OGH 11Os13/16w

OGH11Os13/16w22.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Margreiter, LL.B., als Schriftführerin in der Strafsache gegen Islam H***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Z 3 FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Shkelzen I***** gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 28. Oktober 2015, GZ 11 Hv 28/15m‑31, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0110OS00013.16W.0322.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten I***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche zweier Mitangeklagter enthält, wurde Shkelzen I***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 2, Z 3 FPG (idgF) schuldig erkannt.

Danach hat er am 25. August 2015 in N***** im einverständlichen Zusammenwirken mit den Mitangeklagten Islam H***** und Egzon S***** die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden in oder durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Tat in Bezug auf „eine größere Zahl von Fremden“ sowie auf eine Art und Weise beging, durch die die Fremden insbesondere während der Beförderung längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wurden, indem er den Transport von 35 Personen verschiedener Nationalitäten, die über keine gültigen Einreisepapiere für den Schengenraum verfügten, von Ungarn nach Österreich in einem von Islam H***** gelenkten Klein‑LKW, in dessen Laderaum die Fremden während der Fahrt (ca fünf Stunden lang) zusammengepfercht und ohne ausreichende Luftzufuhr ausharren mussten, als Beifahrer eines von Egzon S***** gelenkten, den „Schleppertransport“ begleitenden Kraftwagens absicherte und nach Polizeikontrollen Ausschau hielt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 5a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten I*****.

Soweit der Beschwerdeführer (bei der Anmeldung des Rechtsmittels) die Z 5a des § 281 Abs 1 StPO bloß benennt, ohne einen dieser Anfechtungskategorie unterliegenden Sachverhalt zu behaupten, bezeichnet er den angeführten Nichtigkeitsgrund nicht deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO).

Die den Schuldspruch tragenden Feststellungen (US 5 bis 7) stützten die Tatrichter ‑ willkürfrei (vgl RIS‑Justiz RS0098362) ‑ auf eine vernetzte Betrachtung der Verfahrensergebnisse und daraus gezogene Wahrscheinlichkeitsschlüsse (US 7 bis 13). Der leugnenden Verantwortung des I*****, er habe nicht am Transport mitgewirkt, sondern während der gesamten Schlepperfahrt ‑ auf dem Beifahrersitz des Begleitfahrzeugs ‑ tief geschlafen, versagten sie ebenso den Glauben wie den Einlassungen der (in eigener Sache umfassend geständigen) Mitangeklagten, soweit sie diese Version des Geschehens bestätigten (US 11 bis 13).

Indem die Mängelrüge bloß einzelne Elemente der tatrichterlichen Argumentationskette isoliert herausgreift und sie für zur Begründung des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen unzureichend (Z 5 vierter Fall) hält, ohne an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe Maß zu nehmen, bringt sie den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht zu prozessförmiger Darstellung (RIS‑Justiz RS0119370).

Die weitere Mängelrüge (Z 5) bekämpft (in gleicher Weise) die Urteilsannahmen, es habe sich um eine „von Anfang an geplante Schlepperfahrt“ (US 12) gehandelt, zu deren Zweck die Angeklagten eine Örtlichkeit angesteuert hätten, die „als Umschlagplatz für Schleppungen bekannt“ (US 5) sei, und auch der Beschwerdeführer selbst habe einen Teil des Schlepperlohns erhalten (US 6). Insoweit spricht sie (schon) keine entscheidenden, nämlich für die Schuld‑ oder die Subsumtionsfrage bedeutsamen Tatsachen an und verfehlt damit ihren gesetzlichen Bezugspunkt (RIS‑Justiz RS0106268).

Zu welcher Feststellung über welche entscheidende Tatsache die ‑ angeblich übergangene (Z 5 zweiter Fall) ‑ Bekundung des Beschwerdeführers, die Angeklagten hätten „Kleidung und Waschzeug mitgehabt, für den Fall“, dass sie „eine Woche unterwegs gewesen wären“ (ON 30 S 19), in welcher Hinsicht in erörterungsbedürftigem Widerspruch stehen sollte, lässt das Rechtsmittel offen.

Der Sache nach einen Rechtsfehler mangels Feststellungen (Z 9 lit a) behauptet der Nichtigkeitswerber mit dem (nominell aus Z 5 erhobenen) Einwand, das Schöffengericht hätte eine „offenbare Beitragstäterschaft [...] beschreiben“ und feststellen müssen, „welcher Beitrag der Ausführung der Tat vorliegt oder in welcher anderer Form erfolgt ist“. Prozessordnungswidrig orientiert er sich dabei weder an den Urteilskonstatierungen (RIS‑Justiz RS0099810) noch am Gesetz (RIS‑Justiz RS0116565).

Hinzugefügt sei, dass das Erstgericht das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers (US 5, 6 iVm US 2) ‑ zu Recht ‑ als (nach § 114 Abs 1 FPG) tatbestandsmäßige Ausführungshandlung (§ 12 erster Fall StGB) ansah, die im Fördern der Ein‑ oder Durchreise eines Fremden (und nicht zwingend in dessen Befördern) besteht (vgl zu diesem Tatbestandsmerkmal Tipold in WK 2 FPG § 114 Rz 10). Der Urteilssachverhalt trägt daher (ohnedies) die Annahme von Mittäterschaft (dazu Fabrizy , StGB 11 § 12 Rz 5).

Bleibt überdies anzumerken (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO), dass § 114 Abs 3 Z 2 FPG zuletzt mit BGBl I 2015/121 (Inkrafttreten am 1. Oktober 2015) ‑ demnach zwischen Tat- und Urteilszeitpunkt ‑ geändert wurde. Die Wortfolge „größere Zahl von Fremden“ wurde dabei durch die Formulierung „mindestens drei Fremde“ ersetzt. Da das Tatzeitrecht vorliegend (bei 35 Geschleppten in seiner Gesamtauswirkung im konkreten Einzelfall) nicht günstiger ist als das Urteilszeitrecht (§ 61 zweiter Satz StGB), trifft die vom Erstgericht ‑ wenngleich unter irreführender Zitierung des Gesetzeswortlauts zum Tatzeitpunkt ‑ vorgenommene Unterstellung der Tat (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) nach der im Urteilszeitpunkt geltenden Fassung dieser Bestimmung (im Ergebnis) zu.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen, woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der (angemeldeten ‑ ON 34) Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte