European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0070OB00146.16W.0125.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Revisionsrekursbeantwortung der Abteilungsleiterin wird zurückgewiesen.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Begründung:
Der am ***** geborene Kranke hatte wegen eines Einbruchs eine Nacht im Gefängnis zugebracht und dann nach seiner Rückkehr in eine betreute Wohngemeinschaft – mit Vorwürfen seiner Mitbewohner konfrontiert – Selbstmordabsichten geäußert. Daraufhin wurde er am 3. 2. 2016 wegen Selbstgefährdung auf der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Station *****, des K*****klinikums L*****, untergebracht.
Am 5. 2. 2016 wurde der Kranke von der zuvor bezeichneten Station auf die Abteilung für Psychiatrie ***** mit forensischem Schwerpunkt, Station *****, desselben Klinikums verlegt.
Der Verein stellte bei der vom Erstgericht am 18. 2. 2016 durchgeführten mündlichen Verhandlung den Antrag, gemäß § 34a UbG festzustellen, „dass die Unterbringung des Kranken auf der forensischen Abteilung nicht unbedingt erforderlich zur Gefahrenabwehr sei“.
Das Erstgericht erklärte die Unterbringung des Kranken im Klinikum weiterhin und zwar bis 3. 3. 2016– unbekämpft – für zulässig (Punkt 1) und es wies den auf § 34a UbG gestützten Antrag des Vereins, die Unterbringung des Kranken auf der forensischen Abteilung als nicht erforderlich festzustellen, ab (Punkt 2). Es traf folgende, zusammengefasste Feststellungen:
Beim Kranken besteht eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen und der Verdacht auf eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung. Zum Zeitpunkt der Aufnahme und Befundaufnahme lag auch akute Suizidalität vor. Die Aufnahme erfolgte aufgrund in der betreuten Wohngemeinschaft geäußerten Suizidgedanken.
Anfänglich wurde der Kranke auf der jugendpsychiatrischen Station untergebracht. „Da dort die Fremdgefährdung im Vordergrund stand bzw noch immer steht, kam es zu einer Verlegung auf eine '(teil)forensische' Abteilung.“ Auf dieser Station kam es vier Tage vor der mündlichen Verhandlung zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit einem Mitpatienten; der Grund dafür „dürfte“ gewesen sein, dass sich der Kranke vom Mitpatienten durch dessen Drohungen und Äußerungen gereizt gefühlt und in der Folge zugeschlagen hat. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ist bereits eine wesentliche Besserung insofern eingetreten, als ein Stimmungstief im Sinn einer Depression und akute Suizidalität nicht mehr vorliegen. Fremdgefährdung ist nach wie vor aufgrund der Impulsivität des Kranken gegeben. Er ist nach wie vor gereizt und es gibt immer wieder verbale Streitigkeiten. Bei Irritationen ist das System der Ich-Funktion des Kranken noch nicht so zur Ruhe gekommen, dass er Irritationen aus der Außenwelt adäquat absorbieren bzw durch kognitive Erkenntnisse bremsen könnte. Insofern liegt im Fall eines Konflikts mit Mitpatienten oder -bewohnern in der Wohngemeinschaft weiterhin Fremdgefährdung vor.
Der Kranke wurde aufgrund der vorliegenden Fremdgefährdung von einer „normalen“ jugend-psychiatrischen Akutstation auf eine „(teil)forensische Station“ aus folgenden Überlegungen verlegt: „Zum einen ist zu erwarten, dass der Aufenthalt 'in der Forensik' für den Patienten insofern ein wichtiges Lernmodul darstellt, als er unmittelbare Erfahrungen macht, was eine Fremdaggressivität bedeuten bzw bewirken kann, nämlich dass diese einen Maßnahmenvollzug zur Folge haben kann. Dass der Mitpatient, mit dem der Kranke bereits eine tätliche Auseinandersetzung hatte, weiterhin eine Irritation für den Patienten darstellt, kann dazu beitragen, dass der Kranke lernen kann/muss, solche Irritationen auszuhalten. Ebenso ist zu erwarten, dass sich der striktere und geordnetere Tagesablauf auf der '(teil)forensischen Abteilung' positiv auf den Gesundheitszustand bzw die Genesung des Patienten auswirkt. Wesentlich ist ebenso, dass ein Entweichen von der 'forensischen Abteilung' auf Grund der technischen Einrichtungen (Schleuseneingang mit Doppeltüre) schwieriger ist als von einer jugendpsychiatrischen Station; dabei ist insbesondere an ein Drängen des Patienten gegen eine gerade geöffnete Tür zu denken. Im Übrigen ist das Pflegepersonal im 'forensischen Bereich' hinsichtlich Gefahrensituationen besser geschult als auf einer 'normalen' jugend-psychiatrischen Akutstation. Hiezu sei angemerkt, dass es sich bei Station ***** ohnehin nicht um eine ausschließlich 'forensische Abteilung' handelt, sondern um eine Station, die sowohl forensische Patienten als auch 'normale' (nicht forensische) psychiatrische Patienten aufnimmt bzw eben gerade für forensische und auch für nicht forensische Patienten geschaffen wurde. Forensische Patienten erfahren auf dieser Station in gewissen Bereichen andere/striktere Be‑/Einschränkungen als die nicht forensisch untergebrachten Patienten. Die Patienten werden somit nebeneinander anders geführt. Da weiterhin mit fremdgefährlichen Handlungen seitens des Patienten, sei es gegenüber Mitpatienten oder im Fall einer Entlassung bzw eines Behandlungsabbruchs zB gegenüber Mitbewohnern der Wohngemeinschaft gerechnet werden muss, ist weder eine Verlegung in den offenen Bereich noch eine Verlegung auf die 'normale' jugendpsychiatrische Akutstation eine Behandlungs-alternative. Außerdem ist nicht zu erwarten, dass der Kranke freiwillig im Krankenhaus bleiben würde. Eine weitere Unterbringung von zumindest 2 Wochen erscheint noch notwendig.“
Rechtlich führte das Erstgericht – soweit für das Revisionsrekursverfahren wesentlich – aus, auf der „(teil-)forensischen Abteilung“ sei das Pflegepersonal für die Gefahrenabwehr besser geschult und es sei auch ein Entweichen des Kranken unwahrscheinlicher als von der jugendpsychiatrischen Station. Die Unterbringung auf der „(teil‑)forensischen Abteilung“ sei zum Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung sowie zur Abwehr einer Gefahr für die Mitbewohner in der Wohngemeinschaft unerlässlich und stehe auch nicht außer Verhältnis. Der Kranke erfahre nicht sämtliche Ein-/Beschränkungen wie ein forensischer Patient. Die (therapeutische) Behandlung sei für den Kranken wegen des strikteren und geordneteren Tagesablaufs besser als auf der jugendpsychiatrischen Station sowie ein wichtiges Lernmodul. Außerdem sei überhaupt fraglich, ob Beschränkungen im Sinn des § 34a UbG vorlägen. Der Umstand, dass die „(teil‑)forensische Abteilung“ durch eine Schleusentür gesichert sei, könne nicht als solche Beschränkung angesehen werden; vielmehr handle es sich um eine unterbringungsimmanente Beschränkung. Auch ein strikterer und geordneterer Tagesablauf stelle als solcher noch keinen Eingriff im Sinn des § 34a UbG dar.
Die Beendigung der Unterbringung des Kranken erfolgte nach der Entscheidung des Erstgerichts am 3. 3. 2016.
Das Rekursgericht gab dem (nur) gegen Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses erhobenen Rekurs des Vereins nicht Folge. Es war rechtlich der Ansicht, dass die Unterbringung von nicht nach strafrechtlichen Bestimmungen (Untersuchungshaft, Strafhaft, Maßnahmenvollzug) angehaltenen Kranken im forensischen Bereich nicht schlichtweg unzulässig sei. Eine solche Maßnahme unterliege allerdings der gerichtlichen Prüfung nach § 34a UbG. Der Aufenthalt in der „Forensik“ sei für den Kranken ein wichtiges Lernmodul, weil er damit erfahre, dass Fremdaggressivität einen Maßnahmenvollzug zur Folge haben könne. Der Kranke könne aus tätlichen Auseinandersetzungen mit Mitpatienten lernen, Irritationen auszuhalten. Es sei zu erwarten, dass sich der striktere und geordnetere Tagesablauf auf der „(teil‑)forensischen Abteilung“ positiv auf Gesundheitszustand und Genesung des Kranken auswirke. Die Vorteile würden also überwiegen. Ein strikterer und geordneter Tagesablauf sei auch noch keine Beschränkung im Sinn des § 34a UbG. Die Schleusentüre, die die „(teil‑)forensische Abteilung“ abschließe, sei nur eine unterbringungsimmanente Beschränkung. Es sei weiterhin mit fremdgefährdenden Handlungen des Kranken gegenüber Mitpatienten zu rechnen. Daher sei weder die Verlegung in den offenen Bereich, noch jene auf die „normale“ jugendpsychiatrische Akutstation eine taugliche Behandlungsalternative. Dass die Besuchszeit auf der Station ***** nur eine halbe Stunde pro Tag betrage, sei nicht Gegenstand eines Antrags nach § 34a UbG gewesen. Der Rekurs sei daher nicht berechtigt.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 107/14g nicht ausdrücklich darauf eingegangen sei, unter welchen Voraussetzungen das Trennungsgebot für jugendliche psychiatrisch Untergebrachte in einer „forensischen Abteilung“ für Jugendliche gelte.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Patientenanwalts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Feststellung, dass die Unterbringung des Kranken auf der „jugendforensischen Station *****“ eine unzulässige Beschränkung eines sonstigen Rechts gemäß § 34a UbG darstellte.
Die Abteilungsleiterin erstattete eine als Revisionsrekursbeantwortung zu wertende Äußerung mit dem erschließbaren Antrag, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und in seinem – im Abänderungsantrag mitenthaltenen (RIS‑Justiz RS0041774) – Aufhebungsantrag berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekursbeantwortung ist unzulässig.
A. Zum Revisionsrekurs:
1. Nach § 34a UbG sind Beschränkungen sonstiger Rechte des Kranken während der Unterbringung, soweit nicht besondere Vorschriften bestehen, nur insoweit zulässig, als sie zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des § 3 Z 1 UbG oder zum Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung unerlässlich sind und zu ihrem Zweck nicht außer Verhältnis stehen. Auf Verlangen des Kranken oder seines Vertreters hat das Gericht unverzüglich über die Zulässigkeit einer solchen Beschränkung zu entscheiden. Durch diese mit der Unterbringungs‑ und Heimaufenthaltsnovelle 2010, BGBl I 2010/18, eingefügte, am 1. 7. 2010 in Kraft getretene Bestimmung dehnte der Gesetzgeber die gerichtliche Kontrollbefugnis auf die Beschränkung „sonstiger Rechte“ des Kranken aus.
2. Der Fachsenat hat bereits ausgesprochen, dass die Überstellung eines Kranken (ua) von einer Abteilung in eine andere als Teil der Unterbringung anzusehen ist und daher grundsätzlich der (unterbringungs‑)gerichtlichen Kontrolle unterliegt (7 Ob 15/12z = SZ 2012/39).
3. In seiner Entscheidung 7 Ob 107/14g (= RdM 2014/221 [Kopetzki] = SZ 2014/66 = JBl 2014, 813) hat der Fachsenat mit ausführlicher Begründung die Prüfkompetenz nach § 34a UbG im Fall eines in einer psychiatrischen Krankenanstalt untergebrachten jugendlichen Kranken für die Frage bejaht, ob dieser von den dort in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen (Untersuchungshaft, Strafhaft, Maßnahmevollzug) angehaltenen Erwachsenen zu trennen sei.
4. Der wiedergegebenen Rechtsprechung folgend ist auch im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die hier erfolgte Verlegung des Kranken von der Abteilung für Kinder‑ und Jugendpsychiatrie in die Abteilung für Psychiatrie ***** mit forensischem Schwerpunkt der Überprüfung nach § 34a UbG grundsätzlich zugänglich ist, kann es doch durch diesen Wechsel in eine andere Abteilung zu einer zusätzlichen (spezifischen) Einschränkung der Persönlichkeitsrechte des Kranken kommen.
5. Nach § 38a Abs 1 KAKuG dürfen in Abteilungen und Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie geschlossene Bereiche geführt werden. Diese müssen von den übrigen Bereichen unterscheidbar sein. Gemäß § 38a Abs 3 KAKuG dienen geschlossene Bereiche der Anhaltung von psychisch Kranken, auf die das UbG Anwendung findet. Geschlossene Bereiche von Sonderkrankenanstalten für Psychiatrie dienen nach dieser Bestimmung aber auch der Anhaltung von Personen, deren Anhaltung oder vorläufige Anhaltung gemäß § 21 Abs 1 StGB, nach den §§ 71 Abs 3 und 167a StVG oder § 429 Abs 4 StPO in einer Krankenanstalt oder Abteilung für Psychiatrie angeordnet wurde. Demnach sieht der Gesetzgeber eine generelle Trennung der zuvor genannten Personengruppen nicht vor.
6. Der Verein vertritt die Ansicht, dass die Unterbringung des Kranken in einer „(teil‑)forensischen Abteilung“ schon an sich diskriminierend sei, weil dies der Anhaltung eines unbescholtenen Bürgers im Rahmen des Strafvollzugs gleichkomme. Dieser Ansicht vermag sich der Fachsenat jedoch nicht anzuschließen, weil nicht die Bezeichnung einer Abteilung, sondern die Bedürfnisse der dort versorgten Patientengruppen (die Art ihrer Krankheitsbilder), die erbrachten Leistungen und– namentlich im vorliegenden Kontext – die Eignung der Maßnahme zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des § 3 Z 1 UbG oder zum Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung maßgeblich sind.
7. In der bereits angesprochenen Entscheidung 7 Ob 107/14g (= RdM 2014/221 [Kopetzki] = SZ 2014/66 = JBl 2014, 813) verwies der Fachsenat insbesondere auf das Trennungsgebot, das in § 36 Abs 3 JGG für den Vollzug der Untersuchungshaft und in § 55 Abs 2 JGG für den Jugendstrafvollzug zum Ausdruck komme. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass ein gemeinsamer Vollzug der Untersuchungs- und Strafhaft an Jugendlichen und Erwachsenen im Normalfall einen schädlichen Einfluss oder eine sonstige Benachteiligung des jugendlichen Strafgefangenen besorgen lässt. Durch die Trennung des Vollzugs soll vor allem einer sich nachteilig auf die Psyche jugendlicher Strafgefangener auswirkenden Isolierung begegnet werden, die zwangsläufig dann die Folge wäre, wenn sich in einer Anstalt neben Erwachsenen nur ein Jugendlicher oder nur einige wenige Jugendliche befinden. Als Ergebnis folgte das Gebot, dass ein in einer psychiatrischen Krankenanstalt untergebrachter jugendlicher Patient von den dort in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen (Untersuchungshaft, Strafhaft, Maßnahmevollzug) angehaltenen Erwachsenen zumindest im Regelfall zu trennen ist. Für den hier zur maßgeblichen Zeit jugendlichen Kranken ergibt sich allerdings weder aus dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt noch aus dem Akteninhalt oder dem Rechtsmittelvorbringen ein Anhaltspunkt dafür, dass dieser gemeinsam mit in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen angehaltenen Erwachsenen untergebracht gewesen ist.
8. Jene Nachteile, die das Gebot der Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen erfordern, nämlich ein möglicherweise schädlicher Einfluss (tendenziell stärkerer) Erwachsener (vgl § 36 Abs 3 JGG) und die Gefahr einer Isolierung einzelner Jugendlicher, sind bei einer gemeinsamen Unterbringung psychiatrisch und in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen untergebrachter Jugendlicher nicht generell zu erwarten. Nach Ansicht des Fachsenats besteht daher kein generelles Gebot, psychiatrisch untergebrachte Jugendliche von in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen untergebrachten Jugendlichen zu trennen. Ein solches kann insbesondere auch nicht aus den § 360 Abs 1 EO, § 129 StVG und § 185 StPO abgeleitet werden, bezwecken diese Bestimmungen doch keine spezifische Abgrenzung unterschiedlicher Gruppen von angehaltenen Jugendlichen, sondern verfolgen andere Zielsetzungen. Ob daher eine Trennung psychiatrisch und in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen untergebrachter Jugendlicher geboten ist, bestimmt sich generell danach, ob dies im Einzelfall notwendig ist, um dem Schutzgebot des § 1 Abs 1 UbG zu entsprechen und hier im Besonderen danach, ob die Unterbringung in der Abteilung für Psychiatrie ***** mit forensischem Schwerpunkt – sofern daraus überhaupt ein zusätzlicher Eingriff in Rechte des Kranken resultierte – zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des § 3 Z 1 UbG oder zum Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung unerlässlich war (§ 34 Abs 2 Satz 1 UbG). Eine abschließende Beurteilung dieser Frage ist aber auf der Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen nicht möglich:
9. Das Erstgericht hat festgestellt, dass „forensische“ Patienten auf dieser Station in gewissen Bereichen andere/striktere Be‑/Einschränkungen als die nicht forensisch Untergebrachten erfahren und die Patienten nebeneinander „anders“ geführt werden. Allerdings fehlen konkrete Feststellungen, inwieweit sich einerseits die Betreuung der psychiatrisch untergebrachten Kranken in der Abteilung für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt von jener in der typischerweise für Kinder und Jugendliche bestimmten Abteilung für Kinder‑ und Jugendpsychiatrie unterscheidet und andererseits die nicht forensischen Patienten wie der Kranke „anders“ behandelt werden. Diese Unterschiede könnten sich etwa aus dem von den Vorinstanzen ins Treffen geführten „strikteren und geordneteren Tagesablauf“ ergeben, doch werden die jeweiligen Tagesabläufe vom Erstgericht nicht näher beschrieben und die Unterschiede vom Rekursgericht selbst als „nicht näher konkretisiert“ bezeichnet. Auch die vom Revisionsrekurs angesprochenen Besuchsbeschränkungen in der Abteilung für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt könnten bei diesem Vergleich eine Rolle spielen. Infolge fehlender Feststellungen zu den unterschiedlichen Tagesabläufen kann aber derzeit weder entschieden werden, ob durch die Verlegung des Kranken in die andere Abteilung überhaupt eine relevante Einschränkung seiner sonstigen Rechte erfolgte, noch können gegebenenfalls bestehende Unterschiede in den Tagesabläufen ohne nähere Prüfung vorweg als unterbringungsrechtlich irrelevant erkannt werden.
10. Es fehlen auch Feststellungen dazu, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise überhaupt in der Abteilung für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt direkte Kontakte zwischen psychiatrisch und in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen untergebrachten Jugendlicher bestehen, werden diese doch nach der Feststellung des Erstgerichts „nebeneinander anders geführt“. Demnach ist keine Beurteilung möglich, ob derartige Kontakte gegebenenfalls dem Schutzgebot des § 1 Abs 1 UbG widersprechen.
11. Die Vorinstanzen haben die Unterbringung des Kranken in der Abteilung für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt damit gerechtfertigt, dass es sich dabei für diesen deshalb um ein wichtiges Lernmodul handle, weil er erfahre, dass Fremdaggressivität den Maßnahmenvollzug zur Folge haben könne. Die Möglichkeit einer solche Erfahrung allein rechtfertigt die Verlegung des Kranken in die Abteilung für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt aber jedenfalls nicht. Diese darf nur zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des § 3 Z 1 UbG oder zum Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung erfolgen (§ 34 Abs 2 Satz 1 UbG), nicht aber zur Disziplinierung (vgl 7 Ob 229/09s = SZ 2009/169 = EvBl 2010/66) oder zur Abschreckung.
12. Die Vorinstanzen haben auch auf den Umstand verwiesen, dass ein Mitpatient, mit dem der Kranke bereits eine tätliche Auseinandersetzung hatte, weiterhin eine Irritation für den Kranken darstellen und deshalb dazu beitragen kann, dass dieser lernt, solche Irritationen besser auszuhalten. Auch diese Möglichkeit trägt eine allfällige Einschränkung sonstiger Rechte des Kranken nicht, weil dessen Verlegung nicht den Zweck haben darf, ihn bewusst potentiellen Konfliktsituationen auszusetzen.
13. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zunächst zu klären haben, wodurch sich die Unterbringung des Kranken in der einen und in der anderen Abteilung konkret unterscheidet und in welchem Ausmaß dieser in der Abteilung für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt gegebenenfalls mit den in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen untergebrachten Jugendlichen Kontakt hat. Nach Klärung dieser Fragen kann dann– allenfalls – eine Ergänzung des Sachverständigengutachtens dahin erforderlich sein, ob aus der Unterbringung in der Abteilung für Psychiatrie mit forensischem Schwerpunkt gegebenenfalls resultierende Einschränkungen zur Abwehr einer Gefahr im Sinn des § 3 Z 1 UbG oder zum Schutz der Rechte anderer Personen in der psychiatrischen Abteilung unerlässlich waren (§ 34 Abs 2 Satz 1 UbG) und warum diese Gefahrenabwehr auf der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie vermeintlich nicht gleichwertig erfolgen konnte. Im Fall relevanter Kontakte des Kranken zu in Vollziehung strafrechtlicher Bestimmungen untergebrachten Jugendlichen muss geklärt werden, ob diese dem Schutzgebot des § 1 Abs 1 UbG widersprachen. Zu diesem Zweck war dem Revisionsrekurs im Sinn der beschlossenen Aufhebung zur Verfahrensergänzung Folge zu geben.
B. Zur Revisionsrekursbeantwortung:
Gemäß § 28 Abs 3 UbG, der zufolge § 29a UbG auch für das Revisionsrekursverfahren gilt, kommt das Recht zur Rekursbeantwortung nur dem Kranken und seinem Vertreter gegen Rechtsmittel des Leiters der Einrichtung zu (7 Ob 15/12z; 7 Ob 59/13x; 7 Ob 173/13m). Ein Verfahren nach § 38a UbG, in dem eine Rechtsmittelbeantwortung des Leiters der Einrichtung zulässig wäre (vgl 7 Ob 120/14v; anders noch 7 Ob 59/13x), liegt hier nicht vor, weil die Unterbringung nicht schon vor der Entscheidung des Gerichts nach § 20 UbG aufgehoben wurde (7 Ob 218/12b). Die unzulässige Revisionsrekursbeantwortung der Leiterin der Abteilung für Psychiatrie ***** mit forensischem Schwerpunkt war daher zurückzuweisen.
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