European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E117269
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagten Parteien sind schuldig, der klagenden Partei die mit 917,02 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 152,84 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist noch das Begehren des Klägers
1. auf Feststellung der Grunddienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtrechts zur landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (Mähen, Eggen, Heuwenden, Düngen) der im grundbücherlichen Eigentum des Klägers stehenden Grundstücke 1691/3 und 1728/2, je EZ * GB * auf dem Schotterweg, der über die den Beklagten je zur Hälfte gehörenden Grundstücke 1675/4 und 1675/5, je EZ * GB * verläuft;
2. auf Einwilligung in die bücherliche Einverleibung dieser Grunddienstbarkeit und
3. auf Entfernung einer am 10. 1. 2015 errichteten Absperrung des Servitutswegs, der über die Grundstücke 1675/4 und 1675/5, je EZ * GB * verläuft, in Form einer über dem Weg gespannten, an Eisenstangen befestigten, mit Schlüsselschloss versperrbaren Kette durch die Beklagten.
Das Erstgericht gab dem Feststellungs‑ und Einverleibungsbegehren statt, hingegen wies es das Begehren auf Entfernung der Absperrung ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils nicht Folge. Es änderte dieses Urteil hingegen infolge der Berufung des Klägers dahin ab, dass es auch dem Begehren auf Entfernung der Absperrung stattgab. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten bejahte auch das Berufungsgericht im Hinblick auf den Grundbuchstand die Passivlegitimation der Beklagten hinsichtlich des Grundstücks 1675/5. Zur Berufung des Klägers führte das Berufungsgericht aus, dass dem Servitutsberechtigten nach neuerer Rechtsprechung selbst die Errichtung eines unversperrten Schrankens, Gatters oder Tores nicht ohne weiteres zumutbar sei. Im vorliegenden Fall sei kein schutzwürdiges Interesse der Beklagten an einer versperrbaren Abschrankung zu erkennen, sodass der Kläger die von den Beklagten angebrachte Absperrung des Weges nicht hinnehmen müsse.
Das Berufungsgericht ließ die Revision gegen seine Entscheidung nachträglich mit der Begründung zu, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass es bei der vorzunehmenden Interessenabwägung den konkreten eingeschränkten Zweck der Dienstbarkeit zu wenig berücksichtigt habe und damit eine Überschreitung des Ermessensspielraums „im Einzelfall“ vorliege.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten, mit der sie die gänzliche Abweisung des Klagebegehrens anstreben.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die Zurück‑, hilfsweise die Abweisung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1.1 Die Beklagten legen mit ihrer Revision einen Beschluss des Bezirksgerichts T* vom 29. 7. 2016, NGB *; TZ * vor. Mit diesem Beschluss hat das Bezirksgericht als Grundbuchsgericht über einen Antrag auf Abschreibung des Grundstücks 1675/5 aus der EZ * GB * und Zuschreibung zur EZ * GB * entschieden. Der von den Beklagten behauptete Verstoß gegen die Einmaligkeitswirkung dieses Beschlusses liegt nicht vor.
1.2 Die Einmaligkeitswirkung (ne bis in idem) schließt zwischen den gleichen Parteien die neuerliche Geltendmachung eines gleichen Begehrens aus, das auf den gleichen rechtserzeugenden Sachverhalt gestützt ist und verwehrt die Sachverhandlung und Entscheidung über dieses idente Rechtsschutzbegehren (4 Ob 16/11y ua; RIS‑Justiz RS0041115). Weder betrifft jedoch der von den Revisionswerbern vorgelegte Beschluss des Grundbuchgerichts einen Rechtsstreit zwischen den identen Parteien, noch hat das Grundbuchsgericht über das hier zu behandelnde Klagebegehren entschieden. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall erheblich vom Sachverhalt der von der Beklagten für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung 7 Ob 8/15z. Die von den Beklagten in diesem Zusammenhang behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor.
2.1 Die Beklagten haben ihre mangelnde Passivlegitimation hinsichtlich des Grundstücks 1675/5 eingewandt. Dieses sei nicht Gegenstand des Kaufvertrags vom 20./22. 12. 2003 gewesen, mit dem die Beklagten nur das Grundstück 1675/4 erworben hätten. Das Grundstück 1675/5 sei bereits vor Abschluss dieses Kaufvertrags von den Voreigentümern der Beklagten an die Gemeinde T* abgetreten worden, die daran bereits vor Einbringung der Klage außerbücherliches Eigentum erworben habe.
2.2 Nach den Verfahrensergebnissen waren die Beklagten jedoch aufgrund des genannten Kaufvertrags je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer der Grundstücke 1675/4 und 1675/5. Zwischen den Parteien ist im Revisionsverfahren nicht strittig, dass das bücherliche Eigentum am Grundstück 1675/5 erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz, nämlich am 29. 7. 2016, an die Gemeinde T* übertragen wurde. Ausgehend davon zeigen die Revisionswerber keine Korrekturbedürftigkeit der Bejahung der Passivlegitimation der Beklagten (auch) hinsichtlich des Grundstücks 1675/5 durch das Berufungsgericht auf.
2.3 Dritten – wie dem Kläger – gegenüber schafft auch die mit der Rechtslage nicht übereinstimmende Eintragung in das Grundbuch einen Vertrauenstatbestand (§ 1500 ABGB): ein außerbücherliches Recht (hier: der Gemeinde T* am Grundstück 1675/5) muss dem gutgläubigen Erwerber weichen (Holzner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 431 Rz 23). Bei Ersitzung ist das Vertrauen des Erwerbers auf das Hauptbuch geschützt (1 Ob 261/15m; Dehn in KBB4 § 1500 Rz 2). Die Behauptung der Revisionswerber, dass es dem Kläger an der erforderlichen Redlichkeit für die von ihm geltend gemachte Ersitzung der Dienstbarkeit gefehlt habe, findet – worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat – in den Feststellungen keine Grundlage, sodass darauf nicht einzugehen ist.
2.4 Das Gesetz hat die Ausnahmen vom Eintragungsgrundsatz normiert (§ 425 ABGB), weshalb außerhalb dieses Bereichs kein Platz für sogenanntes außerbücherliches Eigentum sein kann (5 Ob 183/75, SZ 48/104; RIS‑Justiz RS0011290 [T1]). Eine solche Ausnahme vom Eintragungsgrundsatz (vgl dazu Holzner in Rummel/Lukas 4 § 431 Rz 2) betreffend die Übereignung des Grundstücks 1675/5 durch die Rechtsvorgänger der Beklagten an die Gemeinde T* liegt nicht vor. Entgegen der Rechtsansicht der Beklagten kommt es daher für die Beurteilung der Frage der Passivlegitimation der Beklagten in Bezug auf das Grundstück 1675/5 auf das daran behauptete außerbücherliche Eigentum der Gemeinde T* nicht an.
2.5 Die Beklagten waren auch noch im Zeitpunkt der Streitanhängigkeit (§ 232 Abs 1 ZPO, Zustellung der Klage an den Erstbeklagten am 4. 8. 2014, an die Zweitbeklagte am 22. 7. 2014) je zur Hälfte grundbücherliche Eigentümer des Grundstücks 1675/5. Der Umstand, dass das bücherliche Eigentum an diesem Grundstück nach Eintritt der Streitanhängigkeit an die Gemeinde T* übergegangen ist, schadet, worauf das Berufungsgericht im Zulassungsbeschluss hingewiesen hat, wegen § 234 Abs 1 ZPO nicht.
3.1 Die gemäß § 484 ABGB vorzunehmende Interessenabwägung ist stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig und stellt daher im Allgemeinen keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS‑Justiz RS0011720 [T17]).
3.2 Gemäß § 484 ABGB ist im Einzelfall bei der Beurteilung, ob dem Dienstbarkeitsberechtigten Erschwernisse zuzumuten sind, immer Natur und Zweck der Dienstbarkeit zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0106411). Eine derartige Abwägung hat selbst im Fall der Errichtung eines unversperrten Tores zu erfolgen (3 Ob 2338/96m mwH; 7 Ob 3/01v). Zutreffend hat das Berufungsgericht daher ausgeführt, dass nach der Rechtsprechung selbst die Errichtung eines unversperrten Schrankens, Gatters oder Tores dem Berechtigten nicht ohne weiteres zuzumuten ist (1 Ob 304/01i, SZ 2002/86; RIS‑Justiz RS0106411 [T3]; Hofmann in Rummel 3 § 484 Rz 5 mH auf 3 Ob 2338/96, NZ 1997, 165). Eine Einschränkung der Servitut durch den Verpflichteten kommt ohne zumindest schlüssige Zustimmung des Berechtigten nur bei nachträglicher wesentlicher Änderung der Umstände in Frage, die klar für eine stärkere Berücksichtigung der Interessen des Verpflichteten sprechen (RIS‑Justiz RS0011740 [T9]; Koch in KBB4 § 484 Rz 7). Es wurde auch bereits ausgesprochen, dass durch die Errichtung versperrter Tore für den Berechtigten eine unzumutbare Erschwerung der Ausübung der Dienstbarkeit des Geh‑ und Fahrtwegs selbst dann entstehen kann, wenn Schlüssel in ausreichender Anzahl vorhanden sind (1 Ob 58/58; RIS‑Justiz RS0011744; Spath in Schwimann/Kodek 4 § 484 Rz 9).
3.3 Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger die Absperrung des Wegs auch dann nicht dulden muss, wenn ihm die Schlüssel für die Absperrung ausgefolgt wurden, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang und ist keineswegs unvertretbar. Mit ihrer Behauptung, dass lediglich durch diese Absperrung gesichert wäre, dass der Kläger die Dienstbarkeit nur zum Zweck landwirtschaftlicher Bewirtschaftung, nicht aber darüber hinaus ausübe, zeigen die Beklagten auch in der Revision schon deshalb kein schutzwürdiges Interesse an der von ihnen errichteten Absperrung auf, weil der Kläger diese selbständig öffnen kann. Mit der weiteren Behauptung, dass die Absperrung nicht durch die Beklagten, sondern durch den Nachbarn A* errichtet worden wäre, weichen die Revisionswerber in unzulässiger Weise von den Feststellungen ab.
Die Revision war daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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