European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00013.16Z.0225.000
Spruch:
1. Der als „Rekurs“ bezeichnete Revisionsrekurs der V***** H***** wird zurückgewiesen.
2. Hinsichtlich des als „Rekurs“ bezeichneten Revisionsrekurses der B***** S***** wird der Akt dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung
Die am 28. 2. 2015 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung 84‑jährig verstorbene Erblasserin war Schweizer Staatsangehörige und hatte ihren letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Sie hatte drei Töchter (V***** H*****, B***** S*****, M***** H*****) und einen Sohn (A***** H*****). M***** H***** ist am 28. 6. 2014 vorverstorben. Mit Ausnahme der in Österreich lebenden Tochter B***** S*****, die zuletzt auch Sachwalterin ihrer Mutter war, hatten und haben die Kinder der Erblasserin ihren Wohnsitz in der Schweiz. Erbantrittserklärungen wurden bisher nicht abgegeben.
Mit Beschluss vom 17. 8. 2015 bestellte das Erstgericht über Ersuchen des Gerichtskommissärs V***** H***** zur Verlassenschaftskuratorin und bestimmte deren Wirkungskreis mit der Vertretung der Verlassenschaft, insbesondere der „Verwertung des Nachlassvermögens nach M***** H*****“.
Das von V***** H***** angerufene Rekursgericht gab dem Rechtsmittel Folge, „behob“ den erstinstanzlichen Beschluss (ersatzlos) und trug dem Erstgericht die „gesetzmäßige Fortsetzung“ des Verfahrens auf. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR nicht übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diese Rekursentscheidung richten sich die selbst verfassten, weder von einem Rechtsanwalt noch einem Notar unterfertigten, als „Rekurse“ bezeichneten Rechtsmittel der Töchter V***** H***** und B***** S*****, die als Revisionsrekurse zu behandeln sind. Soweit erkennbar, streben sie unter Berufung auf Schweizer Recht die Ausstellung eines für die Veräußerung einer Liegenschaft aus dem Nachlass der verstorbenen Schwester benötigten Erbscheins an.
Das Rechtsmittel der V***** H***** ist jedoch jedenfalls unzulässig, über jenes der B***** S***** kann noch nicht entschieden werden:
1. In dem vor einem österreichischen Gericht geführten Verlassenschaftsverfahren ist ungeachtet der Frage, welche Rechtsordnung für die Lösung materieller Rechtsfragen maßgeblich ist (vgl dazu 6 Ob 81/13z), ausschließlich österreichisches Verfahrensrecht anzuwenden (6 Ob 171/02v; RIS‑Justiz RS0009195, RS0076618).
Gemäß § 6 Abs 2 AußStrG müssen sich die Parteien eines Verlassenschaftsverfahrens im Revisionsrekursverfahren durch einen Rechtsanwalt oder Notar (nur im Verfahren über das Erbrecht besteht gemäß § 162 AußStrG absolute Anwaltspflicht) vertreten lassen. Gemäß § 65 Abs 3 Z 5 AußStrG bedarf der Revisionsrekurs, der auch bestimmte Inhaltserfordernisse erfüllen muss (§ 65 Abs 3 Z 1 bis 4 und 6 AußStrG), der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars. Diese sind gemäß § 89c Abs 5 Z 1 und 2 GOG idF BGBl I 2012/26 überdies nach Maßgabe der technischen Möglichkeiten zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtet (3 Ob 91/14z; RIS‑Justiz RS0128266). Fehlt es an diesen Erfordernissen, hat das Erstgericht gemäß § 10 Abs 4 AußStrG, allenfalls auch § 89c Abs 6 GOG, ein Verbesserungsverfahren durchzuführen. Das ist bisher nicht geschehen.
2. Gemäß § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs ‑ außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG ‑ jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungs‑ gegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt 30.000 EUR nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Diese Bestimmung gilt nicht, soweit der Entscheidungsgegenstand nicht rein vermögensrechtlicher Natur ist (§ 62 Abs 4 AußStrG).
Ob ein Anspruch vermögensrechtlicher Natur ist, ergibt sich aus seinem materiell‑rechtlichen Inhalt (RIS‑Justiz RS0007110). Maßgeblich ist stets der Entscheidungsgegenstand in der Hauptsache, auch wenn das Rechtsmittelverfahren nur verfahrensrechtliche Fragen betrifft. Auch die Frage der Anfechtbarkeit sonstiger im Rahmen des Verfahrens ergehender Beschlüsse richtet sich danach (2 Ob 91/15v mwN; RIS‑Justiz RS0010054). Entscheidungen im Verlassenschaftsverfahren sind regelmäßig rein vermögensrechtlicher Natur (7 Ob 112/13s mwN; RIS‑Justiz RS0122922). Dies gilt auch für die Bestellung und Enthebung eines Verlassenschaftskurators (vgl 6 Ob 300/98f).
Der Beschluss des Rekursgerichts ist daher lediglich im Wege einer Zulassungsvorstellung gemäß § 63 AußStrG anfechtbar. Wird dennoch ein (ordentlicher oder außerordentlicher) Revisionsrekurs erhoben, so hat ‑ auch wenn dieser an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist ‑ das Erstgericht dieses Rechtsmittel dem Rekursgericht vorzulegen, weil derartige Rechtsmittel in der Regel als Anträge im Sinne des § 63 AußStrG zu werten sind; allenfalls ist vorher ein Verbesserungsverfahren einzuleiten.
3. In Ansehung des von V***** H***** erhobenen Rechtsmittels kann aber von einem Vorgehen im Sinne der dargelegten Grundsätze abgesehen werden:
Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedes Rechtsmittel eine Beschwer ‑ also ein Anfechtungsinteresse ‑ voraus (RIS‑Justiz RS0002495). Die Beschwer muss zum Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels gegeben sein und zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel noch fortbestehen; andernfalls ist das Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (RIS‑Justiz RS0041770, RS0006880). Diese Grundsätze gelten auch im Verfahren außer Streitsachen (RIS‑Justiz RS0006598).
Das Rekursgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung dem Rekurs der Rechtsmittelwerberin Folge gegeben und deren Bestellung zur Verlassenschaftskuratorin ersatzlos aufgehoben. Mehr konnte sie mit ihrem Rekurs gegen die erstinstanzliche Entscheidung nicht erreichen. Sie ist durch diese Entscheidung nicht beschwert (RIS‑Justiz RS0006471 [T11]). Aus den Gründen einer Entscheidung kann aber eine Beschwer ‑ von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ‑ nicht abgeleitet werden (vgl 4 Ob 134/13d; RIS‑Justiz RS0043947).
Die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens zur Nachholung der Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Notars ist in diesem Fall entbehrlich, könnte doch das Rechtsmittel auch durch eine fachkundige Vertretung der Partei und Einbringung des Rechtsmittels im Elektronischen Rechtsverkehr nicht zulässig werden (3 Ob 122/15k; RIS‑Justiz RS0005946, RS0120029). Ebenso wäre die Vorlage an das Gericht zweiter Instanz zur Prüfung, ob nicht doch eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG vorliegt, sinnlos (vgl 6 Ob 9/14p zum Fall einer eindeutigen Verspätung).
Der Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
4. Was das Rechtsmittel der B***** S***** anlangt, ist der Akt jedoch an das Erstgericht zurückzustellen. Dieses wird zunächst ein Verbesserungsverfahren einzuleiten und der Rechtsmittelwerberin den Auftrag zu erteilen haben, den Revisionsrekurs binnen einer von ihm zu bestimmenden Frist durch einen Rechtsanwalt oder Notar unterfertigen sowie im Wege des Elektronischen Rechtsverkehrs einbringen zu lassen und dabei auch die dem Rechtsmittel anhaftenden Inhaltsmängel zu beheben. Sollte die gebotene Verbesserung unterbleiben, wird das Erstgericht das Rechtsmittel gemäß § 67 AußStrG zurückzuweisen haben. Im Falle fristgerechter Verbesserung ist das Rechtsmittel dem Rekursgericht zur Entscheidung über die Zulassungsvorstellung vorzulegen.
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