European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0140OS00047.16T.0802.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Daniela R***** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie sich zwischen September 2011 und Mai 2013 in E***** in 21 Angriffen Gelder der T***** GmbH & Co KG in Höhe von 171.035,24 Euro, die ihr als inkassoberechtigter Sekretärin des Unternehmens anvertraut worden waren, mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz zugeeignet, indem sie zu im Urteil detailliert angeführten Geschäftsfällen Bargeldbeträge von Kunden entgegennahm und nicht an ihren Arbeitgeber weitergab, sondern für sich behielt.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 10 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.
Entgegen dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung der in der Hauptverhandlung am 8. Februar 2016 gestellten Beweisanträge Verteidigungsrechte der Angeklagten nicht verletzt.
Jener auf (Beiziehung eines EDV‑Sachverständigen zur) „Überprüfung der EDV‑Anlage der beiden Firmen T*****, nämlich sowohl M***** als auch V*****“, war zum Beweis dafür gestellt worden, dass „das System generell Buchungskorrekturen durch andere Systemverantwortliche (zulässt und solche) auch hinsichtlich der hier verfahrensgegenständlichen Buchungen … stattgefunden haben“, dass „das EDV-System eine Fehlerquelle für den Verbleib gebuchter Beträge ... eröffnet“, weil „Buchungen bzw fehlende Buchungen demjenigen Mitarbeiter zugeordnet werden, der das Rechnungsformular ausdruckt, die Buchung jedoch tatsächlich nicht durchgeführt (hat)“, sowie weiters, dass „die der Angeklagten … zugeordneten Schäden im Betriebsvermögen der Firma T*****, egal in welcher, gar nicht eingetreten sind“ (ON 72 S 41 f). Solcherart ließ der Antrag nicht erkennen,
warum die begehrte Beweisaufnahme die behaupteten (und nicht offensichtlichen) Ergebnisse
erwarten lasse
und
inwieweit diese
für die Lösung der
Schuld- oder der
Subsumtionsfrage von Bedeutung sein sollen, womit er auf eine im Erkenntnisverfahren unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet war (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330).
Während nämlich ein Vorbringen dazu, auf welcher Grundlage ein EDV-Sachverständiger zum Ergebnis kommen sollte, dass die verfahrensgegenständlichen Vermögensschäden „gar nicht eingetreten sind“, nicht erstattet und ein Konnex zwischen einer – substratlos behaupteten – möglichen „Fehlerquelle“ im EDV-System und
schuld- und
subsumtionsrelevanten Umständen nicht hergestellt wurde, war dem Antrag zum ersten Beweisthema die gebotene Konkretisierung von Anhaltspunkten für die Annahme (vom Erstgericht verneinter, US 9 f) nachträglicher Manipulationen im Computersystem nicht zu entnehmen. Derartige Ausführungen wären angesichts der im Antragszeitpunkt vorliegenden Verfahrensergebnisse
umso mehr erforderlich gewesen, als die verfahrensgegenständlichen Zahlungseingänge nach den entsprechenden aktenkundigen Urkunden in den Kassenberichten gar nicht aufschienen (Beilagen zu ON 21, ON 27, ON 37; US 3 bis 7), die (für glaubwürdig erachteten) Zeugen Rainer O***** und Lisa G***** angegeben hatten, dass die spätere Veränderung eines abgeschlossenen Kassenberichts nicht, insbesonders nicht durch bloße Löschung einer tatsächlich vorgenommenen Buchung möglich war, eine Korrektur vielmehr ausschließlich durch eine (laut den Kassajournalen eben gerade nicht durchgeführte) Gegenbuchung vorgenommen werden konnte (ON 72 S 54 f, ON 30 S 31 f; vgl dazu auch erneut US 9 f) und die Beschwerdeführerin die schriftliche Bestätigung der inkriminierten Zahlungseingänge und ihre Zuständigkeit für deren Erfassung im elektronischen Kassabuch sowie den täglichen Kassenabschluss gar nicht bestritten hatte.
Gleiches gilt für den Antrag auf „Beiziehung eines Buchsachverständigen“, welcher auf Basis von – erneut rein spekulativen – Behauptungen von „Fehlbuchungen“ und „nachträglichen Korrekturen von Buchungen“ sowie Vermutungen zu (nicht näher bezeichneten) „Umständen“ im Zusammenhang mit „verdeckten oder vorgezogenen Verkäufen von Vorführwagen“ und „Einnahmen“ des Unternehmens, „deren tatsächliche Einnahmequelle man nicht darstellen durfte ...“ und die „für die behaupteten Fehlbestände … tatsächlich ursächlich sind bzw sein könnten“, ebenso zum Beweis dafür gestellt wurde, dass „die nunmehr von der Anzeigerin behaupteten Schäden tatsächlich keinem konkreten Fehlverhalten zugeordnet werden können bzw gar nicht eingetreten sind“ (ON 72 S 64). Im Übrigen wurde in diesem Zusammenhang nicht dargelegt, inwieferne solcherart in den Raum gestellte (ersichtlich gemeint: nicht oder falsch verbuchte Zusatz-)Einkünfte einen hier in Rede stehenden Negativsaldo erklären sollten.
Der Antrag auf Vernehmung des
Albert Q***** (ON 72 S 61) zielte der Sache nach auf die selben Ergebnisse ab und wurde demgemäß schon aus den eben genannten Gründen zu Recht abgewiesen. Dass diese Beweisaufnahme – im Sinn einer im Hauptverfahren unzulässigen Erkundungsbeweisführung – mit dem Ziel begehrt wurde, erst abzuklären, ob davon eine weitere Aufklärung zu erwarten ist, ergibt sich zudem schon aus der Formulierung des Beweisthemas („ob und zu welchem Zweck bzw [in] welchem Umfang im Rahmen der Buchhaltung bei der Firma T***** Belegänderungen etwa durch Umschreiben erfolgt sind“, „ob Geldflüsse generell verschleiert werden konnten bzw sollten“ und „ob es im Rahmen der Buchungstätigkeit Möglichkeiten gab, in Buchungstat oder Buchungsabläufe einzugreifen“).
Der auf Ladung und Vernehmung ehemaliger (schon etwa 2009 aus dem Unternehmen ausgeschiedener; ON 72 S 63) Mitarbeiter der T***** GmbH & Co KG, nämlich Julia S***** und Bianca M*****, gerichtete Antrag ließ erneut nicht erkennen, weshalb die genannten Personen überhaupt in der Lage sein sollten, damit unter Beweis gestellte Weisungen durch den Betriebsleiter Christoph E***** zu bezeugen, wonach „Buchungen zurückzuhalten, Zahlungen nicht zu verbuchen oder nicht unter den tatsächlichen Geschäftsfall zu verbuchen und auch diesbezügliche Aktenstücke nicht zu bearbeiten“ gewesen wären (ON 72 S 62), und inwieweit derartige, die gegenständlichen Geschäftsfälle nicht betreffende und Jahre zurückliegende Anordnungen für die Beurteilung des Schuldvorwurfs gegen die Angeklagte von Bedeutung sein könnten.
Dem Begehren auf Vernehmung des Zeugen Gerald H*****, bei dem es sich „um einen Mitarbeiter der Firma P***** GmbH“ handelt, „der für die Auszahlung von Stützungsgeldern an die Vertragspartner der P***** GmbH und somit auch an die Firma T***** zuständig ist und dazu auch die entsprechenden Prüfungen durchzuführen hat“, (laut ergänzendem Vorbringen offenbar) zum Nachweis, dass „die Firma T***** ganz offensichtlich über Geldzuflüsse verfügt, die sie verbergen oder anders widmen muss als dass sie stattfinden“ (ON 72 S 63), war ein weiteres Mal nicht zu entnehmen, inwieweit dieses Beweisthema für die Klärung der Schuld- und Subsumtionsfrage relevant sein sollte.
Dies gilt ebenso für die Anträge auf Vernehmung von Andreas W***** und Gerlinde Ho***** zu ihren „Wahrnehmungen zum Verhalten der Beschwerdeführerin im Lokal P***** und beim Juwelier St*****“ (erneut ON 72 S 63) sowie für die weiters begehrte Befragung des Vaters der Angeklagten, Rudolf R*****, zum Beweis dafür, dass er von der Angeklagten „keinerlei Geldzuwendungen oder Geldwertleistungen erhalten“ habe (ON 72 S 61 f).
Das zur Fundierung sämtlicher Anträge in der Beschwerde nachgetragene Vorbringen stellt eine unzulässige Neuerung dar (vgl RIS‑Justiz RS0099117).
Entgegen dem Einwand der Mängelrüge sind die den Schuldspruch tragenden entscheidungswesentlichen Urteilsannahmen weder in sich widersprüchlich noch offenbar unzureichend begründet (Z 5 dritter und vierter Fall).
Die Negativfeststellungen zum Verbleib des verfahrensgegenständlichen Bargelds beziehen sich unmissverständlich auf den Zeitpunkt nach Inkasso und mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz erfolgter Zueignung der anvertrauten Beträge durch die Angeklagte (US 7 f) und stehen damit keineswegs im Widerspruch zu den diesbezüglichen Urteilsannahmen.
Diese Konstatierungen haben die Tatrichter aus der – hinsichtlich der Übernahme der Gelder, deren schriftlicher Bestätigung und der Zuständigkeit für deren Erfassung im Kassabuch sowie den täglichen Kassenabschluss (überwiegend) geständigen – Verantwortung der Beschwerdeführerin, den von ihr unterfertigten Quittungen, den Aufzeichnungen über ihre Anwesenheit im Betrieb (Stempelkarten), dem – aus den entsprechenden Ausdrucken erschlossenen – Fehlen der Buchungen der korrespondierenden Beträge im Kassenbuch und den für glaubwürdig erachteten Aussagen mehrerer Zeugen im Verein mit einer Reihe weiterer Indizien abgeleitet und ausführlich dargelegt, aus welchen Gründen sie der, die Zueignung des Geldes leugnenden Einlassung der Angeklagten nicht zu folgen vermochten (US 8 ff). Diese Ausführungen entsprechen sowohl Gesetzen logischen Denkens als auch den grundlegenden Erfahrungssätzen und sind solcherart aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116732).
Gleiches gilt für den aus dem objektiven Geschehen gezogenen Schluss auf das Vorliegen der subjektiven Tatseite (US 10), der rechtsstaatlich vertretbar und bei – wie hier insoweit – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch
nicht zu ersetzen ist (RIS‑Justiz RS0116882).
Die weiteren Einwände von Widersprüchlichkeit und offenbar unzureichender (Schein-)Begründung beziehen sich
auf einzelne der vorstehend angeführten Erwägungen der Tatrichter zur Unglaubwürdigkeit der Versuche der Beschwerdeführerin, den Kassafehlbestand mit Vermutungen zu nachträglichen Manipulationen des Kassabuchs und Diebstahl der entsprechenden Geldbeträge aus dem Tresor des Unternehmens durch unbekannte Dritte sowie (in einem Fall) mit einer angeblich auf Anweisung des Betriebsleiters erfolgten Falschbuchung zu erklären.
Derartige Sachverhaltsprämissen, die (wie hier) nicht
notwendige Bedingung der Feststellung entscheidender Tatsachen sind,
sondern erst in einer Gesamtschau dazu führen, sind jedoch einer Anfechtung mit Mängelrüge entzogen (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 410; RIS‑Justiz RS0116737).
Indem die Beschwerde aus den vorliegenden Verfahrensergebnissen andere Schlüsse zieht als jene der Tatrichter, bekämpft sie bloß unzulässig die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.
Soweit die Tatsachenrüge (Z 5a) die Ausführungen zur Verfahrensrüge „ausdrücklich auch zum Inhalt dieses Beschwerdepunktes“ erhebt, übersieht sie, dass die Nichtigkeitsgründe voneinander
wesensmäßig verschieden und daher (unter deutlicher und bestimmter Bezeichnung von Nichtigkeit begründenden Sachverhalten) gesondert auszuführen sind (RIS‑Justiz RS0115902).
Eine zwingende Schlussfolgerung ist – dem weiteren Beschwerdestandpunkt zuwider – nicht erforderlich
. Vielmehr berechtigten auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse das Gericht nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu Tatsachenfeststellungen, sofern diese Schlüsse – wie hier – logisch und damit vertretbar sind (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 449; RIS‑Justiz RS0098471).
Mit dem Hinweis auf – vom Erstgericht einerseits ohnehin berücksichtigte (US 9 f), andererseits irrelevante – Passagen aus den Aussagen der Zeugen Lisa G*****, Rainer O***** und Christoph E***** werden erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen nicht geweckt. Mit auf dieser Basis angestellten urteilsfremden Überlegungen wird vielmehr erneut bloß unzulässig Beweiswürdigungskritik nach Art einer Schuldberufung geübt.
Die dem Zeugen Johannes A***** unterstellten – selbst nach dem Rechtsmittelvorbringen keine entscheidenden Tatsachen betreffenden – Aussagen lassen sich den zitierten Fundstellen (ON 30 S 13 f) nicht entnehmen.
Der von der Rechtsrüge (Z 9 lit a)
erhobene Vorwurf fehlender „ausreichender“ Feststellungen zur subjektiven Tatseite zufolge Verwendung bloßer „Leerformeln“ übergeht sowohl die entsprechenden (hinreichenden) Urteilsannahmen als auch den vom Erstgericht hergestellten Sachverhaltsbezug (US 8; vgl RIS‑Justiz RS0098936; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 8) und verfehlt damit den Bezugspunkt materieller Nichtigkeit.
Mit der (nominell auf Z 9 lit a und Z 10 gestützten) Kritik an den Feststellungen zur Schadenshöhe wird materielle Nichtigkeit nicht einmal behauptet. Mit dem Einwand, diese Konstatierungen hätten nicht ohne weitere Erhebungen bloß auf die „von der Privatbeteiligten vorgelegten Unterlagen“ gestützt werden dürfen, mangels Feststellbarkeit des Verbleibs der Gelder wären auch andere Sachverhaltsvarianten denkmöglich, bekämpft die Beschwerde vielmehr ein weiteres Mal unzulässig die – mängelfreie – Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung.
Die Subsumtionsrüge (Z 10) moniert die unterlassene „Überprüfung des … Sachverhalts“ hinsichtlich des Tatbestands der dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB, lässt dabei aber prozessordnungswidrig die zur Zueignung der Geldbeträge getroffenen Urteilsannahmen (US 7 f) außer Acht.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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