OGH 5Ob2/16d

OGH5Ob2/16d25.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin R***** S*****, vertreten durch Dr. Anneliese Lindorfer und Mag. Dr. Bernhard Feichtner, Rechtsanwälte in Kitzbühel, gegen die Antragsgegner 1. A***** A*****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. B***** L*****, vertreten durch Dr. Heinrich Schmiedt, Rechtsanwalt in Kitzbühel, 3. Mag. N***** E*****, vertreten durch Mag. Katharina Dwyer, Mag. Helga Embacher, Rechtsanwältinnen in Kitzbühel, 4. Dr. S***** G*****, 5. I***** K*****, 6. F***** O*****, 7. R***** H*****, 8. Z*****GmbH, *****, 9. J***** E*****, 10. Mag. C***** E*****, 11. M***** N*****, 12. A***** R*****, 13. H***** M*****, 14. Mag. E***** S*****, wegen Erteilung der Zustimmung, infolge des Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 2. Juni 2015, GZ 1 R 139/15w‑22, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Kitzbühel vom 23. Februar 2015, GZ 4 Msch 18/14i‑10, und das vorangehende Verfahren ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag aufgetragen wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0050OB00002.16D.0825.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Antragstellerin ist schuldig, jeweils binnen 14 Tagen der Erstantragsgegnerin die mit 377,14 EUR (darin enthalten 62,86 EUR USt) und der Zweitantragsgegnerin die mit 377,14 EUR (darin enthalten 62,86 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin und die Antragsgegner sind (oder waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des Erstgerichts) jeweils Miteigentümer der Liegenschaft EZ 780 GB *****. Mit sämtlichen Miteigentumsanteilen ist Wohnungseigentum verbunden.

Mit der als „Antrag nach WEG 2002 zur Zustimmung der Verwendung als Freizeitwohnsitz“ bezeichneten Eingabe begehrte die Antragstellerin, das Erstgericht möge hinsichtlich ihres Wohnungseigentumsobjekts W 13 a. „aussprechen, dass der Verwendung dieser Wohnung als Freizeitwohnsitz die Zustimmung erteilt wird“, in eventu b. die „Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer ersetzen, sodass die Verwendung der Wohnung als Freizeitwohnsitz gestattet ist“. Die Antragstellerin brachte dazu zusammengefasst vor, sie habe die Wohnung bei der Gemeinde als Freizeitwohnsitz gemeldet. Das Tiroler Raumordnungsgesetz (TROG) lasse aber nur drei Wohnungen pro Wohngebäude als Freizeitwohnsitz zu. Das Stadtamt ***** habe daher der Antragstellerin iSd § 17 TROG aufgetragen, bis 31. 12. 2014 entweder einen Beschluss aller Wohnungseigentümer vorzulegen oder an dessen Stelle eine gerichtliche Entscheidung zu erwirken, wonach der Verwendung ihrer Wohnung als Freizeitwohnsitz zugestimmt werde. Ein einstimmiger Beschluss der Wohnungseigentümer sei nicht zu erreichen, weshalb die Entscheidung des Gerichts notwendig sei. Welche Entscheidung das sein solle, lasse § 17 TROG offen; es gehe hier jedenfalls weder um eine Widmungsänderung noch um eine Benützungsregelung.

Die Erst-, Zweit- und Drittantragsgegnerinnen sprachen sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht wies den Antrag „auf Ersetzung der Zustimmung der Miteigentümer“ mangels Vorliegens einer Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG zurück. Es sei auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer abzustellen, bau- oder raumordnungsrechtliche Widmungen würden die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht definieren. Die Bestimmung des § 17 TROG könne daher, solange nicht Widmungsänderungen iSd § 16 WEG vorlägen, niemals Rechtsgrundlage für eine Entscheidung des Außerstreitgerichts gemäß § 52 Abs 1 Z 2 iVm § 16 Abs 2 WEG sein.

Das Rekursgericht hob aus Anlass des Rekurses der Antragstellerin den Beschluss des Erstgerichts und das vorangehende Verfahren ab Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes als nichtig auf und trug dem Erstgericht die Einleitung des gesetzlichen Verfahrens über den als Klage zu wertenden Antrag auf. Rechtlich folgerte es zusammengefasst, dass die reklamierte Verfassungswidrigkeit des § 17 TROG 2011 nicht zu erwägen sei, weil die Bestimmung aufgrund der Unzulässigkeit der gewählten Verfahrensart nicht anzuwenden sei. Nach den maßgeblichen Behauptungen im verfahrenseinleitenden Schriftsatz handle es sich nicht um eine durch § 52 WEG (analog) ins außerstreitige Verfahren verwiesene Angelegenheit. Die Widmung werde nicht geändert, weshalb keine genehmigungspflichtige Änderung iSd § 16 Abs 2 WEG vorliege. In einem außerstreitigen Verfahren auf Ersetzung der Zustimmung zur Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts könne nie die angestrebte Auswahl von drei Wohnungseigentümern erreicht werden. Es würden unauflösbare Verwicklungen entstehen, womit insgesamt eine Analogie zu § 16 Abs 2 iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG 2002 wegen fehlender vergleichbarer Kriterien scheitern müsse. Es handle sich auch nicht um eine nach § 838a ABGB in das außerstreitige Verfahren verwiesene Auseinandersetzung.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit des außerstreitigen Rechtswegs für die begehrte Zustimmung zur Nutzung als Freizeitwohnsitz.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der von der Erst‑ und der Zweitantragsgegnerin beantwortete Revisionsrekurs der Antragstellerin.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. In welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln ist, richtet sich nicht nach der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und dem Parteivorbringen (§ 40a JN). Maßgebend für die Bestimmung der Art des Rechtswegs sind also der Wortlaut des Begehrens und die zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen der das Verfahren einleitenden Partei (RIS‑Justiz RS0005896, RS0013639, RS0005861). Von Bedeutung ist die Natur, das Wesen des erhobenen Anspruchs (RIS‑Justiz RS0045718, RS0045584). Die Behauptungen des Gegners sind für die Beurteilung der Frage, ob eine Sache in das Außerstreitverfahren oder auf den ordentlichen Rechtsweg gehört, ebenso wenig relevant wie die getroffenen Feststellungen (RIS‑Justiz RS0005861 [T1]; RS0013639 [T5, T8, T9, T18, T21]). Im Zweifel gehören alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen auf den Prozessweg (vgl RIS‑Justiz RS0012214).

2. Das Begehren der Antragstellerin ist auf die Erwirkung einer „wohnungseigentumsrechtlichen Zustimmung“ iSd § 17 TROG 2011, LGBL 2011/56, gerichtet. Nach § 17 Abs 1 TROG konnten Wohnsitze, die am 31. Dezember 1993 nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften rechtmäßig als Freizeitwohnsitze verwendet worden sind und weiterhin als Freizeitwohnsitze verwendet werden sollen, vom Eigentümer oder vom sonst hierüber Verfügungsberechtigten letztmalig bis zum 30. Juni 2014 beim Bürgermeister nachträglich angemeldet werden. Bei Gebäuden mit mehr als drei im Wohnungseigentum stehenden Wohnungen, die nicht auf am 31. Dezember 1993 als Sonderflächen für Apartmenthäuser gewidmeten Grundstücken errichtet wurden und für die die Baubewilligung nach dem 21. September 1973 erteilt worden ist, ist gemäß § 17 Abs 2 dritter Satz TROG 2011 mit der Anmeldung ein einstimmiger Beschluss aller Wohnungseigentümer oder an dessen Stelle eine gerichtliche Entscheidung vorzulegen, wonach der Verwendung der betreffenden Wohnung als Freizeitwohnsitz zugestimmt wird. § 17 Abs 3 TROG 2011 trägt dem Bürgermeister auf, aufgrund der Anmeldung mit schriftlichem Bescheid festzustellen, ob der betreffende Wohnsitz als Freizeitwohnsitz verwendet werden darf. Die Zulässigkeit der Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz ist festzustellen, wenn die Voraussetzungen nach Abs 1 und im Fall des Abs 2 dritter Satz weiters die wohnungseigentumsrechtliche Zustimmung zur Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz vorliegen. Anderenfalls ist die Unzulässigkeit der Verwendung des betreffenden Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz festzustellen. Im Fall des § 17 Abs 2 dritter Satz TROG gilt dies auch, wenn im betreffenden Gebäude im Zeitpunkt der Anmeldung bereits drei Wohnungen bestehen, die rechtmäßig als Freizeitwohnsitze verwendet werden oder hinsichtlich deren die wohnungseigentumsrechtliche Zustimmung zur Verwendung als Freizeitwohnsitz vorliegt.

3. Vor diesem Hintergrund ist der – nach dem Wortlaut des Begehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen zu beurteilende – Kern des von der Antragstellerin erhobenen Anspruchs die Feststellung, dass die Antragstellerin als Wohnungseigentümerin gegenüber den übrigen Mit- und Wohnungseigentümer aufgrund der Widmung zur Nutzung ihres Wohnungseigentumsobjekts als Freizeitwohnsitz berechtigt ist und die übrigen Mit- und Wohnungseigentümer daher eine allenfalls erforderliche ausdrückliche Zustimmungserklärung nicht verweigern dürfen.

4. Die Auseinandersetzung über einen solchen Anspruch gehört nicht zu den Streitigkeiten, die ein Gesetz in das außerstreitige Verfahren verweist. Rechtssachen, die nicht ausdrücklich oder zumindest unzweifelhaft schlüssig in das Außerstreitverfahren verwiesen sind, gehören auf den Rechtsweg. Dieser Grundsatz wird auch durch § 52 WEG nicht berührt (RIS‑Justiz RS0109644). Durch die taxative Aufzählung in § 52 Abs 1 WEG sind lediglich bestimmte Angelegenheiten in das Außerstreitverfahren verwiesen (RIS‑Justiz RS0123353; Klicka in Hausmann/Vonkilch, WEG³ § 52 WEG Rz 4). Die Erlangung einer „wohnungseigentumsrechtlichen Zustimmung“ iSd § 17 TROG 2011 lässt sich unter keine dieser Angelegenheiten subsumieren. Insbesondere ist – wie die Antragstellerin in ihrem Antrag selbst klargestellt hat – weder eine Widmungsänderung iSd § 16 Abs 2 WEG iVm § 52 Abs 1 Z 2 WEG noch eine Benützungsregelung iSd § 17 WEG iVm § 52 Abs 1 Z 3 WEG Gegenstand des Verfahrens.

5. Die Aufzählung des § 52 Abs 1 WEG ist zwar analogiefähig und der berichtigenden Auslegung zugänglich; die Zuordnung von Rechtsschutzansprüchen zum außerstreitigen Wohnrechtsverfahren kann sich also nicht nur aus der direkten Aufzählung, sondern auch aus einem unzweifelhaften Analogieschluss ergeben (RIS‑Justiz RS0123353, RS0012214 [T1, T5], RS0005948 [T18]; Klicka aaO § 52 WEG Rz 4). Eine ausreichende Grundlage für einen solchen unzweifelhaft schlüssigen Verweis in das Außerstreitverfahren besteht hier jedoch nicht. Die Grundlage des Anspruchs bildet die (wohnungseigentumsrechtliche) Widmung des Wohnungseigentumsobjekts der Antragstellerin und zur Beurteilung dieser Frage ist auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen (RIS‑Justiz RS0120725 [T1]). Derartige Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien sind im wohnungseigentumsrechtlichen Außerstreitverfahren aber nur als Vorfrage zu prüfen; die selbständige Feststellung der Rechtsbeziehungen der Vertragsparteien gehört hingegen auf den ordentlichen Rechtsweg (5 Ob 226/07g; Klicka aaO § 52 WEG Rz 7).

6. Die von der Revisionsrekurswerberin als weitere Basis für einen analogen Verweis ihres Begehrens in das Außerstreitverfahren genannte Bestimmung des § 838a ABGB wiederum ordnet an, dass über alle „Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten“ im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Hier aber ist nicht die Benützung der gemeinschaftlichen Sache Gegenstand des Anspruchs, sondern der Umfang des Rechts zur Nutzung eines Wohnungseigentumsobjekts (vgl 5 Ob 186/13h).

7. Auch § 17 TROG 2011 verweist die Angelegenheit nicht in das außerstreitige Verfahren, sodass sich die Auseinandersetzung mit der Frage der Befugnis des Landesgesetzgebers zur Begründung einer Gerichtszuständigkeit erübrigt. Für den vorliegenden – weder ausdrücklich noch zumindest unzweifelhaft schlüssig in das Außerstreitverfahren verwiesenen – Anspruch der Antragstellerin gegenüber den weiteren Mit- und Wohnungseigentümern steht daher das außerstreitige Verfahren nicht zur Verfügung. Das gilt sowohl für das Haupt- als auch für das Eventualbegehren.

8. Die (materiellen) Voraussetzungen für die Begründetheit des Anspruchs sind in diesem Verfahrensstadium nicht zu prüfen (vgl RIS‑Justiz RS0079246). Damit verbietet sich auch eine Auseinandersetzung mit den von der Antragstellerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 17 TROG 2011.

9. Die Kostenentscheidung im Zwischenverfahren nach § 40a JN richtet sich nach jener Verfahrensart, die in dem das Verfahren einleitenden Rechtsschutzantrag gewählt und behauptet wurde (RIS‑Justiz RS0046245). Demnach sind hier die Kostenersatzregeln der §§ 78 Abs 2 AußStrG, § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG maßgebend. Es entspricht der Billigkeit, den im Zwischenverfahren erfolgreichen Antragsgegnern die Kosten für ihre Revisionsrekursbeantwortung zuzusprechen. Die Bemessungsgrundlage im wohnrechtlichen Außerstreit-verfahren beträgt nach § 10 Z 3 lit a sub lit bb) RATG 1.500 EUR. Der Zweitantragsgegnerin steht kein Streitgenossenzuschlag zu, weil die Voraussetzungen des § 15 RATG nicht vorliegen.

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