OGH 9Ob84/15s

OGH9Ob84/15s25.2.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der klagenden Partei H***** S*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, gegen die beklagte Partei F***** Z*****, vertreten durch Dr. Friedrich Valzachi, Rechtsanwalt in Wien, wegen 12.476,69 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 2. September 2015, GZ 21 R 117/15m‑15, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Tulln vom 24. März 2015, GZ 2 C 828/14t‑10, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00084.15S.0225.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.164,06 EUR (darin 194,01 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 2.200,44 EUR (darin 1.362 EUR Barauslagen, 139,74 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

Der Kläger erwarb über Vermittlung des Beklagten, einem Immobilienmakler, mit Kaufvertrag vom 3. 11. 2011 ein Grundstück im Ausmaß von 1.959 m2 um den vereinbarten Kaufpreis von 88.000 EUR. Das Grundstück war im Grundbuch als „Baufläche (begrünt)“ ausgewiesen. Tatsächlich ist ein Streifen des Grundstücks von 259 m² („eventuell sogar 284 Quadratmeter“), der außerhalb der Bebauungslinie als eine Art Pufferzone zum angrenzenden Grund liegt, als Grünland gewidmet. Der Beklagte hatte davon keine Kenntnis. Der Verkäufer hätte das Grundstück zu keinem niedrigeren Preis verkauft. Im Kaufvertrag wurde festgehalten, dass der Verkäufer nicht für Flächenausmaß, Bauzustand, Kulturbeschaffenheit, Widmung oder sonstige Eigenschaft des Kaufgegenstands haftet.

Der Kläger begehrt vom Beklagten 12.476,69 EUR sA als Schadenersatz, weil ihn der Beklagte entgegen seiner Aufklärungspflicht (§ 3 MaklerG) nicht über die teilweise Grünlandwidmung informiert habe. Der Kläger sei auf diese Widmung erst im Zuge eines geplanten Bauvorhabens (Errichtung eines Schuppens) von der Bauabteilung der Marktgemeinde hingewiesen worden. Der Wert von Grünland zum Zeitpunkt des Kaufabschlusses wäre wesentlich niedriger (3 EUR/m2) anzusetzen gewesen. Sein Schaden ergebe sich aus dem überhöhten Kaufpreis von 11.928 EUR und dem Mehrbetrag an Grunderwerbsteuer und Eintragungsgebühr von 548,69 EUR.

Der Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass das Grundstuck als „Baugrund“ angeboten worden sei, um einen solchen handle es sich auch. Der Grüngürtel befinde sich an der südlichen Grundstücksgrenze, somit außerhalb der Baufluchtlinie und sei daher niemals bebaubar. Auch in Anbetracht der Bebauungsdichte von 25 % und der Bauklasse (I, II) bestehe kein Schaden. Der vereinbarte Kaufpreis sei ein Mindestverkaufspreis gewesen. Der Kläger habe gegenüber dem Verkäufer auch auf jegliche Haftung verzichtet.

Das Erstgericht wies die Klage ab, weil den Beklagten kein Sorgfaltsverstoß treffe und auch keine Kausalität eines allfälligen Beratungsfehlers vorliege. Der Verkäufer wäre keinesfalls zu einem Verkauf um einen günstigeren Preis bereit gewesen.

Das Berufungsgericht gab der dagegen gerichteten Berufung des Klägers Folge und hob das Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Eine Verletzung der Aufklärungspflicht sei zu bejahen, der Beklagte hafte daher dem Grund nach für den Vertrauensschaden. Für dessen Ermittlung nach der relativen Berechnungsmethode fehlten allerdings noch Feststellungen. Der Rekurs sei zur Frage zulässig, ob ein Immobilienmakler bei Ankauf eines Baugrundes auf die konkrete Flächenwidmung hinweisen und dafür in den Flächenwidmungsplan Einsicht nehmen müsse.

In seinem dagegen gerichteten Rekurs begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des Ersturteils.

Der Kläger begehrt die Abweisung des Rekurses.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig und berechtigt.

1. Unstrittig ist der Beklagte als Doppelmakler tätig geworden. Das Verbot der sogenannten Doppeltätigkeit gemäß § 5 Abs 1 MaklerG besteht unter anderem dann nicht, wenn für den betreffenden Geschäftszweig ein abweichender Geschäftsgebrauch existiert. Das ist für den Geschäftszweig der Immobilienmakler der Fall (RIS‑Justiz RS0062688).

2. Gemäß § 3 Abs 1 MaklerG hat der Makler die Interessen des Auftraggebers redlich und sorgfältig zu wahren. Dies gilt auch, wenn er zugleich für den Dritten tätig ist.

3. Gemäß § 3 Abs 3 MaklerG sind Makler und Auftraggeber verpflichtet, einander die erforderlichen Nachrichten zu geben. Im Verbrauchergeschäft zählen gemäß § 30b Abs 2 KSchG dazu jedenfalls auch sämtliche Umstände, die für die Beurteilung des zu vermittelnden Geschäfts wesentlich sind. Diese Bestimmung spricht die Fachkenntnisse des Immobilienmaklers an, der seine Marktkenntnisse und sein Hintergrundwissen beratend einzubringen hat (4 Ob 8/02h unter Hinweis auf die Materialien).

4. Gemäß § 3 Abs 4 S 1 MaklerG kann vom Makler bei Verletzung der ihn nach den Abs 1 bis 3 treffenden Pflichten nach allgemeinen Grundsätzen Schadenersatz verlangt werden. Insofern verweist die Bestimmung lediglich auf allgemeines Schadenersatzrecht (RIS‑Justiz RS0116638).

5. Die Verletzung von Informationspflichten bei Abschluss eines Vertrags, unrichtige oder unvollständige Angaben über eine Eigenschaft der vermittelten Kaufsache gewähren nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen nicht den Ersatz des Nichterfüllungsschadens, sondern billigen dem Geschädigten den Ersatz jenes Schadens zu, den er im Vertrauen auf die korrekte Erfüllung des Maklervertrags erlitten hat. Zu ersetzen ist demnach der Vertrauensschaden, nicht aber das positive Erfüllungsinteresse (Gartner/Karandi, MaklerG2 [2013] § 3 Rz 30; 5 Ob 43/02p mwN).

6. Wird der Ersatz des Vertrauensschadens begehrt, ist der Geschädigte so zu stellen, wie er stünde, wenn die Pflichtverletzung nicht begangen worden wäre (RIS‑Justiz RS0016374 ua). Das zu leistende Interesse liegt in der Differenz zwischen der Vermögenslage des Geschädigten, wie sie sich im Beurteilungszeitpunkt ohne schädigendes Ereignis darstellen würde, und dem nach dem schädigenden Ereignis nun tatsächlich vorhandenen Vermögensstand (1 Ob 192/15i mwN).

7. Selbst wenn man dem Kläger dahin folgen wollte, dass die unterlassene Aufklärung des Beklagten über die teilweise Widmung der Liegenschaft als Grünland eine solche Pflichtverletzung darstellte (s aber auch die Rechtsprechung zu den Grenzen der Nachforschungspflicht des Maklers, RIS‑Justiz RS0112587), so ist hier für ihn nichts gewonnen, weil er keinen Schaden aufzeigt, für den der Beklagte kausal geworden wäre.

8. Eine Unterlassung ist dann für den Schadenserfolg kausal, wenn die Vornahme der gebotenen Handlung das Eintreten des Erfolgs verhindert hätte (RIS‑Justiz RS0022913; Karner in KBB4 ABGB § 1295 Rz 3 mwN; Harrer in Schwimann³ ABGB § 1295 Rz 4 mwN). Die Beweislast, dass der Schaden bei pflichtgemäßem Verhalten nicht eingetreten wäre, trifft den Geschädigten (RIS‑Justiz RS0022700, RS0022900 [T5, T11]).

9. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Verkäufer das Grundstück in seiner Gesamtheit zu keinem niedrigeren Preis verkauft hätte, sondern dafür jedenfalls 88.000 EUR lukrieren wollte. Dazu kommt, dass im Kaufvertrag festgehalten wurde, dass der Verkäufer nicht für Flächenausmaß, Bauzustand, Kulturbeschaffenheit, Widmung oder sonstige Eigenschaft des Kaufgegenstands haftet. Der Kläger hat aber auch nicht vorgebracht, dass er ‑ ungeachtet der Eignung des Grundstücks als „Baugrund“ ‑ in Kenntnis der teilweisen Grünlandwidmung vom Grundstückskauf überhaupt Abstand genommen hätte. Vielmehr war er im Verfahren stets nur der Ansicht, dass der Kaufpreis aufgrund des Grünlandstreifens überhöht gewesen sei. Es fehlt danach schon an der Behauptung eines hypothetischen alternativen Geschehensablaufs, der erst zum Ersatz des gewünschten Vertrauensschadens führen könnte.

10. Dem Rekurs war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Einheitssatz beträgt hier 50 % (§ 23 Abs 3 RATG).

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