European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00102.16F.1220.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Imam C***** mehrerer Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat er von 1. Mai 2007 bis 22. April 2015 in W***** im einverständlichen Zusammenwirken mit der abgesondert verfolgten Aydan S***** in wiederholten Angriffen Personen, mögen sie auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, für die Prostitution in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, angeworben, indem sie in arbeitsteiligem Vorgehen in D***** und P*****/Bulgarien nach Kundenwünschen entsprechenden Frauen suchten, Aydan S***** mehrere bulgarische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und Bulgarien für die Prostitution in Österreich rekrutierte, Bewerbungsgespräche mit ihnen führte und ihnen die Arbeitsbedingungen erläuterte, worauf der Angeklagte und Aydan S***** den Transport der Frauen nach Österreich organisierten, indem sie teils von Aydan S***** selbst, teils von einem von dieser und dem Angeklagten beauftragten Fahrer ins Inland chauffiert wurden oder – nach Überweisung der für den Ankauf der Fahrkarten nötigen Beträge via Western Union – mit dem Bus einreisten, wo sie anschließend im Lokal „M*****“ entsprechend den im Ausland getroffenen Vereinbarungen der illegalen Prostitution nachgingen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Mit dem Einwand offenbar unzureichender Begründung der Überzeugung der Tatrichter von der Unglaubwürdigkeit des Angeklagten und der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen spricht die Mängelrüge keine entscheidende Tatsache an. Es handelt sich vielmehr um beweiswürdigende Erwägungen, die – wenn wie hier nicht undeutlich (Z 5 erster Fall) oder in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall) – nur Gegenstand einer gegen kollegialgerichtliche Entscheidungen unzulässigen Schuldberufung sein könnten (vgl Ratz, WK‑StPO § 281
Rz 431; RIS-Justiz RS0106588).
Die Ableitung der Urteilsannahmen zur Anwerbung bulgarischer Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland und Bulgarien für die Prostitution in Österreich durch den Angeklagten aus einer vernetzten Betrachtung einer Reihe von Verfahrensergebnissen, vor allem den Angaben der Zeugen Berk Si*****, Nazla Sh***** und Aleksandra A***** anlässlich deren polizeilicher Vernehmung und Ergebnissen der Überwachung von Nachrichten der Sprachtelefonie (US 7 ff), entspricht – der Beschwerdebehauptung bloßer Scheinbegründung zuwider – sowohl den Gesetzen logischen Denkens als auch den grundlegenden Erfahrungssätzen (RIS-Justiz RS0108609) und ist daher unter dem Gesichtspunkt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden.
Indem die Mängelrüge die Konstatierungen zum absprachekonformen arbeitsteiligen Zusammenwirken des Beschwerdeführers mit seiner Lebensgefährtin Aydan S***** (US 3 f, 9) ignoriert, isoliert Teile der Aussagen der eben genannten Zeugen wiedergibt und auf Basis eigener Beweiserwägungen die Ansicht vertritt, diese Beweismittel seien insgesamt als Grundlage für die kritisierten Feststellungen nicht geeignet, weil sich daraus explizit weder eine aktive Teilnahme des Angeklagten an der Rekrutierung der „Mädchen“, noch deren Nationalität oder gewöhnlicher Aufenthalt ergebe, orientiert sie sich prozessordnungswidrig nicht an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz RS0119370; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 394, 455) und übt bloß unzulässig
Beweiswürdigungskritik nach Art einer Schuldberufung.
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) baut ihre Rechtsauffassung, das Verhalten des Angeklagten sei nicht als „Anwerben“ im Sinn des § 217 Abs 1 erster Fall StGB zu beurteilen, auf der urteilsfremden Prämisse auf, die ihm „unterstellten Tätigkeiten“ hätten sich auf „das Überweisen von Geld bzw Organisation einer Fahrt reduziert“, und übergeht dabei erneut die Urteilsannahmen, nach denen Imam C***** und Aydan S***** bewusst und gewollt arbeitsteilig agierten, letztere dabei (aufgrund ihrer Orts- und Sprachkenntnisse) absprachekonform die eigentliche Rekrutierung, die Führung von Bewerbungsgesprächen und die Erläuterung der Arbeitsbedingungen übernahm und die anschließende Verbringung der Frauen nach Österreich sodann von ihr und dem Angeklagten gemeinsam organisiert wurde, wo die durchwegs bulgarischen Staatsangehörigen mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland oder Bulgarien in weiterer Folge gemäß der im Ausland getroffenen Vereinbarungen in den Bordellbetrieb eingegliedert wurden, dort illegal der Prostitution nachgingen und – neben einer Zimmermiete von 50 Euro pro Monat – jeweils einen Teil des Entgelts an den Angeklagten abführten (erneut US 3 f, 9). Solcherart verfehlt sie den im Urteilssachverhalt
gelegenen tatsächlichen
Bezugspunkt des materiellen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0099810).
Weshalb die konstatierte Vorgangsweise des Beschwerdeführers den in ständiger Rechtsprechung entwickelten, von der Beschwerde grundsätzlich richtig zitierten Voraussetzungen für die Subsumtion nach § 217 Abs 1 erster Fall StGB (RIS-Justiz RS0109314, RS0095539) nicht entsprechen sollte, erklärt sie nicht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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