OGH 20Os25/15z

OGH20Os25/15z28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 28. Juni 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Haslinger und Dr. Grassner als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Janisch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 2. Februar 2015, AZ D 19/14 (DV 43/14), TZ 17, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Dr. Wallner und des Kammeranwalts der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Lughofer, LL.M. zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht, jener wegen Strafe jedoch Folge gegeben und die Geldbuße auf 1.500 Euro herabgesetzt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Disziplinarbeschuldigte der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er für seinen Mandanten vereinnahmtes Fremdgeld, nämlich den von der Republik Österreich im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gemäß § 393a Abs 1 StPO bezahlten Betrag von 814,50 Euro nach Bestreitung des verrechneten Honorars in Höhe des Erfolgszuschlags von brutto 1.260 Euro weder bei Gericht hinterlegt noch seinem Klienten ausbezahlt, sondern mit seiner geltend gemachten offenen Honorarforderung aufgerechnet und dadurch gegen § 19 Abs 3 RAO, § 17 RL‑BA 1977 verstoßen hat.

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde die Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von 2.000 Euro verhängt.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Verurteilung richtet sich die Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe. Der Kammeranwalt ist dem in seiner Gegenäußerung entgegengetreten.

Der Disziplinarrat ist auf Basis der festgestellten Tatsachengrundlage rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Disziplinarbeschuldigte gemäß § 19 Abs 3 RAO gehalten gewesen wäre, den bei ihm (über den namens seines Mandanten gestellten Antrag) gemäß § 393a Abs 1 StPO eingelangten Betrag von 814,50 Euro bis zum Nachweis der Richtigkeit seines vom Mandanten bestrittenen Honoraranspruchs gerichtlich zu erlegen oder § 17 RL‑BA 1977 entsprechend unverzüglich an seinen Mandanten auszufolgen.

Bei der von einem Rechtsanwalt zu fordernden peniblen Geldgebarung gegenüber Klienten ist zu beachten, dass jener zu einer Verrechnung von offenen Honorarforderungen mit für diesen bei ihm eingegangenen Barschaften nur berechtigt ist, sofern seine Honorarforderung nicht bestritten wird (Engelhart et al RAO9 § 19 Rz 3 mwN; RIS‑Justiz RS0056451).

Zutreffend stellt das angefochtene Erkenntnis darauf ab, dass der Disziplinarbeschuldigte dem ausdrücklichen Verlangen seines Mandanten auf Ausbezahlung oder gerichtliche Hinterlegung des bei ihm eingelangten Kostenbeitrags der Sache nach unhaltbar und zu Unrecht mit der Erklärung entgegengetreten ist, dass für ihn hinsichtlich des eingegangenen Betrags weder eine Pflicht noch die Möglichkeit einer gerichtlichen Hinterlegung bestünde (ES 3, 7; TZ 8 der D‑Akten).

Der bereits im erstinstanzlichen Verfahren vertretene Standpunkt eines (§ 19 Abs 3 RAO iVm § 17 RL‑BA 1977 widersprechenden) Zurückbehaltungsrechts– weil der Verteidigerkostenbeitrag gemäß § 393a StPO mit einem vom Mandanten geleisteten Kostenvorschuss zu vergleichen sei – ist verfehlt. Bei einer ihm für seine Leistungen und Auslagen als Honorarakonto zugedachten Vorschusszahlung kommt dem Rechtsanwalt selbst die Gläubigerstellung zu. Der Verteidigungskostenbeitrag gemäß § 393a StPO steht hingegen (arg: „wird ein ... Angeklagter freigesprochen ... so hat ihm der Bund auf Antrag einen Beitrag zu den Kosten der Verteidigung zu leisten …“) dem (freigesprochenen) Mandanten, nicht aber dem Rechtsanwalt als dessen Verteidiger zu (Lendl,WK‑StPO § 393a Rz 1, 23).

Die Verweise des Disziplinarbeschuldigten auf Judikate und Gesetzesmaterialien vermögen seinen Standpunkt, wonach es sich bei einem Verteidigungskostenbeitrag gemäß § 393a StPO um keine „Barschaft“ gemäß § 19 Abs 1 RAO handle, nicht zu stützen. Aus der in den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs 27 Os 3/14i und 6 Ob 312/04g enthaltenen Wendung, wonach Vorschüsse für Auslagen und Verdienst, gleich ob sie vom Mandanten selbst oder einem Dritten geleistet werden, nicht der Erlagspflicht des Rechtsanwalts gemäß § 19 Abs 3 RAO unterliegen, folgt keineswegs, dass Zahlungen Dritter, gleich ob Vorschüsse oder Kostenersatzleistungen, wie „Barschaften“ iSd § 19 Abs 1 RAO anzusehen wären. Die Abgrenzung zwischen dem Verrechnungsregime des § 19 RAO iVm § 17 RL‑BA 1977 unterliegenden Barschaften und sonstigen Geldeingängen beim Rechtsanwalt bestimmt sich danach, ob es sich dabei um aus einem bestehenden Bevollmächtigungsverhältnis dem empfangenden Rechtsanwalt selbst zugedachte Leistungen (wie Honorarakonti) handelt oder diese ein für dessen Mandanten bestimmtes und diesem zustehendes Fremdgeld darstellen.

Mit der Behauptung, der Mandant habe den vom Disziplinarbeschuldigten gemäß § 12 AHK verrechneten Erfolgszuschlag zu Unrecht bestritten, verkennt die Berufung, dass für die rechtliche Beurteilung allein das konstatierte Faktum der gemäß § 19 Abs 3 RAO erfolgten Bestreitung von Richtigkeit und Höhe der vom Disziplinarbeschuldigten erhobenen Honorarforderungen maßgeblich ist. Zutreffend stellt das bekämpfte Erkenntnis insoweit auf eine den Disziplinarbeschuldigten treffende Verpflichtung zur Ausfolgung des bei ihm eingelangten Geldbetrags oder dessen gerichtliche Hinterlegung ab, ohne dass es einer Prüfung, ob und inwieweit der Disziplinarbeschuldigte zur Verrechnung eines Erfolgszuschlags berechtigt war, bedarf (RIS‑Justiz RS0033851, RS0056451; Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 § 19 RAO Rz 1 f [S 201 f]).

Die als Rechtsfehler mangels Feststellungen vermissten Ausführungen zur subjektiven Tatseite des Disziplinarbeschuldigten übersehen, dass im Erkenntnis– wenn auch disloziert im Rahmen der rechtlichen Beurteilung (ES 9) – festgestellt wurde, dass der Disziplinarbeschuldigte trotz mehrfacher Aufforderung bewusst und beharrlich der Verpflichtung zum gerichtlichen Erlag oder der unverzüglichen Herausgabe des erhaltenen Betrags nicht nachgekommen ist. Dem Disziplinarbeschuldigten wird damit mit noch hinreichender Deutlichkeit (Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 19) (kein vorsätzlicher, sondern) ein fahrlässiger (arg: „schuldhaft“, „bewusst“) Verstoß gegen § 19 Abs 3 RAO und § 17 RL‑BA 1977 zum Vorwurf gemacht, wobei der hier anzuwendende Sorgfaltsmaßstab eine Rechtsfrage betrifft (vgl RIS‑Justiz RS0089407; Burgstaller in WK2 § 6 Rz 41 ff; Ratz, WK‑StPO § 281 Rz 572), der objektive Sorgfaltsverstoß grundsätzlich die subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert (RIS‑Justiz RS0088909; Burgstaller in WK2 § 6 Rz 91) und konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Disziplinarbeschuldigte den objektiven Sorgfalts-anforderungen nicht hätte nachkommen können, aus seiner Verantwortung gerade nicht abzuleiten sind (TZ 16 S 4 iVm TZ 8).

Indem sich der Disziplinarbeschuldigte für sein Verhalten – auch mit seinen nunmehrigen Erklärungsversuchen im Rechtsmittel – auf keine vertretbare Rechtsauffassung berufen kann, versagt seine mit einem Rechtsirrtum begründete Rechtsrüge (Z 9 lit b), zumal es dazu an jeglichen Feststellungen fehlt und solche nicht prozessordnungsgemäß releviert werden (RIS‑Justiz RS0116735).

Der in der Berufung (Z 9 lit b) thematisierte Strafausschließungsgrund nach § 3 DSt verschlägt schon angesichts des dem Disziplinarbeschuldigten angelasteten Schuldgehalts. Soweit die Berufung dessen Anwendung wiederum mit einem gemäß § 12 AHK zu Recht bestandenen Erfolgszuschlag und einer deshalb rechtmäßigen Klageerhebung stützt, verkennt sie den dabei infolge Einspruchs des beklagten Mandanten auch weiteren Kreisen zutage gekommenen Umstand der zur Last gelegten Verstöße gegen § 19 Abs 3 RAO iVm § 17 RL‑BA 1977. Schon dieser Verfahrensführung zufolge ist unter Bedacht auf die ständige Rechtsprechung (20 Os 5/16y; 29 Os 1/14k) von einer hinreichenden Publizitätswirkung zur Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes auszugehen. Entgegen den Berufsausführungen sind die Folgen des Verhaltens des Disziplinarbeschuldigten als nicht bloß unbedeutend zu werten.

Der Berufung wegen Nichtigkeit war somit – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – kein Erfolg zuzumessen.

Die Strafberufung zeigt keine berücksichtigungs-würdigen zusätzlichen Milderungsgründe auf. Die „besondere Uneinsichtigkeit“ bildet den Ausführungen des Disziplinarrats zuwider keinen Erschwerungsgrund (RIS‑Justiz RS0056731, RS0090897). Zufolge Unrechtsgehalts des Verhaltens und der Schuld des Disziplinarbeschuldigten wäre eine Geldbuße in Höhe von 1.800 Euro angemessen. Wegen der übermäßig langen Dauer des Disziplinarverfahrens war zum Ausgleich für die dadurch bewirkte Grundrechtsverletzung die Geldbuße jedoch auf 1.500 Euro zu reduzieren.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 54 Abs 5 DSt.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte