OGH 14Os108/16p

OGH14Os108/16p24.1.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Jänner 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Oeljeschläger als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des DI Dr. Andreas B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. September 2016, GZ 024 Hv 27/16p‑151, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00108.16P.0124.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

 

Begründung:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des DI Dr. Andreas B***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer anhaltenden wahnhaften Störung, beruht

I/ am 2. Juli 2014

A/ Polizeibeamte mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich der Feststellung seiner Identität und (vgl US 7) der Vollziehung einer gegen ihn vom Bezirksgericht L***** erlassenen Einstweiligen Verfügung zu hindern versucht, indem er Natascha H***** zunächst einen Stoß gegen die linke Schulter versetzte sowie in weiterer Folge mit seinem Einkaufstrolley um sich und damit auch gegen ihren linken Arm schlug;

B/ durch die zu Punkt I/A beschriebene Handlung die Polizeibeamtin Natascha H***** während der Vollziehung ihrer Aufgaben vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch diese drei großflächige Abschürfungen mit Rötungen am linken Unterarm erlitt;

II/ von 23. April 2014 bis September 2016 Laila Y***** dadurch, dass er während dieses Zeitraums teilweise mehrfach täglich ihren Arbeitsplatz (eine Buchhandlung) aufsuchte, durch Anrufe an ihrem Arbeitsplatz sowie Übergeben und Hinterlassen von Nachrichten Kontakt zu ihr herstellte, am 2. Juli 2014 mehrfach die Eingangstür zu dieser Buchhandlung verbarrikadierte, bis August 2016 dort Zeichen seiner Anwesenheit wie Sticker und Luftgirlanden für sie deponierte „und selbst am Verhandlungstag am 21. September 2016 am Tisch für die Zeugenvernehmung ein Lichtbild für sie hinterlegte, bevor er aus dem Saal abtrat“, vorsätzlich an der Gesundheit geschädigt, wobei die Tat eine länger als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung, nämlich eine Anpassungsstörung mit Beeinträchtigung diverser Gefühle zur Folge hatte,

und dadurch die Vergehen des Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 StGB (I/A) sowie der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 StGB (I/B) und „nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 idF BGBl Nr. 605/1987“ (II) begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und b und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Soweit der Beschwerdeführer zu den Schuldsprüchen I/A und B mit dem Verweis auf seine Verantwortung (ON 150 S 22) reklamiert (Z 9 lit a, nominell verfehlt auch Z 5 [vgl Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 420]), das Erstgericht hätte im Zusammenhang mit der gegen ihn vom Bezirksgericht L***** erlassenen Einstweiligen Verfügung (weitere) Feststellungen dahingehend treffen müssen, dass er dagegen Rekurs erhoben habe, leitet er deren Notwendigkeit nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS‑Justiz RS0116565; zum grundsätzlichen Fehlen hemmender Wirkung derartiger Rekurse vgl im Übrigen Kodek in Angst/Oberhammer , EO 3 § 402 Rz 6).

Der Einwand der weiteren Rechtsrüge (Z 9 lit b), das Erstgericht sei einem möglichen Irrtum des Beschwerdeführers über „die Berechtigung der Polizisten zum Einschreiten“ nicht weiter nachgegangen, geht zum Einen nicht von der Gesamtheit der Feststellungen (US 13) aus (RIS‑Justiz RS0099810) und erklärt zum Anderen nicht, weshalb ein – hier ersichtlich angesprochener – zustandsbedingter Irrtum über die tatsächliche Seite eines Rechtfertigungsgrundes (vgl Danek in WK 2 StGB § 269 Rz 70 [zur Rechtsnatur des § 269 Abs 4 StGB]) der Annahme einer mit Strafe bedrohten (Anlass‑)Tat entgegenstehen sollte (RIS‑Justiz RS0089282; Ratz in WK 2 StGB § 21 Rz 18).

Auch die Sanktionsrüge (Z 11 [richtig] zweiter Fall) entfernt sich mit der Kritik, das Erstgericht habe „nichts über die Substituierbarkeit des Maßnahmenvollzugs festgestellt“, vom Urteilsinhalt (vgl US 10, 15 f und 19). Indem diese Argumentation erkennbar nur das – auf eine einzelfallbezogene Gesamtwürdigung der Erkenntnisquellen gestützte und nicht bloß schematisch begründete – Unterbleiben bedingter Nachsicht der Maßnahme bekämpft, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (RIS‑Justiz RS0099865; Ratz , WK‑StPO § 281 Rz 728; ders in WK 2 StGB § 45 Rz 14).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO). Bleibt anzumerken, dass das – nach dem Urteilssachverhalt (US 5 ff) im Rahmen einer tatbestandlichen Handlungseinheit (RIS‑Justiz RS0122006; vgl auch Kienapfel/Schroll BT I4 § 83 Rz 19 f; 14 Os 35/07i), zuletzt (US 8) auch nach Inkrafttreten des § 84 Abs 4 StGB idgF (BGBl I 2015/112) gesetzte – Verhalten einheitlich dem Verbrechen der schweren Körperverletzung nach dieser Fassung (und nicht wie vom Erstgericht dem Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB idF BGBl 1987/605) zu subsumieren gewesen wäre (RIS‑Justiz RS0091813; Triffterer, SbgK § 61 Rz 18). Zu amtswegiger Wahrnehmung dieses Rechtsfehlers sah sich der Oberste Gerichtshof mangels nachteiliger Wirkung für den Betroffenen nicht veranlasst (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 21).

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