OGH 15Os61/16h

OGH15Os61/16h19.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache gegen Walter B***** wegen des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 und weiterer strafbarer Handlungen über dessen Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 24. Februar 2016, GZ 20 Hv 29/15a‑27, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0150OS00061.16H.0719.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Walter B***** jeweils mehrerer Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 (1./) und des schweren sexuellen Missbrauchs nach § 206 Abs 1 StGB (2./), sowie jeweils mehrerer Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (3./) und der Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (4./) schuldig erkannt.

Danach hat er in S***** und andernorts

1./ im Zeitraum 1994 bis 30. September 1998 seine am 15. Dezember 1989 geborene Tochter Julia und seinen am 13. September 1988 geborenen Sohn Peter auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, indem er

a./ in regelmäßigen Abständen seine Tochter äußerlich an der Klitoris leckte und ihre unbekleidete Vagina streichelte, von ihr Hand‑ und Oralverkehr an sich vornehmen ließ, wobei es einmal zu einem Samenerguss in ihren Mund kam, und ihr in mehrfachen Angriffen einen Finger in den After einführte;

b./ in regelmäßigen Abständen an seinem Sohn Handverkehr vornahm und später von ihm an sich vornehmen ließ, Oralverkehr von ihm an sich vornehmen ließ und ihm auch einmal seinen Finger in den After einführte;

2./ im Zeitraum 1. Oktober 1998 bis Ende 2001 in mehrfachen Angriffen mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternommen, indem er seiner Tochter mehrfach einen Finger in den After einführte, mit seiner Zunge in ihre Vagina eindrang und in zumindest sieben Angriffen versuchte, vaginalen Geschlechtsverkehr mit ihr vorzunehmen und dabei sein nacktes erigiertes Glied an ihre nackte Vagina presste, wobei es zu keiner Penetration kam;

3./ im Zeitraum 1994 bis Ende 2001 durch die zu 1./ und 2./ geschilderten Handlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person eine geschlechtliche Handlung vorgenommen und an sich vornehmen lassen, „um sich geschlechtlich zu erregen und zu befriedigen“;

4./ im Zeitraum 1. Oktober 1998 bis Ende 2001 durch die zu 2./ geschilderten Handlungen mit einer Person, die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, den Beischlaf zu vollziehen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Indem die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) pauschal behauptet, es fehle „eine logisch nachvollziehbare Beweiswürdigung“ zu sämtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite, wird ein Begründungsmangel nicht prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht (vgl im Übrigen RIS-Justiz RS0118317).

Die Kritik an den Konstatierungen, wonach es dem Angeklagten bei sämtlichen Tathandlungen auf die Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse angekommen sei (US 10 f), bezieht sich von Vornherein auf keine entscheidende Tatsache, sind doch im vorliegenden Fall geschlechtliche Handlungen des Opfers an sich selbst nicht tatgegenständlich (RIS‑Justiz RS0117499, RS0099497). Ebenso wenig berührt das Motiv des Angeklagten die Schuldfrage oder die Subsumtion (RIS‑Justiz RS0088761).

Mit der Verantwortung des Angeklagten, er habe sich lediglich um die Aufklärung seiner Kinder kümmern wollen, hat sich das Schöffengericht – der Beschwerde (Z 5 zweiter Fall) zuwider – auseinandergesetzt, sie jedoch als „bloße Schutzbehauptung“ gewertet (US 12 ff). Ebenso hat es die Aussagen der Zeugen Julia B***** und Peter B***** berücksichtigt (US 11, 13 f und 15 f). Soweit die Rüge anhand einzelner Angaben der genannten Zeugen sowie des Angeklagten eine günstigere Beurteilung des Tatgeschehens zu erreichen versucht, richtet sie sich nach Art einer Schuldberufung – somit in unzulässiger Form – gegen die Beweiswürdigung des Schöffengerichts. Auch durch die Berufung auf den Zweifelsgrundsatz wird

ein aus Z 5 beachtlicher Mangel nicht behauptet (RIS‑Justiz RS0102162).

Dass die Tatrichter die Feststellungen zur subjektiven Tatseite – neben der Vielzahl der Angriffe über mehrere Jahre – „aus dem objektiven Geschehensablauf“ abgeleitet haben (US 21), ist

mit Blick auf die leugnende Verantwortung des Angeklagten unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0116882).

Mit dem – ungeachtet unterschiedlicher Anfechtungskriterien (RIS-Justiz RS0115902) – sowohl zur Z 5 als auch zur Z 5a erstatteten Vorbringen weckt die Tatsachenrüge keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen (RIS‑Justiz RS0118780).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Bleibt anzumerken, dass Anknüpfungspunkt des nach § 61 zweiter Satz StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs die Tat, also der im Urteil festgestellte Lebenssachverhalt ist (RIS‑Justiz RS0112939). Dabei ist der Günstigkeitsvergleich im Fall der Realkonkurrenz (vgl Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 14, 16) für jede Tat gesondert vorzunehmen; im Fall der Idealkonkurrenz (vgl Ratz in WK2 StGB Vor §§ 28–31 Rz 11, 16) ist der zu beurteilende Lebenssachverhalt entweder dem Urteilszeit- oder dem Tatzeitrecht zu unterstellen

(RIS‑Justiz RS0089011 [T3, T4], RS0119085 [T5]).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht zwar richtig die zu 1./ genannten Taten der zur Tatzeit geltenden Fassung des § 207 Abs 1 StGB (BGBl 1974/60) und die zu 2./ angeführten Taten der geltenden Fassung des § 206 Abs 1 StGB unterstellt, aufgrund der Idealkonkurrenz zwischen diesen und den zu 3./ genannten strafbaren Handlungen wären die 1./ betreffenden Taten zu 3./ aber den Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB idF BGBl 1974/60 zu unterstellen gewesen.

Eine amtswegige Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) dieses Subsumtionsfehlers (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO), der keinen Einfluss auf den Strafrahmen hat und aus dem keine unrichtigen (nachteiligen) Strafzumessungstatsachen (§ 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall) resultieren (vgl US 35), war mangels erkennbaren konkreten Nachteils nicht erforderlich (Ratz, WK‑StPO § 290 Rz 22 f). Bei der Entscheidung über die Berufung besteht für das Oberlandesgericht im erwähnten Umfang auch keine Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz (RIS‑Justiz RS0118870).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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