OGH 2Ob94/16m

OGH2Ob94/16m28.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** R*****, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen die beklagte Partei H***** F*****, vertreten durch Hämmerle & Hämmerle Rechtsanwälte GmbH in Rottenmann, wegen Rechtsgestaltung und Feststellung (Streitwert 50.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 25.000 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 22. März 2016, GZ 3 R 143/15x‑47, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00094.16M.0628.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Die Revision weist an sich zutreffend darauf hin, dass die Nachfrist iSv § 918 ABGB im Allgemeinen nur gewährt, nicht ausdrücklich gesetzt werden muss (RIS‑Justiz RS0018340). Das gilt aber nicht, wenn für den Schuldner keineswegs mit Sicherheit feststeht, ob der andere Vertragsteil überhaupt noch auf dem Boden des Vertrags steht und daher zur Annahme der Leistung bereit ist; in diesem Fall ist eine deutliche Erklärung des Berechtigten erforderlich, dass er weiterhin auf der Leistung bestehe und zur Annahme bereit sei (RIS‑Justiz RS0018356; insb 1 Ob 203/98d).

Im vorliegenden Fall musste die Beklagte aufgrund der im Zweifel (auch) als Rücktritt zu wertenden Erklärung der Übergeber vom 16. Jänner 2011, in der neben dem (behaupteten) Verzug auch andere Gründe für den „Widerruf“ des auf den Todesfall geschlossenen Übergabevertrags genannt wurden, keinesfalls annehmen, dass sie trotzdem noch die Möglichkeit einer den Vertrag erhaltenden Erfüllung hatte. Zudem ging ihr diese Erklärung erst zu, nachdem die Übergeber durch den Abschluss eines Vertrags mit einem Dritten anderweitig über die Liegenschaft verfügt hatten. Es konnte daher keine Rede davon sein, dass die Übergeber selbst noch auf dem Boden des – von ihnen „widerrufenen“ – Vertrags gestanden wären. Diese Argumentation gilt in gleicher Weise für die von der Revision gewünschte Deutung der Klage als Rücktrittserklärung (RIS‑Justiz RS0018258). Selbst wenn man insofern eine – für die Wirksamkeit des Rücktritts erforderliche (3 Ob 21/13d mwN) – konkludente Zustimmung der anderen Übergeberin annehmen wollte, war auch hier für die Beklagte nicht erkennbar, dass die Klägerin (als Rechtsnachfolgerin eines Übergebers) noch zur Annahme der strittigen Leistungen bereit war. Denn sie stützte sich in der Klage ausdrücklich auf den „Widerruf“ und wies darauf hin, dass die Übergeber anderweitig über die Liegenschaft verfügt hatten.

Richtig ist, dass das Setzen oder Gewähren einer Nachfrist nicht erforderlich ist, wenn der Schuldner die Leistung ernstlich und endgültig verweigert (RIS-Justiz RS0018428 [insb T2]). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Die Übergeber hatten die Entgegennahme von Naturalleistungen ausdrücklich abgelehnt. Auch wenn dies berechtigt gewesen sein sollte, sodass sie nach der Rechtsprechung zum Unvergleichsfall (RIS-Justiz RS0022521, RS0022573) eine Ablöse in Geld verlangen konnten, lässt sich dem festgestellten Sachverhalt nicht entnehmen, dass die Beklagte tatsächlich vor Klagseinbringung eine konkret geforderte Geldleistung ernstlich verweigert oder überhaupt jede Leistungspflicht aus dem Vertrag bestritten hätte. Dem von der Klägerin vorgelegten Schreiben ihres Vertreters vom 20. Dezember 2011 ist nur zu entnehmen, dass sich die Übergeber „vorbehielten“, den Aufwand Dritter in Rechnung zu stellen; damit haben sie aber gerade nicht Zahlung begehrt. Die Klägerin hat auch nicht behauptet, dass sie die Zahlung der Begräbniskosten verlangt hätte.

Zwar kann sich die ernsthafte und endgültige Verweigerung der Leistung auch aus einem Verhalten nach Einbringen der Klage ergeben (RIS-Justiz RS0018428 [T5]). Das kann wegen des sonst bestehenden Widerspruchs zur eingangs zitierten Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0018356; insb 1 Ob 203/98d) aber nur dann gelten, wenn der Schuldner noch mit der Annahmebereitschaft des Gläubigers rechnen musste. Geht dieser selbst von der Unwirksamkeit des Vertrags aus und bestreitet daher die eigene Leistungspflicht, so kann aus dem bloßen Umstand, dass auch die Gegenseite – trotz Beharren auf der Gültigkeit des Vertrags – ihre Verpflichtung (vorerst) nicht erfüllt, nicht darauf geschlossen werden, dass sie ihre Leistung ernsthaft und endgültig verweigere. Vielmehr wäre in einem solchen Fall eine Klarstellung des Klägers erforderlich, dass er im Fall der Leistung am Vertrag festhalten würde. Denn nur in diesem Fall könnte überhaupt von einer „Verweigerung“ der – sonst in Wahrheit gar nicht (mehr) verlangten – Leistung gesprochen werden.

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