OGH 14Os55/16v

OGH14Os55/16v2.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. August 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Ika T***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 11. April 2016, GZ 11 Hv 7/16t‑38, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00055.16V.0802.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde gemäß § 21 Abs 1 StGB die Unterbringung des Ika T***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.

Danach hat er am 5. Dezember 2015 in W***** unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer undifferenzierten Schizophrenie, beruht, Stefan H***** durch die Äußerung: „Ich zünde jetzt das Haus an, ich zünde jetzt alles an“, wobei er mit einem brennenden Feuerzeug hantierte, mit einer Brandstiftung gefährlich bedroht, um den Genannten in Furcht und Unruhe zu versetzen, und dadurch das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und Abs 2 fünfter Fall StGB begangen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5, 5a, „9“, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen verfehlt ihr Ziel.

Entgegen dem Einwand von Undeutlichkeit (Z 5 erster Fall) wurden die für die Subsumtion der Anlasstat nach § 107 Abs 1 und Abs 2 fünfter Fall StGB entscheidenden Tatsachen – aus Sicht des Obersten Gerichtshofs – für sämtliche unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeitsgründe relevanten Urteilsadressaten unzweifelhaft erkennbar festgestellt (vgl Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 419; RIS‑Justiz RS0117995).

Die von der Beschwerde zitierten Urteilsannahmen (US 3) im Verein mit dem Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) und den in der rechtlichen Beurteilung nachgetragenen Ausführungen (US 5) bringen nämlich in nicht zu beanstandender Deutlichkeit sowohl zum Ausdruck, dass der von Ika T***** gewollte Sinn und Bedeutungsinhalt der inkriminierten Äußerung darin lag, beim Bedrohten den Eindruck einer ernst gemeinten Ankündigung eines bevorstehenden (vom Betroffenen verursachten) Brandes, der einer Feuersbrunst im Sinn des § 169 StGB entspricht, zu erwecken (vgl dazu Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 23, 34; Schwaighofer in WK² StGB § 106 Rz 6; Seiler, SbgK § 106 Rz 16; Murschetz in WK² StGB § 169 Rz 3 ff), als auch, dass die Absicht des Beschwerdeführers darauf gerichtet war, den Bedrohten in Furcht und Unruhe vor der Verwirklichung dieses angedrohten Übels zu versetzen.

Ob das Feuerzeug, mit dem der Betroffene während der Drohung beim Tisch „herumzündelte“ (US 3), brannte (vgl dazu im Übrigen US 1 sowie den insoweit unmissverständlichen Begriff „zündeln“), ist ebensowenig entscheidend wie die Beschaffenheit des Tisches, weil die mit dem Vorbringen der Sache nach in Frage gestellte (unmittelbare) Realisierbarkeit der angekündigten Rechtsgutverletzung kein Kriterium einer gefährlichen Drohung ist (Schwaighofer in WK² StGB § 105 Rz 61; Jerabek in WK² StGB § 74 Rz 23; RIS‑Justiz RS0092519). Darauf bezogene Einwände der Mängelrüge gehen daher ins Leere.

Die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen haben die Tatrichter aus den Angaben des Tatopfers Stefan H***** abgeleitet, dabei auch dessen Unsicherheiten in Bezug auf den genauen Wortlaut der inkriminierten Äußerung und diesbezügliche Widersprüche zwischen seinen Aussagen im Ermittlungs- und Hauptverfahren erörtert und dargelegt, aus welchen Gründen sie dennoch zur Überzeugung kamen, dass der Betroffene explizit ankündigte, „das Haus“ anzuzünden (erneut US 4). Diese Erwägungen entsprechen sowohl den Gesetzen logischen Denkens als auch den grundlegenden Erfahrungssätzen und sind daher – dem weiteren Beschwerdevorbringen zuwider – unter dem Blickwinkel der

Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116732). Gleiches gilt für den (im Wesentlichen) aus dem konstatierten Täterverhalten gezogenen Schluss auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite (RIS‑Justiz RS0116882) und die Ernstlichkeit der Drohung.

Mit dem Hinweis auf einzelne Passagen der Depositionen des Zeugen Stefan H***** vermag die Tatsachenrüge (Z 5a) erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen nicht zu wecken.

Ob der Genannte tatsächlich in Furcht und Unruhe versetzt wurde, ist nicht entscheidend (RIS‑Justiz RS0093082), weshalb darauf bezogene Feststellungen einer Anfechtung mit Mängel- und Tatsachenrüge entzogen sind.

Soweit die Rechtsrüge (nominell „Z 9 und 10“, der Sache nach Z 9 lit a) Rechtsfehler mangels Feststellungen in Bezug auf die Anlasstat unter bloßem Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge behauptet, verkennt sie, dass die Nichtigkeitsgründe voneinander

wesensmäßig verschieden und daher (unter deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeit begründenden Sachverhalten) gesondert auszuführen sind (RIS-Justiz RS0115902). Davon abgesehen übergeht sie die – hinreichenden und nach dem Vorgesagten keineswegs undeutlichen – diesbezüglichen Urteilsannahmen, womit sie den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt. Aus welchem Grund es für die Subsumtion nach § 107 StGB erforderlich sein sollte, dass der Täter die Drohung tatsächlich wahrmachen will oder dazu überhaupt im Stande ist, legt die Beschwerde nicht dar (vgl dazu im Übrigen die oben angeführten Literatur- und Judikaturzitate).

Das weitere Vorbringen der Rechtsrüge, der Beschwerdeführer wäre aufgrund seiner festgestellten geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades nicht in der Lage, „die Tatbestandselemente der qualifiziert gefährlichen Drohung“ zu verwirklichen und zudem einem

Tatbildirrtum unterlegen, bestreitet im Ergebnis die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (RIS‑Justiz RS0088950) und orientiert sich damit erneut nicht an den Kriterien materieller Nichtigkeit. Im Übrigen ist die Schuldfähigkeit keine Voraussetzung für die Bildung von bedingtem Vorsatz oder Absicht (Reindl‑Krauskopf in WK² StGB § 5 Rz 4).

Mit der These, es müsse auch die Ernstlichkeit der Drohung mit einer Brandstiftung sowie deren Eignung, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, „in Frage gestellt werden“, wird materielle Nichtigkeit nicht einmal behauptet.

Entgegen dem Einwand der Sanktionsrüge (nominell Z 5, 5a und 11, der Sache nach Z 11 zweiter Fall; RIS-Justiz RS0090372; Ratz in WK² StGB Vor §§ 21–25 Rz 8) haben die Tatrichter – gestützt auf alle drei

vom Gesetz genannten Kriterien, nämlich die Person des Täters, seinen Zustand und die Art der Tat – willkürfrei hohe Wahrscheinlichkeit künftiger Begehung von mit Strafe bedrohten Handlungen mit schweren Folgen ausdrücklich bejaht, die Prognosetaten (der gegenständlichen Anlasstat „gleichgelagerte Taten, sowie Taten gegen Leib und Leben Dritter … mit erheblichen medizinischen Folgen“) ihrer Art nach hinreichend umschrieben (US 3) und zutreffend als solche mit schweren Folgen beurteilt (vgl zu – der hier konstatierten Anlasstat gleichwertigen – Drohungen mit dem Tod; RIS‑Justiz RS0116500).

Soweit mit dem Vorbringen offenbar unzureichende Begründung dieser Konstatierungen geltend gemacht werden soll, erschöpft sich die Beschwerde in einer den Ermessensbereich der Gefährlichkeitsprognose betreffenden Kritik und bringt solcherart ein Berufungsvorbringen zur Darstellung (RIS‑Justiz RS0118581 [T11]; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 717 ff).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

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