OGH 10ObS101/16z

OGH10ObS101/16z11.10.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Hofrat Dr. Schramm als Vorsitzenden, den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Werner Hallas (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Mag. Gerhard Eigner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Greuberstraße 77, 4021 Linz, vertreten durch Mag. Andreas Nösterer, Rechtsanwalt in Pregarten, wegen Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 22. Juni 2016, GZ 12 Rs 54/16x‑10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Jänner 2016, GZ 10 Cgs 133/15h‑5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00101.16Z.1011.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Mit ihrer Arbeitgeberin, bei der sie von 1. September 2008 bis 11. Juni 2015 beschäftigt war, hat die Klägerin am 12. Juli 2013 für den Zeitraum von 1. Oktober 2013 bis 31. März 2015 Bildungsteilzeit mit einer Reduktion des wöchentlichen Stundenausmaßes von 38,5 auf 28,5 Stunden vereinbart. Während des Zeitraums der Bildungsteilzeit erhielt die Klägerin vom Arbeitsmarktservice Bildungsteilzeitgeld in der Höhe von 7,60 EUR täglich. Ab 12. Juni 2015 bezog die Klägerin von der beklagten Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse Wochengeld. Ihre Tochter wurde am 7. August 2015 geboren.

Die beklagte Partei lehnte die Gewährung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens ab. Das Erstgericht wies die dagegen erhobene, auf Gewährung von Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens für den Zeitraum von 31. Oktober 2015 bis 6. August 2016 gerichtete Klage ab. Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren unter Bezugnahme auf die Entscheidung 10 ObS 153/15w dem Grunde nach statt und sprach eine vorläufige Zahlung zu.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die beklagte Partei im Wesentlichen geltend, die Entscheidung 10 ObS 153/15w sei durch jüngste Erläuterungen zu einer Regierungsvorlage (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP ) überholt. Darin werde eindeutig klargestellt, dass der vorherige Bezug von Bildungsteilzeitgeld einen Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld als Ersatz des Erwerbseinkommens verhindere.

Rechtliche Beurteilung

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage dargestellt.

Der Oberste Gerichtshof hat sich in der Entscheidung 10 ObS 153/15w vom 22. Februar 2016 ausführlich mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Bezug von Bildungsteilzeitgeld die negative Anspruchsvoraussetzung des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG („ dieser Elternteil in den letzten 6 Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes … keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat “) erfüllt, und ist unter Bezugnahme auf Gesetzesmaterialien (ErläutRV 340 BlgNR 24. GP  16, 1522 BlgNR 24. GP  1, 3 und 5) zu dem Ergebnis gelangt, dass Bildungsteilzeitgeld dem Bezug von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld nicht entgegensteht.

Mit dem Bundesgesetz BGBl I 2016/53 („Bundesgesetz, mit dem ein Gesetz über die Gewährung eines Bonus für Väter während der Familienzeit … erlassen wird sowie das Kinderbetreuungsgeldgesetz …. geändert werden“) wurde § 24 Abs 1 Z 2 KBGG dahin geändert, dass die Wortfolge „6 Monaten“ durch „182 Kalendertagen“ ersetzt wird. Diese Änderung tritt gemäß § 50 Abs 14 KBGG mit 1. März 2017 in Kraft und gilt für Geburten nach dem 28. Februar 2017.

In den Gesetzesmaterialien wird im Zusammenhang mit der Erlassung eines Bundesgesetzes über die Gewährung eines Bonus für Väter während der Familienzeit (FamZeitbG) Folgendes ausgeführt (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  2):

„Das Erwerbstätigkeitserfordernis entspricht im Grunde jenem nach § 24 Abs. 1 Z 2 Kinderbetreuungsgeldgesetz (KBGG) iVm § 24 Abs. 2 erster Satz KBGG. Diese Erwerbstätigkeit muss im relevanten 182‑Tage‑Zeitraum – wie auch jene nach dem KBGG – tatsächlich (also Tag für Tag) und durchgehend ausgeübt werden, der Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (zB Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Weiterbildungsgeld, Bildungsteilzeitgeld etc) vernichtet den Anspruch.“

Zur Änderung des § 24 Abs 1 Z 2 KBGG heißt es (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP  10):

„Unverändert bleibt der Ausschluss bei Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung (Arbeitslosengeld, Notstandshilfe, Weiterbildungsgeld, Bildungsteilzeitgeld etc) während des relevanten 6‑Monatszeitraumes.

Die bisherige 6‑Monatsfrist für die Erfüllung der Zusatzvoraussetzung (das ist das Erwerbstätigkeitserfordernis und der Nichtbezug von Arbeitslosenversicherungsleistungen) wird auf Tage umgestellt. Somit besteht in Hinkunft eine 182‑Tage‑Frist, wobei der Tag vor der Geburt (bzw vor Beginn des Mutterschutzes/der Karenz) den ersten Tag der Frist darstellt und die 182 Tage zurückgerechnet werden. In diesem Zeitraum von 182 Tagen muss tatsächlich (also eine faktisch an den Tag gelegte) Arbeits- bzw. Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sein oder eine dieser Tätigkeit gleichgestellte Zeit vorliegen.“

Wie die beklagte Partei in ihrer außerordentlichen Revision selbst einräumt, ist eine authentische Interpretation im Sinne des § 8 ABGB nicht erfolgt. Bloße Äußerungen im Rahmen eines Gesetzgebungsverfahrens sind keine authentische Interpretation (4 Ob 111/54, SZ 27/198; 7 Ob 546/90; RIS‑Justiz RS0008907 [T1]; VwGH 2008/15/0016). Eine Aussage über die authentische Interpretation muss demnach, auch wenn sie schlüssig erfolgt, stets (zumindest auch) im kundgemachten Text des „erklärenden Gesetzes“ enthalten sein (RIS‑Justiz RS0008908 [T3]).

In der Entscheidung 10 ObS 153/15w hat der Oberste Gerichtshof – zweifellos unter Heranziehung von Gesetzesmaterialien – § 24 Abs 1 Z 2 KBGG teleologisch reduziert. Diesem Ergebnis könnte der Gesetzgeber mit einer authentischen Interpretation entgegentreten, nicht jedoch bloß mit einer anderslautenden Erklärung in späteren Gesetzesmaterialien. Der Oberste Gerichtshof sieht keinen Anlass, von der ausführlich begründeten Ansicht in der Entscheidung 10 ObS 153/15w abzugehen, dass der Bezug von Bildungsteilzeitgeld den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld nicht ausschließt.

Mangels erheblicher Rechtsfrage ist die außerordentliche Revision der beklagten Partei zurückzuweisen.

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