European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00115.15T.0219.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
Die Kläger erklärten mit der am 27. 11. 2012 beim Erstgericht eingelangten Aufkündigung die Auflösung des Bestandvertrags über ein gemietetes Geschäftslokal unter Einhaltung der vereinbarten dreimonatigen Kündigungsfrist zum 31. 3. 2013. Der Beklagte, gleichzeitig geschäftsführender Gesellschafter der Hausverwalterin, habe erheblich nachteiligen Gebrauch vom Mietgegenstand gemacht (§ 30 Abs 2 Z 3 MRG) bzw einen gleich zu haltenden Tatbestand schweren Vertrauensmissbrauchs verwirklicht, es bestehe trotz Mahnung ein unbeglichener Mietzinsrückstand, der sich vor allem aus unterlassenen Indexanpassungen ergebe (§ 30 Abs 2 Z 1 MRG), außerdem verwende der Beklagte den Mietgegenstand nicht (§ 30 Abs 2 Z 7 MRG).
Das Erstgericht folgte den Einwendungen des Beklagten, hob die Aufkündigung auf und wies das damit verbundene Räumungsbegehren ab. Der Beklagte habe sich als Mieter in der Vergangenheit nicht immer korrekt verhalten, jedoch seien die geltend gemachten Kündigungsgründe im maßgeblichen Zeitpunkt der Aufkündigung nicht (mehr) verwirklicht gewesen. An der Nichtzahlung des offenen Mietzinsrückstands treffe ihn kein grobes Verschulden, weil die Kläger diese Forderung erstmals im Verfahren nachvollziehbar präzisiert hätten und der Beklagte den eingeschränkten Betrag daraufhin sofort bezahlt habe.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Kläger Folge, sprach aus, dass die Aufkündigung für wirksam erkannt werde und trug dem Beklagten die Räumung des Bestandgegenstands binnen 14 Tagen auf.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei es dem Beklagten nicht gelungen, sein mangelndes grobes Verschulden an dem unstrittig im Zeitpunkt der Aufkündigung offenen Mietzinsrückstand zu beweisen. Aufgrund seiner Stellung als geschäftsführender Gesellschafter der seinerzeit von den Klägern beauftragten Hausverwalterin wäre er selbst zur korrekten Berechnung des Mietzinses unter Berücksichtigung der Indexanpassungen verpflichtet gewesen; er könne sich daher nicht auf eine mangelnde Kenntnis oder Nachvollziehbarkeit des Rückstands berufen.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen diese Entscheidung erhobene, nach Freistellung (§ 508a ZPO) von den Klägern beantwortete Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinne des darin gestellten Aufhebungsantrags berechtigt, weil der Entscheidung des Berufungsgerichts sekundäre Feststellungsmängel anhaften.
1. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG setzt voraus:
a) einen im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung noch bestehenden Rückstand an Mietzinsen,
b) die bereits mindestens 8 Tage vorher fällig waren und
c) trotz einer nach Fälligkeit erfolgten Mahnung innerhalb der darin gesetzten oder wenigstens gewährten Nachfrist nicht entrichtet wurden (Würth/Zingher/Kovanyi, Miet- und Wohnrecht23 § 30 MRG Rz 14).
Die zur Verwirklichung des Kündigungsgrundes erforderliche Mahnung kann formlos erfolgen. Es fällt jedes Verhalten darunter, aus dem sich ergibt, dass der Gläubiger ernstlich die Leistung fordert (1 Ob 295/99k = MietSlg 52.180; 9 Ob 110/03x immolex 2004/105 [Iby] = MietSlg 56.170); auch die Zustellung einer Zins- oder Räumungsklage bewirkt Mahnung, sofern die Mietzinsschuldigkeit darin hinreichend konkretisiert ist (9 Ob 38/09t; 3 Ob 608/89; 3 Ob 179/11m mwN; 6 Ob 2/12f).
2. Hier hat die Klagevertreterin mit Schreiben vom 17. 7. 2012, dessen Inhalt (Beilage ./E) im Verfahren unstrittig war und daher ohne Beweiswiederholung verwertet werden kann, den Beklagten aufgefordert, Mietzinsrückstände der vorangegangenen Jahre, die sich insbesondere aus nicht vollzogenen Indexanpassungen ergeben hätten, unverzüglich einzuzahlen. Ein konkreter Betrag wurde aber in diesem Schreiben nicht genannt, sondern festgehalten, dass dem Beklagten die Höhe seines Mietzinsrückstands ohnehin „bestens bekannt“ sei.
Das Erstgericht hat festgestellt, dass die Klagevertreterin den damaligen Rückstand mit 6.479,44 EUR „errechnet“ habe, aber nicht, ob und wenn ja auf welche Weise diese Summe, die im Schreiben vom 17. 7. 2012 ebensowenig enthalten ist wie ein Hinweis auf eine Beilage, dem Beklagten bekanntgegeben wurde. Die im Verfahren von der aufkündigenden Partei vorgelegte Aufstellung (Beilage ./F) ist mit 31. 7. 2012 datiert.
Der Beklagte hat jedenfalls die im Schreiben vom 17. 7. 2012 erhobene Forderung der Klagsseite erfüllt, indem er den aus der unterlassenen Wertsicherung resultierenden Mietzinsrückstand selbst errechnet und das Ergebnis von 5.804,67 EUR vor Klagseinbringung bezahlt hat.
Eine Antwort der Kläger, dass die Berechnung des Beklagten falsch und die geleistete Nachzahlung ihrer Ansicht nach zu gering berechnet sei und ein Mehrbetrag eingemahnt werde, steht nicht fest. Nach den vorgelegten Urkunden bietet sich der Eindruck, dass der Beklagte erst durch Zustellung der Aufkündigung erfahren hat, dass nach Ansicht der Kläger noch weitere 674,77 EUR (nach begründungsloser Einschränkung 530,90 EUR) offen sein sollen. In diesem Fall könnte mangels hinreichender Konkretisierung nicht von einer gehörigen Mahnung des Differenzbetrags ausgegangen werden.
Die Geltendmachung eines Mietzinsrückstands in der Aufkündigung kann die nach § 30 Abs 2 Z 1 MRG für die Verwirklichung des Kündigungsgrundes erforderliche Mahnung nicht ersetzen; der Kündigungsgrund muss im Zeitpunkt der Aufkündigung bereits vorliegen und nicht erst später (hier: Ablauf der zu gewährenden Nachfrist) eintreten (RIS‑Justiz RS0106984; RS0070282). War der Kündigungsgrund zu diesem Zeitpunkt noch nicht oder nicht mehr verwirklicht, ist die Kündigung abzuweisen (RIS‑Justiz RS0070282 [T4; T8]; T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch 3, Österreichisches Wohnrecht § 30 MRG Rz 8).
Auf die Frage, ob den Beklagten grobes Verschulden an der verspäteten Zahlung des Rückstands anzulasten war oder nicht, kommt es nicht an, wenn mangels Erfüllung eines essentiellen Tatbestandsmerkmals der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 1 MRG nicht vorlag.
Zur Frage, ob der im Zeitpunkt der Aufkündigung offene Rückstand jemals eingemahnt wurde, hat das Erstgericht nur eine undeutliche, in mehrere Richtungen interpretierbare Feststellung getroffen, die keine abschließende rechtliche Beurteilung erlaubt.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung aufgrund eines im dargelegten Sinn ergänzten Sachverhalts aufzutragen.
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