European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00074.16W.0805.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben, und das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es lautet:
„1. Es wird zwischen dem Kläger und dem Beklagten festgestellt, dass dem Beklagten als Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB ***** und seinen Rechtsnachfolgern im Eigentum dieser Liegenschaft keine Dienstbarkeit des Gehens auf dem derzeit im Eigentum des Klägers stehenden Grundstück 673/5, EZ *****, GB ***** zusteht.
2. Der Beklagte ist schuldig, das Begehen des Grundstücks 673/5 EZ *****, GB ***** zu unterlassen.“
Der Beklagte ist schuldig, dem Kläger die mit 14.755,60 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin 3.157 EUR Barauslagen, 1.933,10 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Streitteile sind Cousins. Ihre Großeltern hatten ihnen 1981 bebaute Grundstücke übergeben, die durch Teilung der Liegenschaft GB ***** EZ ***** entstanden waren. Beide Grundstücke grenzen an dieselbe öffentliche Straße; die Lage ist dem nachstehenden Auszug aus der Katastermappe zu entnehmen. Der Kläger erhielt das in der Grundbuchseinlage verbleibende Grundstück 673/5, der Beklagte das nun in der EZ ***** GB ***** einliegende Grundstück 673/11.
Bereits im Zeitpunkt der Teilung gab es einen gepflasterten Fußweg über das Grundstück 673/5 zum Haus auf dem Grundstück 673/11, der von den Großeltern der Streitteile als Zugang genutzt wurde. Auch nach der Teilung der Liegenschaft gingen der Beklagte sowie dessen Angehörige und Gäste über diesen Fußweg. Dies war dem Kläger bekannt, er untersagte es nicht. Der an die öffentliche Straße grenzende Teil des Grundstücks des Beklagten war schon vom Großvater mit einem Einfahrtstor zur Straße versehen worden; er ist heute mit Sträuchern bewachsen und weder geschottert noch asphaltiert. Bei Entfernen der Sträucher wäre er als Zugang und Zufahrt geeignet. Faktisch erfolgte der Zugang zum Haus des Beklagten jedoch (auch) seit 1981 ausschließlich über den gepflasterten Weg am Grundstück des Klägers.
In beiden Übergabeverträgen war der an die öffentliche Straße grenzende Teil des Grundstücks des Beklagten als „Einfahrt“ bezeichnet worden. Der Vertrag mit dem Beklagten enthielt weiters folgende Bestimmung:
Über Verlangen des jeweiligen Eigentümers des Übergabeobjektes oder des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft Einlagezahl ***** der Katastralgemeinde ***** ist zwischen dem Übergabeobjekt und dem Grundstück 673/5 beziehungsweise 1301 ein ortsüblicher Zaun zu errichten, dessen Kosten von den jeweiligen Grundstückseigentümern je zur Hälfte zu tragen sind.
Ein solcher Zaun war allerdings nie errichtet worden, weil die Großmutter, die weiterhin aufgrund eines Wohnrechts im Haus des Klägers gewohnt hatte, den Kläger darum gebeten hatte, um ihre im Haus des Beklagten wohnende Tochter besuchen zu können. Der Kläger hatte seiner Großmutter, nicht aber dem Beklagten, mitgeteilt, das er den Zaun „über kurz oder lang“ doch errichten werde. Er hatte dem Beklagten nie verboten, andere Personen über dass Grundstück des Klägers zum Haus des Beklagten gehen zu lassen. Hingegen hatte er dem Beklagten untersagt, Fahrzeuge auf seinem Grundstück abzustellen. Daran hatte sich der Beklagte gehalten.
Der Kläger will seine Liegenschaft verkaufen. Der Beklagte behauptet gegenüber Kaufinteressenten das Bestehen eines Gehrechts.
Der Kläger begehrt nach § 523 ABGB die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt sei, sich und seinen Rechtsnachfolgern eine Dienstbarkeit des Gehrechts auf dem Grundstück des Klägers „anzumaßen“ und dieses Grundstück zu begehen; weiters erhebt er ein entsprechendes Unterlassungsbegehren. Aus den Übergabeverträgen sei abzuleiten, dass bei der Teilung keine Dienstbarkeit begründet werden sollte. Dies schließe auch Redlichkeit bei der weiteren Nutzung und damit eine Ersitzung aus. Das Bestehen auf einem allenfalls begründeten Gehrecht sei zudem rechtsmissbräuchlich, weil der Beklagte ohnehin über eine Zufahrt verfüge.
Der Beklagte wendet Entstehen einer Servitut durch die Teilung und Ersitzung ein. Der Weg habe schon vor der Teilung bestanden. Den Übergabeverträgen sei nicht zu entnehmen, dass keine Dienstbarkeit entstehen sollte.
Das Erstgericht wies die Klage ab, weil der Beklagte ein Gehrecht ersessen habe.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei.
Da der gepflasterte Zugang zum Haus des Beklagten schon vor den Übergabeverträgen bestanden habe, sei durch die Teilung eine Dienstbarkeit entstanden. Eine solche Dienstbarkeit könne zwar abbedungen werden. Dafür gebe es aber keine ausreichenden Anhaltspunkte. Die Regelung zur Errichtung eines „ortsüblichen“ Zauns schließe nicht aus, dass in diesem Zaun ein Tor für die Nutzung des Gehwegs vorgesehen werde. Auch die nachträgliche Duldung lasse darauf schließen, dass das Wegerecht nicht ausgeschlossen werden sollte. Die Möglichkeit der Schaffung eines anderen Zugangs führe nicht zum Erlöschen der Dienstbarkeit. Zum Rechtsmissbrauchseinwand nahm das Berufungsgericht nicht Stellung.
In seiner außerordentlichen Revision macht der Kläger geltend, dass die Teilung im konkreten Fall aufgrund Vertragsauslegung nicht zum Entstehen einer Dienstbarkeit geführt habe. Daher sei auch keine redliche Besitzausübung vorgelegen, was Ersitzung ausschließe.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht die an sich zutreffend wiedergegebene Rechtsprechung zum Entstehen einer Dienstbarkeit durch Teilung einer Liegenschaft in korrekturbedürftiger Weise auf den konkreten Fall angewendet hat. Sie ist aus diesem Grund auch berechtigt.
1. Veräußert der Eigentümer eine von zwei Liegenschaften, von denen eine – wie hier – offenkundig der anderen dient und auch weiterhin dienen soll, so entsteht auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung eine Dienstbarkeit (RIS-Justiz RS0011618, RS0011643; zuletzt etwa 3 Ob 214/14p und 7 Ob 186/15a). Allerdings können die Vertragsparteien ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes vereinbaren. Es ist daher denkbar (wenngleich im Regelfall nicht anzunehmen), dass sie das Entstehen einer Dienstbarkeit ungeachtet von darauf hinweisenden Anlagen durch Vereinbarung ausschließen (7 Ob 613/89; RIS‑Justiz RS0011618 [T2, T18]; zuletzt etwa 4 Ob 219/06v und 7 Ob 186/15a).
2. Ein solcher Fall liegt hier vor: Zwar bestand im Zeitpunkt der Teilung ein befestigter Gehweg, sodass die Voraussetzungen für ein Entstehen der Dienstbarkeit vorlagen. Allerdings wurde das Grundstück des Beklagten offenkundig so gestaltet, dass er auf eigenem Grund Zugang zur öffentlichen Straße hatte. Der so geschaffene Grundstreifen wurde als „Einfahrt“ bezeichnet und mit einem Einfahrtstor versehen, die Errichtung eines dem Gehrecht entgegenstehenden „ortsüblichen“ Zauns zwischen den Grundstücken wurde vereinbart. Das konnte der Beklagte redlicherweise nur so verstehen, dass – zum Zweck einer echten Aufteilung ohne weitere Berührungspunkte – das Bestehen eines Gehrechts über den dem Kläger zufallenden Liegenschaftsteil ausgeschlossen werden sollte.
Trotz vorhandener Anlagen entsteht daher im Regelfall keine Dienstbarkeit, wenn eine Teilung so vorgenommen wird, dass ein bisher genutzter Weg wegen des Schaffens einer neuen Zufahrt nicht mehr erforderlich ist, und wenn überdies vertraglich eine Abzäunung der Teilstücke vorgesehen wird. Denn dann ist im Allgemeinen offenkundig, dass bei der Teilung eine vollständige Trennung der Teilstücke vorgenommen werden sollte. Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass der Zaun im konkreten Fall mit einem Tor hätte versehen werden können, was die weitere Ausübung des Gehrechts ermöglicht hätte, ist mit diesem offenkundigen Zweck der Vertragsgestaltung nicht vereinbar.
3. Zwar hat der Beklagte den Weg in weiterer Folge über 30 Jahre lang genutzt. Damit käme auch die vom Erstgericht angenommene Ersitzung in Betracht. Der Ersitzungsbesitz muss allerdings redlich sein. Das trifft zu, wenn der Besitzer glauben kann, dass ihm die Ausübung des Rechts zusteht (RIS‑Justiz RS0010137), wobei schon Zweifel der Redlichkeit entgegenstehen (RIS‑Justiz RS0010184).
Im konkreten Fall ist die Redlichkeit jedenfalls anfangs zu verneinen, weil die oben dargestellte Auslegung des Übergabevertrags (insbesondere die Klausel zur Zaunerrichtung) zumindest Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Besitzes erwecken musste. Auch aus der weiteren Duldung durch den Kläger durfte der Beklagte nichts Gegenteiliges ableiten, weil er damit rechnen musste, dass die Errichtung des Zauns nur aus familiären Gründen unterblieb (Zugang der im Haus des Klägers wohnenden Großmutter zum Haus des Beklagten). Das (vertragliche) Recht, eine gemeinsam zu finanzierende Zaunerrichtung zu verlangen, verjährte erst 30 Jahre nach Vertragsabschluss; erst ab diesem Zeitpunkt könnte allenfalls Redlichkeit des Beklagten angenommen werden. Das reicht für die Ersitzung nicht aus.
4. Da somit sowohl das Entstehen der Dienstbarkeit durch Teilung als auch deren Ersitzung ausgeschlossen sind, ist der Klage stattzugeben. Der Spruch des Feststellungsbegehrens ist im Sinn des vom Kläger ohnehin Gewollten dahin neu zu fassen (RIS‑Justiz RS0038852), dass im Sinn der Rechtsprechung zu § 523 ABGB das Nichtbestehen der vom Beklagten behaupteten Dienstbarkeit festgestellt wird (RIS‑Justiz RS0112687, RS0112360).
6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Für die Revision gebührt nur einfacher Einheitssatz.
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