European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0120OS00073.16A.0714.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Robert H***** des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am 19. März 2015 in G***** Peter P***** vorsätzlich getötet, indem er ihn durch einen Stoß zu Boden brachte und ihm einen wuchtigen, gezielt gegen den Kopf gerichteten Tritt versetzte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen vom Angeklagten aus Z 6, 8 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.
Die Fragenrüge (Z 6) kritisiert die Formulierung der Hauptfrage 1 nach dem Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB als unzureichend im Sinn des § 312 Abs 1 StPO und bringt vor, diese hätte „jedenfalls die Tatbestandsmerkmale des bedingten Vorsatzes aufnehmen müssen, um der Individualisierung der Tat gerecht zu werden“. Sie macht jedoch nicht klar, warum es zur Individualisierung der Tat, mit der die Gefahr ihrer neuerlichen Verfolgung und Verurteilung ausgeschaltet werden soll, und zu deren Konkretisierung, der durch Aufnahme der den einzelnen Deliktsmerkmalen entsprechenden tatsächlichen Gegebenheiten, die die Subsumtion des von den Geschworenen ihrem Wahrspruch zugrundegelegten Sachverhalts und deren Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof überhaupt erst ermöglichen (RIS‑Justiz RS0119082), Rechnung zu tragen ist, im vorliegenden Fall erforderlich sein soll, über die in der Hauptfrage angeführten Umstände hinaus weitere Tatdetails zu beschreiben (vgl RIS‑Justiz RS0100780 [T6]).
Werden im Übrigen in einem Tatbestand auf der subjektiven Tatseite keine vom Mindesterfordernis des § 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB abweichenden Vorsatzformen oder allfällige zusätzliche Vorsatzerfordernisse verlangt, so wird ein bedingter Vorsatz unterstellt (§ 7 Abs 1 StGB). Dieser braucht daher in der Frage nach den gesetzlichen Merkmalen der strafbaren Handlung nicht ausdrücklich erwähnt zu werden. Es genügt eine entsprechende Erläuterung in der Rechtsbelehrung (RIS‑Justiz RS0113270; Ratz , WK‑StPO § 345 Rz 32).
Der weitere Einwand der Fragenrüge, den Geschworenen wäre durch die Fragestellung nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit zu unterscheiden, ist angesichts des Inhalts der Rechtsbelehrung (S 6 f) nicht nachvollziehbar (vgl RIS‑Justiz RS0113270).
Gegenstand der Instruktionsrüge (Z 8) ist der auf die Darlegung der gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung, die Auslegung der in den einzelnen Fragen vorkommenden Ausdrücke des Gesetzes, das Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander und die Folgen der Bejahung oder Verneinung jeder einzelnen Frage bezogene Inhalt der im Gesetz genannten Belehrung (RIS‑Justiz RS0125434 [T1]).
Nichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 8 StPO wird jedoch nicht dargestellt, indem der Rechtsmittelwerber ausführt, die Rechtsbelehrung beinhalte für den vorliegenden Fall irrelevante Ausführungen, wie zum Beispiel über die Strafbarkeit des Versuchs, wodurch aufgrund deren großen Umfangs die Gefahr bestehe, die Konzentrationsfähigkeit der Laien abzuschwächen.
Die Rüge (Z 8) behauptet weiters, die Rechtsbelehrung wäre insofern missverständlich, als aufgrund der Formulierung, dass für einen Schuldspruch fünf Ja‑Stimmen erforderlich sind und bei einem günstigeren Stimmenverhältnis für den Angeklagten ein Freispruch zu erfolgen hat, für die Geschworenen der Eindruck entstehen könnte, die Verneinung der Hauptfrage 1 hätte einen gänzlichen Freispruch zur Folge. Dabei unterlässt die Beschwerde aber die gebotene Berücksichtigung des gesamten Inhalts der den Geschworenen erteilten Rechtsbelehrung, wonach bei Stimmengleichheit die für den Angeklagten günstigere Meinung ausschlaggebend ist, das heißt ein Freispruch oder die Beantwortung allfälliger Eventualfragen zu erfolgen hat (S 13 der Rechtsbelehrung; RIS‑Justiz RS0100695).
Urteilsnichtigkeit nach § 345 Abs 1 Z 10a StPO liegt nur dann vor, wenn die Beschwerde (durch konkreten Verweis auf Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen) dartun kann, dass die Geschworenen das ihnen nach § 258 Abs 2 zweiter Satz StPO gesetzlich zustehende Beweiswürdigungsermessen in geradezu unerträglicher Weise gebraucht haben und damit eine Fehlentscheidung bei der Beweiswürdigung qualifiziert naheliegt. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (RIS‑Justiz RS0118780).
Indem der Rechtsmittelwerber auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Graz über den von ihm erhobenen Einspruch gegen die Anklageschrift verweist, wird dieser Anfechtungsrahmen verlassen.
Die Berufung auf eine angebliche Verletzung des Zweifelgrundsatzes bekämpft unzulässig die Beweiswürdigung der Geschworenen und ist aus Z 10a unbeachtlich (RIS‑Justiz RS0102162 [T2]).
Soweit die weitere Tatsachenrüge auf die Verantwortung des Angeklagten zu seinen Erinnerungslücken, Zeugenaussagen betreffend den Fußtritt und die verbale Aggressivität des Opfers, die Alkoholisierung des Angeklagten im Tatzeitpunkt und ein Sachverständigengutachten betreffend den Schuh des Angeklagten verweist, gelingt es nicht, erhebliche Bedenken im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes hervorzurufen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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