OGH 1Ob170/16f

OGH1Ob170/16f19.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers D***** I*****, vertreten durch Mag. Thomas Schwab, Rechtsanwalt in Zell am See, gegen die Antragsgegnerin S***** I*****, vertreten durch Mag. Alfred Hütteneder, Rechtsanwalt in Bad Hofgastein, wegen Vermögensaufteilung nach den §§ 81 ff EheG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 28. Juli 2016, GZ 21 R 151/16a‑43, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Saalfelden vom 18. Februar 2016, GZ 5 Fam 70/14b‑37, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0010OB00170.16F.1019.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen, die im Übrigen bereits in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Hinblick auf die beantragte Ausgleichszahlung und im Ausspruch über die Verfahrenskosten dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die Antragsgegnerin ist schuldig, dem Antragsteller binnen 14 Tagen eine Ausgleichszahlung in Höhe von 2.752,75 EUR zu leisten.

Die Einrede einer Gegenforderung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, der Antragsgegnerin 8.727,19 EUR (darin 1.454,53 EUR an USt) an anteiligen Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.“

 

Begründung:

Der Antragsteller hatte ursprünglich unter Hinweis auf werterhöhende Investitionen in eine Liegenschaft der Antragsgegnerin eine Ausgleichszahlung in Höhe von 18.000 EUR und darüber hinaus die Herausgabe verschiedener Gegenstände gefordert, deren Gegenwert er mit 1.000 EUR angab. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch eine Ausgleichszahlung in Höhe von 2.752,75 EUR, wobei die Antragsgegnerin schon im Rekursverfahren nicht mehr bestritten hatte, dass sich rechnerisch eine Ausgleichszahlung zugunsten des Antragstellers in dieser Höhe ergibt. Im erstinstanzlichen Verfahren hatte sie das Bestehen eines Aufteilungsanspruchs des Antragstellers überhaupt bestritten und gegen das Begehren auf eine Ausgleichszahlung insbesondere eingewendet, dass er keinerlei werterhöhende Aufwendungen auf ihre Liegenschaft geleistet habe. Darüber hinaus wandte sie Forderungen in Höhe von 7.073,45 EUR „aufrechnungsweise“ ein, die ihr aufgrund rechtskräftiger Gerichtsentscheidungen zustünden. Später bezifferte sie ihre (näher aufgeschlüsselten) Gegenforderungen mit insgesamt 19.655,73 EUR und erklärte, diese der Antragsforderung aufrechnungsweise entgegenzuhalten.

Das Erstgericht wies den Aufteilungsantrag ab. Bei der Vermögensaufteilung seien Werterhöhungen an in die Ehe eingebrachten Sachen zu berücksichtigen. Hier kämen insgesamt 5.505 EUR an werterhöhenden Aufwendungen als der Aufteilung unterliegend in Frage. Die Summe aus den dem Antragsteller zustehenden Beträgen erreiche aber nicht die Höhe seiner gegenüber der Antragsgegnerin bestehenden Verbindlichkeiten, sodass der Aufteilungsantrag zur Gänze abzuweisen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Bei der Ermittlung der Ausgleichszahlung sei dem Erstgericht kein Verfahrensfehler unterlaufen. Auch wenn im Außerstreitverfahren eine formelle Aufrechnungseinrede im Sinne des § 391 Abs 3 ZPO nicht vorgesehen sei, könne die von der Antragsgegnerin förmlich erklärte Aufrechnung jedenfalls auch als „vorprozessuale Aufrechnungserklärung“ gewertet werden, mit der ein Schuldtilgungseinwand geltend gemacht wird. Das Erstgericht habe daher im Ergebnis durchaus davon ausgehen dürfen, dass die Antragsgegnerin mit den unbekämpft festgestellten Forderungen gegen den Antragsgegner gegen den geltend gemachten Aufteilungsanspruch aufrechnen dürfe (und zwar im Sinne der Geltendmachung eines außergerichtlichen Schuldtilgungs-einwands), wobei im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz eine Aufrechnungslage bereits eingetreten gewesen sei. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Aufrechenbarkeit von Forderungen im Außerstreitverfahren aufgrund einer außergerichtlichen Aufrechnung Leitjudikatur des Höchstgerichts fehle.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Antragstellers ist zulässig, weil das Rekursgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Er ist im Sinne eines Zuspruchs der im Revisionsrekursverfahren noch begehrten Ausgleichszahlung auch berechtigt.

Zutreffend verweist der Revisionsrekurswerber darauf, dass die im erstinstanzlichen Verfahren abgegebene Erklärung der Antragsgegnerin nur als Eventualaufrechnung verstanden werden kann, hat sie doch in erster Linie das Bestehen jeglichen Anspruchs auf eine Ausgleichszahlung bestritten. Nach der (weiterhin) ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann eine derartige bedingte Aufrechnungserklärung im Bereich des materiellen Rechts nicht zur Schuldtilgung führen, weil für die Tilgungswirkung die Anerkennung der Hauptforderung erforderlich ist (RIS‑Justiz RS0033970). Selbst wenn man daher in der im Verfahren abgegebenen Erklärung der Antragsgegnerin die Berufung auf eine soeben vorgenommene materielle Aufrechnung sehen wollte, wäre ihr damit nicht geholfen.

Für die „Prozessaufrechnung“ wird auch zum neuen AußStrG judiziert, dass die einredeweise Geltendmachung von (nicht im selben Verfahren zu entscheidenden) Gegenforderungen unzulässig ist, weil eine dem § 391 Abs 3 ZPO entsprechende Bestimmung fehlt (RIS‑Justiz RS0006058). Ob dies auch für solche Gegenforderungen aufrecht zu erhalten ist, über die nicht mehr gerichtlich abzusprechen ist, weil deren Bestehen bereits rechtskräftig festgestellt wurde, ist im vorliegenden Fall nicht von entscheidender Bedeutung, ist der Verfahrensgegenstand doch keine „gewöhnliche“ Geldforderung. Der Aufteilungsanspruch wird nämlich – auch wenn der Antragsteller nach seinem Aufteilungsvorschlag nur eine Ausgleichszahlung anspricht – nicht als eine „bloße Geldforderung“ angesehen (1 Ob 362/99p; 3 Ob 169/06h; RIS‑Justiz RS0013295 ua). Vielmehr ist vom Aufteilungsanspruch als solchem, der bereits mit Rechtskraft der eheauflösenden Entscheidung entsteht (2 Ob 184/03b mwN; RIS‑Justiz RS0057359 [T2]; RS0028360; RS0114060 [T2]), der konkrete Anspruch auf die vom Gericht allenfalls aufzuerlegende Ausgleichszahlung zu unterscheiden. Diese wird erst mit der Rechtskraft des entsprechenden gerichtlichen Beschlusses im Aufteilungsverfahren wirksam und zugleich fällig (3 Ob 169/06h). Vor Eintritt dieser Gestaltungswirkung der gerichtlichen Entscheidung im Aufteilungsverfahren besteht somit eine Geldforderung, gegen die aufgerechnet werden könnte, noch nicht. Eine Aufrechnung kann daher erst nach Rechtskraft einer den Anspruch auf eine Ausgleichszahlung begründenden gerichtlichen Entscheidung erfolgen. Schon aus diesem Grund ist die Aufrechnungseinrede der Antragsgegnerin zurückzuweisen. Auch im Falle einer „vorweggenommenen Aufrechnung“ tritt nach der höchstgerichtlichen Judikatur (6 Ob 178/03z; 3 Ob 169/06h) die Tilgungswirkung erst mit der Entstehung der Hauptforderung, im Fall der Aufrechnung gegen eine Verpflichtung zu einer Ausgleichszahlung nach § 94 Abs 1 EheG daher erst mit Rechtskraft der darüber ergehenden Entscheidung, ein. Da diese bei höchstgerichtlichen Entscheidungen jedenfalls die Zustellung voraussetzt, kann die Tilgungswirkung bei Fällung der Entscheidung noch nicht eingetreten sein.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher im Anfechtungsumfang dahin abzuändern, dass der Antragsgegnerin die der Höhe nach nicht mehr strittige Ausgleichszahlung von 2.752,75 EUR aufzuerlegen ist. Für den begehrten Zuspruch von Verzugszinsen bietet § 94 EheG keine Grundlage.

Bei der nach § 78 Abs 2 AußStrG zutreffenden Kostenentscheidung ist auf die unterschiedlichen Erfolgsverhältnisse in den verschiedenen Verfahrensabschnitten Bedacht zu nehmen. Im Verfahren erster Instanz (Streitwert 20.000 EUR) ist der Antragsteller nur mit rund 14 % seines Begehrens erfolgreich geblieben, im Rekursverfahren, in dem nur noch die begehrte Ausgleichszahlung in Höhe von 18.000 EUR strittig war, mit rund 15 %. Damit hat die Antragsgegnerin Anspruch auf den Ersatz von 70 % ihrer Verfahrenskosten in erster und zweiter Instanz (vgl etwa Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG § 78 Rz 82 mwN).

Mit dem Revisionsrekurs hat der Antragsteller zur Gänze obsiegt, sodass ihm insoweit voller Kostenersatz gebührt. Die Verrechnung der wechselseitigen Kostenersatzansprüche aus den verschiedenen Verfahrensabschnitten ergibt den im Spruch der Entscheidung ausgewiesenen Kostenersatzanspruch der Antragsgegnerin.

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