OGH 4Ob119/16b

OGH4Ob119/16b15.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Oberösterreichische Rechtsanwaltskammer, Linz, Gruberstraße 21, vertreten durch Dr. Ludwig Beurle und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Dr. S***** E*****, vertreten durch Mag. Dr. Alfred Poferl, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 43.200 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 29. März 2016, GZ 6 R 61/16g‑11, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 12. Februar 2016, GZ 38 Cg 18/16h‑7, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00119.16B.0615.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der beklagten Partei wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung über den Sicherungsantrag insgesamt zu lauten hat:

„Einstweilige Verfügung

Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei auf Unterlassung wettbewerbswidriger Handlungen wird der beklagten Partei ab sofort bis zur Rechtskraft des beantragten Urteils untersagt, einem Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten auszuüben und/oder sich gegenüber Dritten als 'Rechtsanwalt' zu bezeichnen.

Hingegen wird das Mehrbegehren abgewiesen, der beklagten Partei auch zu verbieten, einem Verteidiger in Strafsachen vorbehaltene Tätigkeiten auszuüben und/oder sich gegenüber Dritten als 'Verteidiger in Strafsachen' zu bezeichnen“.

Die klagende Partei hat ihre Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen zur Hälfte vorläufig und zur Hälfte endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen den mit 3.454,08 EUR (darin 462,18 EUR USt und 681 EUR Barauslagen) bestimmten Anteil ihrer Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die klagende Rechtsanwaltskammer ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts gemäß § 22 RAO, der gemäß § 23 RAO unter anderem die Wahrung der Rechte des Rechtsanwaltsstands obliegt. Gemäß § 2 Abs 2 Satz 2 ihrer Geschäftsordnung ist sie berechtigt, berufsspezifische Ansprüche auf Unterlassung wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens, insbesondere iSd § 14 UWG, geltend zu machen.

Der Beklagte war von November 1989 bis zu der am 8. 5. 2015 wegen einer rechtskräftigen Disziplinarstrafe erfolgten Streichung in der Liste der Rechtsanwälte eingetragen. Bereits am 10. 8. 1988 wurde der Beklagte nach abgelegter Rechtsanwaltsprüfung auf sein Ansuchen gemäß § 39 Abs 3 dritter Satz StPO idF vor dem StrafprozessreformG BGBl I 2004/19 (im Folgenden: aF) „als für die Rechtsanwaltschaft geprüfter Rechtsverständiger“ in die vom Präsidenten des Oberlandesgerichts Linz für diesen Sprengel geführte Liste der Verteidiger in Strafsachen aufgenommen. Diese Liste wurde in zwei Teilen geführt. Im ersten Teil wurden gemäß § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF die ausübenden Rechtsanwälte eingetragen, im zweiten Teil die „Nur‑Verteidiger“ iSd § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO. Nach seiner Eintragung in die Liste der Rechtsanwälte im November 1989 wurde der Beklagten im gleichen Jahr vom zweiten in den ersten Teil der Liste (formlos) „übertragen“.

Der Beklagte, der sich im Rubrum des im gegenständlichen Verfahren am 19. 1. 2016 eingebrachten vorbereitenden Schriftsatzes selbst als „Rechtsanwalt“ bezeichnet und der aufgrund der von ihm angeführten und nicht korrigierten Daten auf einer Internetseite (einer Art elektronischen Branchenverzeichnisses) als Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen aufscheint, trat auch nach seiner Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte in Strafverfahren als Verteidiger in Strafsachen und zumindest in einem Zivilverfahren (Pflegschaftsverfahren), bei dem relative Anwaltspflicht bestand, als Bevollmächtigter einer Partei auf. Beim „Geschäftslokal“ des Beklagten, seinem ehemaligen Kanzleisitz, befindet sich ein Schild, auf dem sein Name und Telefonnummern angeführt sind. Die Bezeichnung „Rechtsanwalt“ wurde überklebt; darunter befindet sich lesbar der Schriftzug „Verteidiger in Strafsachen“.

In mehreren Strafverfahren wurde der Beklagte als Strafverteidiger nicht zugelassen (vgl jeweils OLG Linz 9 Bs 348/12h = RIS‑Justiz RL0000129; 10 Bs 293/12b, 10 Bs 321/12w).

Die klagende Partei begehrte zur Sicherung ihres Unterlassungsanspruchs die Erlassung einer inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung, dem Beklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens zu verbieten, einem Verteidiger in Strafsachen und/oder einem Rechtsanwalt vorbehaltene Tätigkeiten auszuüben und/oder sich als „Rechtsanwalt" oder „Verteidiger in Strafsachen" gegenüber Dritten zu bezeichnen. Der Beklagte sei aufgrund seiner Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte nicht mehr befugt, als Rechtsanwalt oder Verteidiger in Strafsachen tätig zu werden. Die ursprüngliche Eintragung des Beklagten im zweiten Teil der Liste der Verteidiger nach § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF sei durch seine im November 1989 erfolgte Eintragung als Rechtsanwalt gemäß § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF in den ersten Teil der Verteidigerliste (mit‑)übertragen worden. § 516 Abs 4 StPO sei auf den Beklagten nicht anwendbar, weil er zum 31. 12. 2007 in der Verteidigerliste nur mehr als „Rechtsanwalt“, nicht hingegen als „Nur‑Verteidiger“ eingetragen gewesen sei. Ungeachtet der Streichung aus der Liste der Rechtsanwälte führe er auf einem Schild an seiner bisherigen Kanzleiadresse nach wie vor die Bezeichnung „Verteidiger in Strafsachen" und auf seiner Website den Zusatz „Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen“. Er sei weiterhin als Strafverteidiger und Rechtsanwalt vor Gerichten aufgetreten. Durch dieses Verhalten habe der Beklagte rechtswidrig und schuldhaft gegen § 8 RAO verstoßen und nach § 1 UWG unlauter gehandelt (Fallgruppe Rechtsbruch).

In seiner Äußerung wandte der Beklagte ein, dass er zur Führung der Berufsbezeichnung „Verteidiger in Strafsachen" nach wie vor berechtigt sei. Unter Berufung auf ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs führte er aus, dass die automatische bzw faktische Streichung aus der Verteidigerliste nach § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF im Zuge einer Eintragung als Rechtsanwalt nach § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF mangels Bescheids rechtsunwirksam sei. Die Eintragung nach § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF habe somit auch noch zum 31. 12. 2007 aufrecht bestanden, weshalb hier die Übergangsbestimmung nach § 516 Abs 4 StPO anzuwenden sei. Zudem sei die klagende Rechtsanwaltskammer nicht berechtigt, ihm die Führung seiner Berufsbezeichnung als „Verteidiger in Strafsachen“ zu untersagen. Zur ihm vorgeworfenen Tätigkeit als Rechtsanwalt entgegnete der Beklagte, dass seine Tätigkeit nicht unter § 8 RAO falle, weil die Unterstützung und Leistung unentgeltlich erfolgt sei. Den Eintrag auf der Website, bei der es sich nicht um seine Homepage handle, habe er nach fast zehn Jahren vergessen.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag zur Gänze statt. Der Beklagte habe durch sein Einschreiten als Vertreter in einem Zivilverfahren mit relativer Anwaltspflicht und die Verwendung der Bezeichnung „Rechtsanwalt“ gegen § 1 UWG verstoßen. Er sei auch nicht befugt gewesen, als Verteidiger in Strafsachen einzuschreiten. Die Übergangsbestimmung des § 516 Abs 4 StPO perpetuiere nur die am 31. 12. 2007 bestehenden Eintragungen in die Verteidigerliste von Personen iSd § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF. Als der Beklagte begonnen habe, die Rechtsanwaltschaft wirklich auszuüben, sei er in der Verteidigerliste amtswegig nach § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF zu führen gewesen. Der Beginn seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt führte zu einer „Übertragung“ in den ersten Teil der Liste. Der Beklagte sei aus der Verteidigerliste somit nicht ausgeschlossen worden, weshalb auch kein Bescheid erforderlich gewesen sei. Er sei als ausübender Rechtsanwalt noch in der Verteidigerliste geführt worden, allerdings nicht mehr als „Nur‑Verteidiger“, sondern als Rechtsanwalt und Verteidiger in Strafsachen. Die Streichung aus der Rechtsanwaltsliste habe die Streichung aus der Verteidigerliste zur Folge gehabt.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten nicht Folge. Es stützte die Aktivlegitimation der klagenden Partei auf § 22 f RAO und deren Geschäftsordnung. Der Beklagte habe zum einen unlauter gehandelt, weil er den Rechtsanwälten vorbehaltene Vertretungshandlungen wahrgenommen und sich auch als „Rechtsanwalt“ bezeichnet habe. Zum anderen sei er zu Unrecht als Verteidiger in Strafsachen aufgetreten. Jene Personen, die in der Verteidigerliste bereits als „Nur‑Verteidiger“ eingetragen waren, seien dort mit ihrer Eintragung in die Rechtsanwaltsliste nur mehr als Rechtsanwälte geführt worden. Die geringere Berechtigung zur Verteidigung in Strafsachen sei somit in die weitreichendere Berechtigung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft mitübertragen worden. Personen, die – wie der Beklagte – aufgrund ihrer Befugnis zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in die Verteidigerliste eingetragen waren, seien seit 1. 1. 2008 nur mehr nach § 48 Abs 1 Z 4 (gemeint Z 5) StPO zum Einschreiten befugt, weil das Institut der Verteidigerliste abgeschafft worden sei. Rechtsanwälte, die aus der Rechtsanwaltsliste gestrichen werden, seien nicht mehr zur Strafverteidigung befugt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es fehle höchstgerichtliche Judikatur zur Frage, ob die Eintragung in die Verteidigerliste als Rechtsanwalt nach § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF zur Folge hat, dass eine Eintragung nach § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF gegenstandslos werde.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Rekursentscheidung erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist zulässig, weil die Vorinstanzen die Vertretbarkeit der Rechtsansicht des Beklagten nicht geprüft haben. Er ist auch teilweise berechtigt.

A. Handeln und Auftreten als Rechtsanwalt:

1.1 Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass ein Eingriff in das Vertretungsmonopol der Rechtsanwälte durch einen Nichtanwalt gegen § 1 UWG verstößt (Fallgruppe Rechtsbruch; vgl 4 Ob 358/75; 4 Ob 137/94; 4 Ob 57/11b; 4 Ob 20/13i; Schmid/Wiebe in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 UWG Rz 815). Ein solcher Eingriff liegt im Auftreten des Beklagten als Bevollmächtigter im Pflegschaftsverfahren im Mai 2015 vor, weil für derartige Verfahren relative Anwaltspflicht besteht (§ 107 Abs 1 Z 1 AußStrG). Im Revisionsrekurs erstattete der Beklagte erstmals das Vorbringen, das Pflegschaftsverfahren sei bereits im Jahr 2011 eingeleitet worden, wobei sich in diesem Verfahren „Antrag auf Antrag reihte“. § 107 Abs 1 Z 1 AußStrG idF KindNamRÄG 2013 sei daher nicht anzuwenden (vgl § 207i Abs 3 AußStrG). Abgesehen davon, dass das Aktenzeichen des Pflegschaftsverfahrens mit der Jahreszahl aus 2014 das Gegenteil indiziert und in einem Pflegschaftsverfahren auch ein nachfolgender Antrag nach mehreren entschiedenen Voranträgen als verfahrenseinleitend zu qualifizieren ist (vgl etwa 5 Ob 163/11y; 10 Ob 29/12f; RIS‑Justiz RS0128466), war auf das Vorbringen des Beklagten schon wegen Verstoßes gegen das Neuerungsverbot nicht näher einzugehen. Insoweit das Sicherungsbegehren die Ausübung der einem Rechtsanwalt vorbehaltenen Tätigkeiten betrifft, ist das Rechtsmittel erfolglos.

1.2 Der Beklagte hat sich sowohl im Internet als auch in seiner Äußerung zum Sicherungsantrag ausdrücklich als Rechtsanwalt bezeichnet, weshalb das diesbezügliche Unterlassungsbegehren nicht zu beanstanden ist. Es kann uneingeschränkt auf die Entscheidungen der Vorinstanzen verwiesen werden. Eine ernsthafte Sinnesänderung des Beklagten, die die Wiederholung seiner Handlung als völlig ausgeschlossen oder doch äußerst unwahrscheinlich erscheinen lässt (vgl RIS‑Justiz RS0080065), liegt hier nicht vor, weshalb das Unterlassungsbegehren auch bezüglich der Bezeichnung als Rechtsanwalt zu bestätigen ist.

B. Handeln und Auftreten als Verteidiger in Strafsachen:

1. Die Vorinstanzen haben die auf § 39 Abs 3 StPO aF gestützten Eintragungen des Beklagten in die Liste der Verteidiger geprüft. Diese Bestimmung lautete wie folgt:

Der Präsident jedes Gerichtshofes zweiter Instanz hat für seinen Sprengel eine Verteidigerliste anzulegen, mit Anfang eines jeden Jahres zu erneuern und allen Strafgerichten zuzustellen, bei denen sie zu jedermanns Einsicht offenzuhalten ist. In diese Liste sind vorerst alle im Sprengel des Gerichtshofes zweiter Instanz die Rechtsanwaltschaft wirklich ausübenden Rechtsanwälte aufzunehmen. Auf ihr Ansuchen sind aber auch für die Rechtsanwaltschaft oder das Notariat geprüfte Rechtsverständige aufzunehmen, sofern nicht Umstände vorliegen, die nach dem Gesetz die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft oder dem Notariat zur Folge haben. Wer sich durch die Ausschließung aus der Verteidigerliste gekränkt erachtet, kann sich binnen vierzehn Tagen, nachdem ihm die Entscheidung zugestellt worden ist, beim Bundesministerium für Justiz beschweren.

 

Diese Regel trat mit der StPO‑Reform 2008 per 1. 1. 2008 außer Kraft. § 516 Abs 4 StPO normiert dazu aber folgende Übergangsregelung:

Am 31. 12. 2007 bestehende Eintragungen von Personen im Sinne des § 39 Abs. 3 dritter Satz in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung in die Verteidigerliste bleiben aufrecht; die dort eingetragenen Personen gelten bis zur Vollendung ihres 70. Lebensjahres im Sinne des § 48 Abs. 1 Z 4 als gesetzlich zur Vertretung im Strafverfahren berechtigte Personen. Vor diesem Zeitpunkt erteilte Mandate berechtigen bis zur rechtskräftigen Beendigung des zu Grunde liegenden Verfahrens zur Ausübung der Verteidigung in diesem Verfahren. § 39 Abs. 3 in der vor Inkrafttreten des Strafprozessreformgesetzes geltenden Fassung ist für diese Eintragungen weiterhin anzuwenden.

 

2. Die von den Vorinstanzen in Anknüpfung an die zweitinstanzliche Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Linz in Strafsachen (zB RIS‑Justiz RL0000129) und die Ausführungen von Jerabek (in Fuchs/Ratz , WK‑StPO § 516 StPO Rz 7) vertretene Rechtsansicht, wonach das Institut der Verteidigerliste abgeschafft worden sei, ist nur insoweit zu teilen, dass Neueintragungen nicht mehr in Betracht kommen (VwGH 2009/06/0062). Gerade aus dem in § 516 Abs 4 StPO angeordneten Aufrechtbleiben der „am 31. 12. 2007 bestehenden Eintragungen“ ist sonst aber vom Weiterbestehen der Liste auszugehen (vgl VwGH 2009/06/0062 und 2009/06/0063: „Verteidigerlisten sind gemäß § 516 Abs 4 StPO im dort beschriebenen Umfang weiterzuführen“). Dementsprechend ist nach der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs eine Streichung von der Liste der Verteidiger auch nach dem 1. 1. 2008 erforderlich, wenn die Voraussetzungen für eine Eintragung nicht (mehr) vorliegen (VwGH 2011/01/0225).

3.1 Der Beklagte vertritt die Rechtsansicht, dass er mangels seiner wirksamer Streichung von der Liste als „Nur‑Verteidiger“ in Verbindung mit der Perpetuierungsvorschrift des § 516 Abs 4 StPO berechtigt sei, als Verteidiger in Strafsachen tätig zu werden. Damit hat er sich im Ergebnis implizit auch auf die Vertretbarkeit dieser Auffassung berufen: Bringt der Beklagte vor, die beanstandeten Handlungen stünden mit dem Gesetz im Einklang, steckt darin nämlich der – wenn auch nicht ausdrücklich erhobene – Einwand, seine Auffassung sei jedenfalls mit guten Gründen vertretbar (4 Ob 104/10p mwN). Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist nicht als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung iSv § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (zuletzt 4 Ob 254/15d).

3.2 Die lauterkeitsrechtliche Beurteilung des dem Beklagten im Zusammenhang mit seinem Auftreten als Verteidiger in Strafsachen vorgeworfenen Verhaltens hängt daher unter anderem davon ab, ob sich dieser vertretbar darauf berufen konnte, dass am Stichtag 31. 12. 2007 aufrecht in die Verteidigerliste im Sinne des § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF eingetragen gewesen zu sein, welche Eintragung auch nach seiner Streichung von der Rechtsanwaltsliste nicht (automatisch) gegenstandslos wurde.

4.1 Die Vorinstanzen vertraten die Ansicht, dass der Beklagte ungeachtet einer fehlenden ausdrücklichen Streichung aus der Liste der Strafverteidiger nicht als Verteidiger einschreiten durfte, weil § 516 Abs 4 StPO auf den Beklagten nicht anzuwenden sei. Diese Rechtsansicht basiert auf der Prämisse, dass schon zur Rechtslage vor der StPO-Reform 2008 eine nach § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF wegen der Ausübung der Rechtsanwaltschaft in die Liste der Verteidiger in Strafsachen vorgenommene Eintragung einer nach § 39 Abs 3 dritter Satz StPO zeitlich zuvor erfolgten Eintragung auch ohne bescheidmäßige Erledigung (quasi „automatisch“) die Grundlage entzog, sodass sich eine Person nach dem Ende der Ausübung der Rechtsanwaltschaft nie darauf berufen konnte, sie sei berechtigt, als Verteidiger in Strafsachen aufzutreten.

4.2 Aufgrund der vom Beklagten zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist eine gegenteilige Rechtsansicht jedenfalls nicht unvertretbar. Der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu 97/19/1529 lag ein mit der hier zu prüfenden Konstellation vergleichbarer Fall zugrunde, bei dem der dortige Beschwerdeführer in der Liste der Verteidiger in Strafsachen zuerst als geprüfter Rechtsanwaltsanwärter nach § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF bzw eineinhalb Jahre später als tatsächlich ausübender Anwalt geführt wurde. Jahrzehnte später verzichtete der Beschwerdeführer auf die weitere Ausübung als Rechtsanwalt. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte die Frage, ob eine Person schon nach Wegfall der Eintragungsvoraussetzung nach § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF (= ausübender Rechtsanwalt) zwingend und allenfalls auch gegen seinen Willen von der Liste der Verteidiger zu streichen ist, obwohl er die in § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF umschriebenen (alternativen) Eintragungsvoraussetzungen für den „Nur‑Verteidiger“ (weiterhin) erfüllt. Es könne demnach keinesfalls von einer Subsidiarität oder etwa einer Konsumption der Eintragung gemäß § 39 Abs 3 dritter Satz StPO aF bei einer zeitlich darauf folgenden Eintragung gemäß § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF ausgegangen werden. Auch in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs zu 2003/06/0024 hielt das Höchstgericht daran fest, dass die Löschung eines Rechtsanwalts aus der Liste der Rechtsanwälte nicht gleichsam automatisch auch seine Löschung aus der Verteidigerliste bewirkt.

Die Bedeutung der referierten Entscheidungen für die hier zu beurteilende Vertretbarkeit ist nicht schon deshalb zu verneinen, weil diese Judikatur vor der StPO-Reform 2008 erging. Die Übergangsbestimmung des § 516 Abs 4 StPO knüpft gerade an die alte Rechtslage und die Eintragungen nach § 39 Abs 3 StPO aF an. Wegen der vertretbaren Rechtsansicht, dass nach der Rechtslage vor der StPO-Reform 2008 eine Eintragung als „Nur-Verteidiger“ durch eine Eintragung als Rechtsanwalt gemäß § 39 Abs 3 zweiter Satz StPO aF nicht wirkungslos wurde, ist die darauf aufbauende Rechtsansicht des Beklagten vertretbar, dass § 516 Abs 4 StPO die Eintragungen auch jener Verteidiger in Strafsachen perpetuiert, die am Stichtag 31. 12. 2007 (darüber hinaus auch noch) ausübende Rechtsanwälte waren.

5. Zusammengefasst ist die dem (wegen des Auftretens als „Verteidiger in Strafsachen“) beanstandeten Verhalten zugrunde liegende Rechtsansicht des Beklagten als vertretbar zu qualifizieren, weshalb auch eine allfällige Rechtswidrigkeit den lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsanspruch in der Fallgruppe „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ insoweit nicht begründen kann. Der Revisionsrekurs ist daher diesbezüglich berechtigt.

C. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, für den Zuspruch an den Beklagten iVm §§ 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat den Sicherungsantrag zur Hälfte abgewehrt; er hat daher Anspruch auf die Hälfte seiner im Sicherungsverfahren angefallenen Kosten (Äußerung, Rekurs und Revisionsrekurs), wobei von einer Bemessungsgrundlage von 43.200 EUR auszugehen war. Die Pauschalgebühr für den Rekurs wurde erst im Revisionsrekurs, somit verspätet verzeichnet. Die Urkundenvorlage war im Sicherungsverfahren nicht zu honorieren, weil sich diese ausdrücklich nur auf die Klagebeantwortung bezog.

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