OGH 7Ob198/16t

OGH7Ob198/16t9.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI J***** J*****, vertreten durch Mag. Rudolf Lind, Rechtsanwalt in Korneuburg, gegen die beklagte Partei Marktgemeinde G*****, vertreten durch Mag. Helmut Marschitz und Dr. Harald G. Beber, Rechtsanwälte in Mistelbach, und die Nebenintervenientin Land N*****, vertreten durch die Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 142.566,89 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 10. August 2016, GZ 11 R 97/16i‑219, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00198.16T.1109.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird im Kostenpunkt gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO, im Übrigen gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Die Schlüssigkeit der Klage kann nur anhand der konkreten Behauptungen im Einzelfall geprüft werden; ob eine Klage schlüssig ist, sich also der Anspruch aus dem behaupteten Sachverhalt ergibt, kann daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO sein (RIS‑Justiz RS0037780; RS0042828; RS0116144). Die Ansicht der Vorinstanzen, der Kläger habe im erstinstanzlichen Verfahren kein ausreichendes Vorbringen zu den erbrachten Leistungen erstattet, die den (Teil‑)Honorarrechnungen zugrunde liegen, ist nicht zu beanstanden. Da die Beurteilung der mangelnden Schlüssigkeit der Klagebehauptungen im Rahmen der zitierten Rechtsprechung jedenfalls vertretbar gelöst wurde, kommt es auf die Frage der Einhaltung der dreijährigen Verjährungsfrist nicht mehr an.

2. Sowohl der Werkbesteller als auch der Werkunternehmer haben das Recht zum Rücktritt vom Vertrag, wenn sie das Vertrauen in den Vertragspartner wegen dessen treuwidrigen Verhaltens verloren haben, sodass ihnen die Aufrechterhaltung des Vertrags nicht mehr zugemutet werden kann (RIS‑Justiz RS0111147; RS0018286). Ob derart wichtige Gründe vorliegen, die zu einer sofortigen Vertragsaufhebung berechtigen, ist ebenfalls eine Frage des Einzelfalls, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (7 Ob 77/06h; 2 Ob 163/13d = RIS‑Justiz RS0018286 [T9]).

Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die massiven Vorwürfe des Klägers, die er sowohl in einem an alle Haushalte verschickten Flugblatt als auch im Gespräch mit Bürgern gegenüber der „Gemeindeführung“ (insbesondere dem Bürgermeister) der Beklagten erhob, als grober Verstoß gegen das vertragliche Vertrauensverhältnis zu qualifizieren seien, das die Beklagte zum sofortigen Rücktritt aus wichtigem Grund berechtigt habe, ist nicht zu beanstanden. Infolge gerechtfertigten Vertragsrücktritts wegen der schwerwiegenden Erschütterung des Vertrauens in den Kläger steht ihm der geltend gemachte entgangene Gewinn aus der unterbliebenen Auftragserfüllung nicht zu.

3. Auch wenn der Mangel der gesetzlichen Vertretung einer Gebietskörperschaft (wie der beklagten Gemeinde) gemäß § 6 Abs 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (und zu beheben) ist (RIS‑Justiz RS0035373; RS0118610; RS0118612), wurde die diesbezüglich vom Kläger behauptete Nichtigkeit bereits vom Berufungsgericht verneint, sodass ihre Wahrnehmung in dritter Instanz (RIS‑Justiz RS0042981) nicht mehr möglich ist.

4. Der Ausschluss eines Rekurses gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über den Kostenpunkt (§ 528 Abs 2 Z 3 ZPO) erstreckt sich auf sämtliche Entscheidungen, in denen in irgendeiner Form über Kosten abgesprochen wird. Das Gericht zweiter Instanz entscheidet daher in allen mit Kostenansprüchen zusammenhängenden Fragen endgültig (RIS‑Justiz RS0044233). Soweit sich eine Revision gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts wendet, ist sie als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0044233 [T27]). Der Zweck dieser Bestimmung ist, die Anrufung des Obersten Gerichtshofs im Kostenpunkt überhaupt auszuschließen (RIS‑Justiz RS0044233 [T18] ua).

5. Es werden insgesamt keine über den Einzelfall hinausgehenden erheblichen Rechtsfragen geltend gemacht. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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