OGH 1Ob295/99k

OGH1Ob295/99k14.1.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerti P*****, vertreten durch Dr. Herwig Mayrhofer, Dr. Karl-Heinz Plankel und Dr. Robert Schneider, Rechtsanwälte in Dornbirn, wider die beklagten Parteien 1. M***** Gesellschaft mbH, und 2. M***** Gesellschaft mbH & Co KEG, beide ***** vertreten durch Dr. Manfred Puchner, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen S 10.704,-- sA und Räumung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 18. August 1999, GZ 3 R 254/99x-12, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom 15. Juni 1999, GZ 4 C 881/99v-7, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen, die im Zuspruch von S 10.704 sA als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleiben, werden im übrigen Umfang (Räumungsbegehren und Kostenentscheidung) aufgehoben; die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte von den beklagten Parteien die Zahlung rückständigen Mietzinses (ursprünglich S 53.520, infolge Zahlung sodann eingeschränkt auf S 10.704) und die Räumung des von ihnen angemieteten Bestandobjekts. Sie brachte vor, der Mietzinsrückstand sei trotz Mahnung nicht abgedeckt worden. Da sich die beklagten Parteien mit der Zahlung der Mietzinse in "qualifiziertem Verzug" befänden, werde die Auflösung des Mietvertrags gemäß § 1118 ABGB erklärt und dementsprechend Räumung begehrt.

Die beklagten Parteien wendeten ein, der Mietzinsrückstand sei rechtzeitig beglichen worden, am ursprünglichen Zahlungsrückstand sei ihnen kein grobes Verschulden anzulasten.

Das Erstgericht gab sowohl dem Zahlungs- wie auch dem Räumungsbegehren statt. Bis zur Klagseinbringung habe tatsächlich ein Mietzinsrückstand von S 53.520 bestanden. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 31. 5. 1999 seien sämtliche aushaftenden Mietzinsrückstände mit Ausnahme des für Mai 1999 zu leistenden Bestandzinses bezahlt worden. Der Bestandzins für Mai im Betrag von S 10.704 sei erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber auch noch am 31. 5. 1999 überwiesen worden. Die Vereinbarung eines Zahlungsaufschubs habe nicht festgestellt werden können. Da bei Schluss der mündlichen Verhandlung die Miete für Mai 1999 noch nicht gezahlt gewesen sei, hätten sich die beklagten Parteien in qualifiziertem Zahlungsverzug befunden, weil in der auf § 1118 ABGB gestützten Räumungsklage die erforderliche Einmahnung zu erblicken sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung im Ausspruch über das Zahlungsbegehren, wies aber das Räumungsbegehren der Klägerin ab. Es sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die klagende Vermieterin habe nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts vor Einbringung der Mietzins- und Räumungsklage die aushaftenden Mietzinse und Betriebskosten für die Zeit von Jänner bis einschließlich Mai 1999 nicht eingemahnt, sodass der Zeitpunkt der Mahnung durch die Klagszustellung an die beklagten Parteien (am 19. 5. 1999) bestimmt werde. Bis zum 31. 5. 1999 seien die Mietzinse für Jänner bis einschließlich April 1999 bezahlt worden. Damit seien die Mietzinsrückstände innerhalb angemessener Frist beglichen worden; der Vertragsauflösungserklärung der Klägerin sei daher die rechtliche Grundlage entzogen. Bei Schluss der Verhandlung (am 31. 5. 1999) sei der für Juni 1999 zu zahlende Zins noch nicht fällig gewesen, weshalb der Räumungsklage auch unter Bedachtnahme auf den für Mai 1999 aushaftenden Mietzins kein Erfolg beschieden sein könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin, die sich nur gegen die Abweisung ihres Räumungsbegehrens richtet, ist zulässig und berechtigt.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts, die Klägerin habe "nach den unbekämpften Feststellungen des Erstgerichts vor Einbringung der Mietzins- und Räumungsklage die rückständigen Mietzinse und Betriebskosten (von Jänner bis einschließlich Mai 1999) nicht eingemahnt", sind in der Tat aktenwidrig. Derartiges hat das Gericht erster Instanz nicht festgestellt. Dieses ist lediglich - rechtlich zutreffend - davon ausgegangen, dass die Einmahnung und die Auflösungserklärung durch die Klagserhebung ersetzt werden könnten (S 8 des Ersturteils; MietSlg 42.134, 37.188 ua). Die von der Klägerin gerügte Aktenwidrigkeit ist aber auch entscheidungswesentlich:

Ein im Sinne des § 1118 ABGB qualifizierter Zinsrückstand liegt vor, wenn der Bestandnehmer trotz gehöriger Mahnung, den fälligen Zins zu zahlen, bis zum darauf folgenden Zinsfälligkeitstermin den rückständigen (und eingemahnten) Zins nicht vollständig entrichtet hat. Es muss bei Beginn der folgenden Zinsperiode trotz Mahnung noch ein Rückstand an Zins der früheren Zinsperiode bestehen (9 Ob 29/99a; MietSlg 48.148 uva), wenn auch nur mit einem Teilbetrag (MietSlg 40.174, 37.185; SZ 31/115 uva). Richtigerweise konnte daher der Zinsrückstand für Mai 1999 nicht die Vertragsauflösung rechtfertigen, weil der Zins für diesen Monat nach den Feststellungen am 31. 5. 1999 beglichen wurde und der Zins für Juni 1999 erst am 5. 6. 1999 fällig war (vgl SZ 31/115). Anders verhält es sich indes mit den Mietzinsrückständen für die Monate vor Mai 1999. Dazu hat die Klägerin vorgebracht, der (gesamte) Mietzinsrückstand sei trotz Mahnung nicht abgedeckt worden; die beklagten Parteien befänden sich deshalb in "qualifiziertem Verzug" (S 2 der Klage). Feststellungen über die allfälligen Mahnungen der Klägerin vor Klagseinbringung (als formlose Aufforderungen, die den Schuldnern den Ernst ihrer Lage vor Augen führen und zumindest faktisch eine Nachfrist gewähren und die empfangsbedürftig sind: MietSlg 40.174, 34.264, 30.228) fehlen. Das Erstgericht wird festzustellen haben, welche Mietzinsrückstände aufgelaufen waren, ob und bejahendenfalls, wann diese Beträge vor Klagseinbringung eingemahnt wurden, wann diese Mahnung den beklagten Parteien zugekommen ist, welche Nachfrist allenfalls gewährt wurde, und wann schließlich dieser Mietzinsrückstand beglichen wurde. Erst dann wird sich beurteilen lassen, ob sich die beklagten Parteien in dem von der Klägerin behaupteten qualifizierten Zahlungsverzug befanden. Schließlich wird das Gericht erster Instanz für den Fall des Vorliegens qualifizierten Verzugs den Einwand der beklagten Parteien, es treffe sie kein grobes Verschulden (S 2 des Protokolls vom 31. 5. 1999), zu prüfen haben. All dies erfordert - was das Räumungsbegehren betrifft - die Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Rückverweisung zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz.

Ob das Berufungsgericht zu der (nicht vorliegenden) Feststellung über die vor Klagseinbringung nicht erfolgte Einmahnung der Mietzinse nach § 473a ZPO hätte vorgehen müssen, ist nach den obigen Ausführungen bedeutungslos, denn das Gericht zweiter Instanz ist in aktenwidriger Weise von angeblichen Feststellungen des Erstgerichts ausgegangen.

Der Revision der Klägerin ist somit Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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