OGH 9Ob60/16p

OGH9Ob60/16p28.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshof Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** L*****, vertreten durch Dr. Helmut Trenkwalder, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagte Partei E***** D*****, vertreten durch ANWALTGMBH Rinner Teuchtmann in Linz, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Mai 2016, GZ 14 R 42/16v‑22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00060.16P.1028.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Frage, ob den Mieter am Mietzinsrückstand grobes Verschulden trifft, ist jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängig (RIS‑Justiz RS0042773 [T1]). Aufgrund dieser Einzelfallbezogenheit kann dadurch die Zulässigkeit der Revision nur dann begründet werden, wenn das Berufungsgericht den ihm bei der Beurteilung des groben Verschuldens an der nicht rechtzeitigen Zahlung des Mietzinses eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat (RIS‑Justiz RS0042773 [T3]). Dies ist hier nicht der Fall.

Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Frage, ob den Mieter an der verspäteten Zahlung des Mietzinses ein grobes Verschulden trifft, seine „Willensrichtung“, die zur Zahlungssäumnis führte, maßgebend (RIS‑Justiz RS0069316 [T2, T14]). Grobes Verschulden setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (RIS‑Justiz RS0069304). Der Oberste Gerichtshof hat es schon mehrfach als zulässig angesehen, bei der Beurteilung des Verschuldens auch das Zahlungsverhalten des Mieters vor dem Räumungsprozess zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0069316 [T13]). Häufige Rückstände trotz Mahnung können nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausschließen (RIS‑Justiz RS0070310).

Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen der Rechtsprechung auch nicht abgewichen. Der beklagte Mieter geriet in den letzten Jahren vor Einbringung der gegenständlichen Räumungsklage am 17. 11. 2014 immer wieder mit den monatlichen Mietzinszahlungen in Verzug. Insbesondere ab Herbst 2012 bedurfte es zahlreicher mündlicher und schriftlicher Mahnungen des klagenden Vermieters, damit der Beklagte die Mietzinsrückstände beglich. Trotz einer bereits im April 2014 eingebrachten Räumungsklage wegen offener Mietzinse für die Monate Februar und März 2014 – dieses Verfahren endete durch einen Vergleich, in dem der Beklagte durch die Verpflichtung zur Zahlung der rückständigen und bis 30. 6. 2014 fälligen Mietzinse die Räumungsverpflichtung noch abwendenkonnte – und dem in erster Instanz ab 17. 11. 2014 anhängigen streitgegenständlichen Räumungsverfahren bezahlte der Beklagte die Mietzinse für die Monate August 2014 bis April 2015 nicht rechtzeitig, sondern zum Teil erst mehrere Monate nach deren Fälligkeit.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts hätten die vom Beklagten – als insofern behauptungs‑ und beweispflichtige Partei (RIS‑Justiz RS0069316) – vorgebrachten persönlichen und wirtschaftlichen Umstände (Umsatzeinbuße wegen Ausfall eines Großlieferanten im Jänner 2012, eingeschränkte Arbeitsfähigkeit von August bis Dezember 2014 wegen eines Fahrradunfalls und Tod der Mutter im September 2014) die Gesamtsituation des Beklagten zwar erschwert, sie seien aber nicht Ursache für die jahrelangen Zahlungsschwierigkeiten gewesen. Die übereinstimmende Beurteilung der Vorinstanzen, dass es dem Beklagten damit nicht gelungen sei, zu beweisen, dass ihn an der nicht rechtzeitigen Zahlung der Mietzinse kein grobes Verschulden treffe, ist nicht zu beanstanden. Dabei wurden auch die persönlichen Umstände des Beklagten ausreichend berücksichtigt.

Dem Einwand des Beklagten, dass der Kläger sein Zahlungsverhalten jahrelang akzeptiert habe, weil dieser das Mietvertragsverhältnis nicht (schon früher) aufgelöst habe, hat bereits das Berufungsgericht zutreffend entgegengehalten, dass der Kläger – entgegen den Behauptungen des Beklagten – einer Verschiebung des Fälligkeitstermins der Mietzinse nie zugestimmt, sondern vielmehr die fälligen Mietzinse laufend eingemahnt hat. Auch der in der außerordentlichen Revision angesprochene Umstand, dass es in der Vergangenheit über die Mietzinsrückstande dann letztlich doch immer wieder zu einer Einigung der Vertragsparteien gekommen sei, trägt keine andere Beurteilung des Verschuldensgrades.

Mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO war daher die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

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