European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0130OS00119.15X.1218.000
Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallserkenntnis aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht St. Pölten verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten zunächst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Wilfried P***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Wilfried P***** des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2, 148 zweiter Fall StGB (I), des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB (II) und des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er in St. G***** und an anderen Orten
(I) vom 4. Dezember 2012 bis zum 18. September 2013 in acht Angriffen (I/1 bis 8) gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz andere durch Vortäuschung seiner Fähigkeit und seines Willens, angebotene Waren zu liefern und Zahlungen zu leisten, zu Dienstleistungen und Zahlungen verleitet, welche die Getäuschten oder von diesen vertretene Unternehmen um insgesamt circa 28.000 Euro am Vermögen schädigten,
(II) vom 1. Mai 2012 bis zum 31. Jänner 2013 und vom 1. April 2013 bis zum 31. Oktober 2013 seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, dass der Unterhalt oder die Erziehung des Unterhaltsberechtigten gefährdet wurde oder ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet worden wäre, indem er für seinen am 18. September 1999 geborenen Sohn David K***** keine Unterhaltszahlungen leistete (US 33), und
(III) vom 12. Februar 2013 bis zum 10. März 2013 im einverständlichen Zusammenwirken mit Sabine F***** als Geschäftsführer der W***** Ltd (US 13) während eines Insolvenzverfahrens Bestandteile des Vermögens der genannten Gesellschaft ohne Zustimmung des Insolvenzverwalters veräußert und den Veräußerungserlös nicht der Insolvenzmasse zugeführt und dadurch die Befriedigung der Unternehmensgläubiger geschmälert.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Wilfried P***** geht fehl.
Indem die Mängelrüge (Z 5) hinsichtlich der Schuldsprüche I/1 bis 5 und 8 Glaubwürdigkeitserwägungen zu den Aussagen der Angeklagten und mehrerer Zeugen anstellt, wendet sie sich nach Art einer im schöffengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen (§ 283 Abs 1 StPO) Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).
Sofern der Einwand, es sei kein „klarer Beweis“ für die Täterschaft des Beschwerdeführers erbracht worden, als Vorbringen im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 vierter Fall StPO zu verstehen ist, unterlässt die Beschwerde die unter dem Aspekt dieses Nichtigkeitsgrundes gebotene (RIS‑Justiz RS0119370) Gesamtbetrachtung der Entscheidungsgründe (US 36 bis 38 und 40 bis 51).
Das Erstgericht berücksichtigte die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers (US 37) und legte in eingehender (US 37 bis 55), den Gesetzen logischen Denkens ebenso wie grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechender (Z 5 vierter Fall) Beweiswürdigung dar, aus welchen Gründen es dieser Verantwortung nicht folgte. Eine ‑ von der Beschwerde zu den Schuldsprüchen I/6 und I/7 verlangte ‑ darüber hinausgehende Erörterung sämtlicher Details der Aussage des Beschwerdeführers war aus dem Blickwinkel der Urteilsvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht erforderlich, sie hätte vielmehr dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) widersprochen (RIS‑Justiz RS0106642).
Ob der Beschwerdeführer den vom Schuldspruch I/6 umfassten Schadensbetrag „verbraucht“ hat, ist irrelevant, weil der Betrug mit dem effektiven Verlust an Vermögenssubstanz, hier also mit Zahlung, vollendet war ( Kirchbacher in WK 2 § 146 Rz 66 und 130, Kert SbgK § 146 Rz 282, jeweils mwN). Das aus dem allfälligen Verbrauchen des erlangten Geldes entwickelte Beschwerdevorbringen hat daher auf sich zu beruhen.
Die nominell auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützten Einwände zum Schuldspruch III lassen keinen Konnex zu den Kriterien des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes erkennen.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) orientiert sich mit dem pauschalen Verweis auf das Vorbringen der Mängelrüge ebenfalls nicht am Prozessrecht (13 Os 115/13f).
Gleiches gilt für die weiteren Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 5a StPO, weil diese nicht auf konkrete, in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO) Bezug nehmen (15 Os 23/03, SSt 2003/27; RIS‑Justiz RS0117446).
Nach den Feststellungen zum Schuldspruch I handelte der Beschwerdeführer bei allen hievon umfassten Taten mit Täuschungs‑, Schädigungs‑ und Bereicherungsvorsatz (US 15f, 32).
Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) diese Feststellungsbasis verlässt und Konstatierungsdefizite zur subjektiven Tatseite behauptet, entfernt sie sich vom Bezugspunkt materieller Nichtigkeit (RIS‑Justiz RS0099810).
Der Sanktionsrüge (Z 11) zuwider nahm das Erstgericht zu Recht nicht im Sinn des § 31 Abs 1 StGB auf das zu AZ 13 Hv 101/13k ergangene Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 15. Oktober 2013 (US 11) Bedacht (Z 11 erster Fall), weil der vom gegenständlichen Schuldspruch umfasste Tatzeitraum bis zum 31. Oktober 2013 reicht (US 4, 33). Demgegenüber ist eine Bedachtnahme nach § 31 Abs 1 StGB nur dann zulässig, wenn sämtliche der nachträglichen Verurteilung zugrunde liegenden Taten ‑ Dauerdelikte (hier nach § 198 Abs 1 StGB [dazu RIS‑Justiz RS0113143 und RS0128941]) also zur Gänze ‑ vor dem Vor‑Urteil erster Instanz begangen worden sind ( Ratz in WK 2 § 31 Rz 2 mwN).
Die Feststellung, wonach der Tatzeitraum zum Schuldspruch II (erst) am 31. Oktober 2013 geendet hat, wird nicht prozessordnungskonform (Z 11 erster Fall iVm Z 2 bis 5a) bekämpft.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch, dass zum Nachteil des Angeklagten das Gesetz unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO), weil ‑ wie die Generalprokuratur zu Recht aufzeigt ‑ das Verfallserkenntnis sich nicht an den Bestimmungen der §§ 20 f StGB orientiert (§ 281 Abs 1 Z 11 erster Fall StPO):
Zunächst wird nicht klar, ob sich das Erkenntnis auf Vermögenswerte bezieht, die für die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung oder durch sie erlangt wurden (§ 20 Abs 1 StGB), auf Nutzungen der Ersatzwerte (§ 20 Abs 2 StGB) oder auf einen vom Gericht festgesetzten Ersatzbetrag (§ 20 Abs 3 und 4 StGB).
Zudem findet der für verfallen erklärte Geldbetrag keine Deckung in den Entscheidungsgründen, weil er der Summe der vom Schuldspruch I umfassten Schadensbeträge entspricht, das Erstgericht aber „die teilweise Schadensgutmachung“ mildernd wertete (US 57, vgl auch US 26), was nach § 20a Abs 2 Z 2 StGB zu einem entsprechenden Ausschluss des Verfalls führt.
Das Verfallserkenntnis war somit schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort aufzuheben (§ 290 Abs 1 zweiter Satz StPO iVm § 285e StPO). Im diesbezüglichen neuen Verfahren steht die Entscheidung im Sinn des letzten Satzes des § 445 Abs 2 StPO dem Vorsitzenden des Schöffengerichts als Einzelrichter zu (15 Os 55/15z).
Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch, der sich auf die amtswegige Maßnahme nicht bezieht ( Lendl , WK‑StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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