertung einer Probe aus der Suchtgiftsicherstellung sowie der gleichbleibenden Anbautechnik erschlossenen (US 11) – Reinheitsgehalt des tatverfangenen Cannabis von durchschnittlich 14 % als unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall) kritisiert, insofern auch auf das (gegen Daniela S***** geführte) Verfahren AZ 15 Hv 40/16s des Landesgerichts Steyr hinweist und– daran anknüpfend – die Zugrundelegung eines Reinheitsgehalts von „gerichtsnotorischen 10 %“ einfordert, verkennt sie zunächst, dass der Verfahrensausgang im genannten Parallelverfahren nicht erörterungsbedürftig war (RIS‑Justiz RS0096138 [T5]), das Gericht bei der Lösung von Tatfragen (§ 285 Abs 2 StPO) durchaus berechtigt ist, nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu ziehen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 449), und überdies das – für die vorgenommene Qualifikation als Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./I./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./II./) jeweils erforderliche – zumindest fünfundzwanzigfache Übersteigen der Grenzmenge an Cannabiskraut (mit dem darin enthaltenen Wirkstoff THCA) mit Blick auf die hier tatverfangenen Suchtgiftquanten von 23,23 Kilogramm (zu A./I./) und 11.304 Gramm (zu A./II./) auch bei einem, vom Nichtigkeitswerber behaupteten Reinheitsgrad von 10 % gegeben gewesen wäre. Insofern entziehen sich die darauf bezogenen Einwände einer inhaltlichen Erwiderung.

Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Annahme dreier Ernten (mit einer erzielten Cannabismenge von insgesamt 3.750 Gramm) zwischen Oktober 2013 und Sommer 2015 an der Adresse „*****“ (A./I./2./) zuwider haben die Tatrichter das darauf bezogene Aussageverhalten des Angeklagten durchaus einer resümierenden Würdigung unterzogen (US 7) und waren – dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend – zu einer exzessiven Wiedergabe aller Details seiner (insofern für nicht überzeugend erachteten; US 7) Einlassungen (etwa, wonach mit der dortigen Anlage nur zwei Aufzuchten erfolgreich waren; ON 17a S 223) nicht verhalten (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 428).

Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Schilderung der Zeugin Janina H*****, wonach sie selbst im Zeitraum vom 21. August 2013 bis zum 6. Mai 2014 die damals leere Wohnung des Johann M***** in der ***** benützte (ON 47 S 287 ff), steht – in Anbetracht des Deliktszeitraums bis zum Sommer 2015 (US 4) – auch nicht im erörterungsbedürftigen Widerspruch (Z 5 zweiter Fall) zur Annahme, dass der Angeklagte Johann M***** in dieser Wohnung drei Cannabisernten (mit insgesamt 3.750 Gramm) erzielte; ging das Gericht doch davon aus, dass die durchschnittliche Aufzuchtszeit pro Plantage drei Monate beträgt (US 7), weshalb die Aufzucht dreier Ernten durchaus außerhalb des Beobachtungszeitraums der Zeugin möglich war.

Unter bloß eigenständiger Würdigung der Aussagekraft (nicht näher bezeichneter [abermals: RIS‑Justiz RS0124172]) Jahresstromrechnungen für 2013 und 2014 unternimmt die Beschwerde nur den Versuch, die tatrichterliche Würdigung der Verfahrensresultate in Zweifel zu ziehen, um der Einlassung des Nichtigkeitswerbers doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Soweit auch die Tatsachenrüge (Z 5a) die Beweiswerterwägungen zur Annahme dreier Ernten an der Adresse ***** (A./I./2./; US 7) und zum Reinheitsgehalt des tatverfangenen Cannabis (mit 14 %, US 11) – unter Verweis auf die zur Mängelrüge gebotene, insbesondere auf die Aussage der Zeugin Janina H***** gestützte Argumentation (vgl aber: RIS‑Justiz RS0116733) – als „nicht stichhältig“ bzw „lebensfremd“ kritisiert, das Vorliegen tragfähiger Beweise in Abrede stellt und auf die Unschuldsvermutung (vgl demgegenüber: RIS‑Justiz RS0098336) hinweist, erweckt sie keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zu Grunde liegenden entscheidenden Tatsachen, sondern wendet sich nur in unzulässiger Weise gegen die vom erkennenden Gericht gefundene Lösung der Tatfrage.

Die eine rechtliche Beurteilung des Schuldspruchs A./II./ nach § 28a Abs 2 Z 3 SMG anstrebende Subsumtionsrüge (Z 10) verfehlt mit der Bestreitung der getroffenen Sachverhaltsannahmen zum Reinheitsgehalt der tatverfangenen Suchtgiftquanten (US 5) und unter Reklamation anderer, für den Prozessstandpunkt des Nichtigkeitswerbers (vermeintlich) günstigerer Feststellungen als jene vom Erstgericht getroffenen den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

2./ Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Hans P*****:

Dass die Tatrichter die Feststellungen zur subjektiven Tatseite – insbesondere in Ansehung der tatverfangenen Suchtgiftquanten – aus dem (vom Nichtigkeitswerber zugestandenen) äußeren Verhalten abgeleitet haben, wonach er seine Räumlichkeiten für den Anbau von Cannabispflanzen zur Verfügung stellte und beim Aufbau der Anlage mitarbeitete (US 6, 11 f), ist unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) keineswegs zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671).

Dementsprechend vermag auch die Tatsachenrüge (Z 5a), die diesen – zur subjektiven Tatseite führenden – Erwägungen der Tatrichter ohne direkten Bezug zu aktenkundigem Beweismaterial (vgl aber RIS‑Justiz RS0117961) nur entgegenhält, es sei „mangels Bezug des Nichtigkeitswerbers zum Drogenmilieu“ nicht „lebensnah, dass dieser gewusst habe, dass derartige Mengen produziert“ werden, keine erheblichen Bedenken gegen die kritisierten Feststellungen zu wecken.

Mit der schlichten Bestreitung der zur subjektiven Tatseite getroffenen Konstatierungen und der Reklamation anderer, für den Prozessstandpunkt des Angeklagten günstigerer Feststellungen (als jene vom Erstgericht getroffenen) verfehlt auch die Subsumtionsrüge (Z 10) den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0099810).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Erstangeklagten, bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen folgt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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