OGH 9Ob19/16h

OGH9Ob19/16h21.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei Krankenanstalt R*****, vertreten durch Dr. Bertram Maschke, Dr. Michaela Moser‑Maschke, Rechtsanwälte in Radstadt, gegen die beklagte Partei I***** B*****, vertreten durch Dr. Josef Dengg, Dr. Milan Vavrousek ua, Rechtsanwälte in St. Johann im Pongau, wegen 7.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 13. Jänner 2016, GZ 22 R 370/15p‑27, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 8. Oktober 2015, GZ 5 C 103/15p‑22, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00019.16H.0421.000

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab:

Die in Deutschland wohnhafte Beklagte wurde nach einem Schiunfall zunächst in einer Ambulanz erstversorgt und nach Erörterung, in welchem Krankenhaus die Operation durchgeführt werden soll, in die Privatkrankenanstalt der Klägerin gebracht. Der Beklagten war bewusst, dass es sich um eine Privatkrankenanstalt handelte. Ohne in ihrer Dispositions‑ oder Diskretionsfähigkeit beeinträchtigt zu sein, bestätigte sie bei ihrer Aufnahme in einem Formular, dass sie „zusätzlich zur eventuellen Sozialversicherung eine Privat‑, Krankenzusatz‑ oder Auslandsreiseversicherung besitze“ und stimmte „der Aufnahme und Behandlung in der Privaten Krankenanstalt ***** Dr. ***** und der Abrechnung nach der Gebührenordnung der Salzburger Ärztekammer zu!“. Die deutsche Versicherung wurde im Formular auch namentlich festgehalten. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es sich dabei um eine gesetzliche Krankenversicherung handelte, die nur einen Teil der Behandlungskosten deckte.

Die Vorinstanzen hielten das auf die Zahlung der Entgeltdifferenz gerichtete Begehren der Klägerin für berechtigt.

Die Beklagte vertritt in ihrer dagegen gerichteten Revision die Ansicht, dass die Klägerin pflichtwidrig die Frage der Kostendeckung durch die Krankenversicherung nicht abgeklärt und sie darüber daher auch nicht entsprechend aufgeklärt habe.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der ärztliche Behandlungsvertrag ein im Gesetz nicht näher typisiertes Vertragsverhältnis, aufgrund dessen der Arzt dem Patienten eine fachgerechte, dem objektiven Standard des besonderen Faches entsprechende Behandlung, nicht aber einen bestimmten Erfolg schuldet (RIS‑Justiz RS0021335). Wegen der Besonderheit dieses Vertragsverhältnisses, in dessen Rahmen regelmäßig in die körperliche Unversehrtheit eines Vertragsteils eingegriffen wird, unterliegt der andere Vertragsteil besonderen Aufklärungspflichten. Die ärztliche Aufklärungspflicht umfasst die Verpflichtung des Arztes, den Patienten über die Art und Schwere sowie die möglichen Gefahren und schädlichen Folgen einer Behandlung zu unterrichten (RIS‑Justiz RS0038176) und soll den einwilligenden Patienten instand setzen, die Tragweite seiner Einwilligung zu überschauen (RIS‑Justiz RS0026413).

Wie bereits zu 4 Ob 249/02z ausgeführt, unterscheidet sich der ärztliche Behandlungsvertrag in Fragen der Entgeltlichkeit hingegen nicht von vergleichbaren synallagmatischen Vertragsbeziehungen. In der Rechtsprechung wurde deshalb schon vertreten, dass die Bestimmung des § 1152 ABGB auf den Behandlungsvertrag analoge Anwendung findet: Wird kein Entgelt vereinbart und ist auch nicht ausdrücklich Unentgeltlichkeit vereinbart, gilt ein angemessenes Entgelt als bedungen. Ist demnach in der Frage der Entgeltlichkeit ein Arzt nach denselben Grundsätzen zu behandeln wie jeder sonstige Unternehmer, der Leistungen gegen Entgelt anbietet, besteht kein Anlass, dem Arzt besondere Aufklärungs‑ oder Warnpflichten betreffend die Kosten des Behandlungsvertrags aufzuerlegen.

Soweit die Beklagte meint, dass die Rechtsprechung zur Reichweite der ärztlichen Aufklärungspflicht auch für den versicherungsrechtlichen Aspekt des Behandlungsvertrags übertragbar sei, ist ihr daher nicht zu folgen, weil die Grundsätze zur ärztlichen Aufklärungspflicht im Hinblick auf die Besonderheit der Arztleistung ‑ Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ‑ entwickelt wurden, nicht aber im Hinblick auf den vertragsrechtlichen Aspekt der Kosten(tragung).

Die Beklagte hat im Verfahren nicht erklärt, den Behandlungsvertrag wegen Irrtums anzufechten. Ein Verständnis des Behandlungsvertrags dahin, dass er nur unter der Bedingung einer gänzlichen Kostendeckung durch die Versicherung abgeschlossen worden sei, lässt sich dem Vertragstext nicht entnehmen. Überdies konnte nicht festgestellt werden, dass die Beklagte einer Operation in der Privaten Krankenanstalt der Klägerin nicht zugestimmt hätte, wenn sie gewusst hätte, dass sie die Operationskosten selbst zu tragen hat oder wenn sie vorher über die Höhe der Kosten aufgeklärt worden wäre. Der Entgeltanspruch der Beklagten ist danach auch im Wege der Vertragsauslegung nicht zu beseitigen.

Im Übrigen kann die Frage des Bestehens von Aufklärungspflichten nach der Übung des redlichen Verkehrs auch in Konstellationen wie der vorliegenden nur anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RIS‑Justiz RS0111165 ua). Hier musste die Klägerin nach der Erklärung der Beklagten die Richtigkeit der Angabe, dass es sich bei der genannten Versicherung tatsächlich um eine Privatkrankenversicherung der Beklagten handelte, nicht bezweifeln. Wenn die Vorinstanzen angesichts dessen, dass die Beklagte die Klägerin auch nicht mit der näheren Abklärung der Versicherungsdeckung beauftragt hatte und die Klägerin keinen besonderen Vertrauenstatbestand dafür geschaffen hat, eine Pflichtwidrigkeit der Klägerin verneinten, so ist dies vertretbar und nicht weiter korrekturbedürftig.

Nicht zuletzt wäre der Beklagten nach der genannten Negativfeststellung aber auch der Kausalitätsbeweis nicht gelungen. Ihr Vorbringen, dass die Negativfeststellung zulasten der Klägerin gehe, ist verfehlt, weil der Beweis der Kausalität dem Geschädigten obliegt. Die für ärztliche Behandlungsfehler gegenläufige Rechtsprechung ist auf Fälle der Verletzung einer die Versicherungsdeckung betreffenden Aufklärungspflicht nicht übertragbar (6 Ob 2174/96s [Rechtsschutzversicherung]).

Die Revision der Beklagten ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Bedeutung des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (s RIS‑Justiz RS0123861).

Stichworte